Als Michael „Blutkehle“ Roth, Sänger der Dark-Metal-Band Eisregen, seine Familiengeschichte erforschte, stieß er auf die makaberen Erzählungen und Sagen rund um die im heutigen Tschechien gelegene Ortschaft Marienbad. Diese galt im Volksglauben als verflucht und wurde im Jahr 1961 zum Stausee geflutet.
Diese Vorlage wollte Michael Roth als Konzeptalbum musikalisch umsetzen und gründete aus diesem Grund sein Nebenprojekt Marienbad. Außer ihm selbst besteht das Lineup aus Yantit (Eisregen), Allen B. Konstanz (The Vision Bleak) und West (Hämatom). Ihr lange geplantes Album „Werk 1: Nachtfall“ erscheint am 27. Mai. Hier erfahrt ihr die Details.
Schon in seiner Kindheit hörte Michael Roth durch die Erzählungen seiner aus Sudetendeutschland (heute nördliches Tschechien) stammenden Großmutter von den Schauergeschichten rund um Marienbad. Später besuchte er die Gegend auch selbst. Nachdem ihm aus dem Nachlass der alten Dame ein Buch von 1939 in die Hände fiel, das schon damals vom verfluchten Dorf Marienbad sprach, fasste Roth den Entschluss, die Geschichte des Ortes musikalisch umzusetzen.
Wie nahe die Volkssagen über Marienbad an der Realität liegen, lässt sich kaum beurteilen. Jedenfalls soll es über Jahrzehnte hinweg zu abstrusen Verbrechen, Morden und Selbstmorden in Marienbad gekommen sein. 1961 wurde der Ort zum Stausee geflutet, wobei zwölf Bewohner im Ort verblieben und ertrunken sein sollen.
Für Michael Roth, der auch bei Eisregen seit jeher auf Horror-Texte setzt, sind solche Erzählungen zwischen historisch verbürgter Realität, Aberglaube und schauriger Folklore natürlich eine Steilvorlage. Der textlichen Umsetzung kommt auf „Werk 1: Nachtfall“ dabei die höchste Priorität zu. Es wurde solchen Wert auf die Lyrik gelegt, dass das Album sowohl in einer komplett deutschsprachigen als auch in einer komplett englischsprachigen Version erscheinen wird.
Musikalisch geht es dabei etwas heller als bei Eisregen zu. Zu hören ist melodischer Metal, der mal schnelle Riffs aufbietet, mal aber auch langsam wie im Doom Metal zu Werke geht. Klänge von Streichern, Flöte und Klavier sorgen für die nötige Atmosphäre. Michael Roths Gesang schließlich ist größtenteils klarer und sauberer als bei Eisregen, gelegentlich kommt die „Blutkehle“ aber auch mit gegrowlten Passagen zum Einsatz. Obwohl hauptsächlich klar gesungen wird, wirken die Vocals auf „Werk 1: Nachtfall“ aber keinesfalls weniger bedrohlich als bei Eisregen. Roth singt packend und unbehaglich wie eh und je, was optimal zu den schaurigen Texten passt.
Was die textliche Umsetzung angeht fällt auf, dass Marienbad im Vergleich zu Eisregen weniger von morbidem Humor als viel mehr von ernsthaftem, sehr subtilem Horror lebt. „Werk 1: Nachtfall“ hat auch dahingehend eine „seriöse“ Note, dass neben den Geschichten irgendwo zwischen Realität und Fiktion auch auf sehr reale Begebenheiten wie Kriegsverbrechen eingegangen wird („Endbahnhof“).
Den Großteil der Texte machen aber solche Erzählungen aus, bei denen man sich nie über das Verhältnis von Realität und Ausschmückung wird sicher sein können. So behandelt „Sieben Im Teich“ das Verschwinden einiger Kinder im Jahr 1912 oder „Wasserwall“ die angeblich bei der Flutung des Ortes ertrunkenen Bewohner. Hier greift der subtile Horror besonders: Auf wie viel Fakt und wie viel Fiktion basieren diese Geschichten? Durch dieses Konzept entfaltet „Werk 1: Nachtfall“ eine Atmosphäre wie die eines Horrorfilms, bei dem „basierend auf einer wahren Geschichte“ im Abspann steht.
Die musikalische Umsetzung ist dabei stets gelungen. Zwar darf man keine Solopassagen oder ähnliches erwarten, da sich die Instrumente zugunsten des Gesangs meistens recht weit zurückhalten. Trotzdem gefällt die instrumentale Seite von „Werk 1: Nachtfall“ nicht zuletzt durch einiges an Abwechslungsreichtum. Von doomig dahintrabenden Stücken wie „Komm nach Marienbad“ über Klavierballaden („Sieben im Teich“) bis zu flott-riffigen Titeln wie „Flammnacht“ zeigt sich die Band sehr facettenreich.
Fazit
Marienbad legen mit „Werk 1: Nachtfall“ ein gelungenes Konzeptalbum vor, das vor allem von seiner gut umgesetzten, subtilen Horror-Atmosphäre lebt.
Nicht nur für Eisregen-Fans hörenswert!
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de