Die schwedische Band Tiamat geistert schon seit über 20 Jahren durch die Gothic-Szene und ist dort zu einer echten Größe geworden.
Vier Jahre nach ihrem letzten Album „Amanethes“ stellt die Gruppe nun ihr neues Werk „The Scarred People“ vor. Erscheinungstermin ist der 2. November.
Im Bezug auf Tiamat ist nach wie vor oft von Gothic Metal die Rede. Das mag auch daran liegen, dass die Band ihre Wurzel im Death Metal hat und sich in ihrer Frühphase dann Schritt für Schritt in Richtung Gothic bewegte. Heute muss man sagen: Mit Metal haben Tiamat so gut wie nichts mehr zu tun.
Das galt im Prinzip schon in den letzten Jahren und manifestiert sich nun mit „The Scarred People“ weiter. Auf dem Plan steht ruhiger Gothic Rock mit Wave-Anleihen. Knapp 50 Minuten lang wird ein zeitloser, höchstens im Midtempo gespielter Sound geboten, der näher an den Sisters of Mercy ist als an irgendwelchen Metal-Bands.
Stimmungsvolle, etwas schnellere Rock-Stücke wie „Thunder & Lightning“ und das Titelstück „The Scarred People“ bilden auf Tiamats neuem Album schon die Ausnahme. Im Grunde ist ihr neues Werk nämlich ein Balladen-Album, dessen Löwenanteil aus melancholischen Rock-Balladen besteht.
Die sind recht spartanisch inszeniert, denn Einflüsse von Klavier und Keyboard sind höchstens tröpfchenweise zu hören. Auf die Rock-Instrumente legen die Schweden dafür aber auch volles Augenmerk. Ihre Spielfertigkeiten sind wirklich gut, was sich in richtig knackigen Gitarrensoli zeigt. Auf der spieltechnischen Seite liegen Tiamat damit weit über dem Durchschnitt anderer Gothic-Rock-Bands.
Etwas hintendran ist die Band dafür beim Songwriting, denn „The Scarred People“ ist mitnichten ein Hit-Album. Wirklich mitreißende Refrains kommen nicht vor, auch Ohrwurm-Melodien sind eher die Ausnahme. Das führt dazu, dass „The Scarred People“ anfangs etwas unzugänglich wirkt und Einarbeitungszeit erfordert.
Das recht unspektakuläre Songwriting sorgt zusammen mit der immergleichen Stimmlage von Sänger Johan leider dafür, dass sich einige Lieder des Albums zu gleich anhören. Fans von Oldschool-Gothic-Rock müssen sich davon aber nicht zwingend abschrecken lassen. Die wie gesagt zeitlose Aufmachung von „The Scarred People“ bietet denen im Prinzip ja was sie suchen – zumal die technische Umsetzung wirklich gelungen ist. Altmodisch muss also nicht unbedingt gleich schlecht sein.
Wer nicht explizit auf Oldschool-Gothic-Rock steht, der greift aber wohl eher zu einer „moderneren“ Platte. Andere Bands im Bereich Gothic Metal / Gothic Rock bieten im Moment nämlich wahlweise mehr Vielfalt (Tristania), mehr Epik (Mortemia) oder schlichtweg mehr Hits (Mono Inc.).
Fazit
„The Scarred People“ wirkt im Vergleich zu anderen Genre-Veröffentlichungen der letzten Jahre etwas aus der Zeit gefallen. Tiamat-Fans und Freunde von klassischem Gothic Rock liegen mit dem Album sicher nicht falsch, alle anderen finden ausgefallenere Alternativen.
Punkte: 7 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
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