Nebelkrähe – Interview

Nebelkrähe aus Bayern mag weder die bekannteste, noch die live präsenteste oder technisch ausgereifteste Band unter den deutschen Black-Metal-Newcomern sein. Mit „Lebensweisen“ hat die Gruppe jedoch eines der ungewöhnlichsten Black-Metal-Alben der vergangenen Monate vorgestellt.

Grund genug, beim Gitarristen Morg, einem der Texter und Komponisten der Band, nach dem aktuellen Stand der Dinge zu fragen. Per E-Mail gab der Musiker Auskunft über das neue Album, organisatorische Herausforderungen, Zukunftspläne und den unverwechselbaren Stil von Nebelkrähe.

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Nebelkrähe, Foto: Pressekit

Hallo Morg,
viele Leser werden von Nebelkrähe noch nichts gehört haben. Vielleicht stellst du am Anfang die Band mal kurz vor.

Hallo!
Wir kommen aus München und machen seit sechs Jahren unter dem Namen Nebenkrähe Musik. Ob es sich dabei noch um „Black Metal“ im klassischen Sinne handelt, muss jeder selbst beurteilen – zumindest klingt sie definitiv deutlich interessanter und unkonventioneller, als der Bandname vielleicht zunächst glauben macht. Insofern ist „innovativer Black Metal“ wohl ein recht passender Terminus, auch wenn ich absolut kein Fan von Genre-Schubladen bin.

Am 18. Februar erscheint euer neues Album „Lebensweisen“. Es wurde bereits zwischen 2008 und 2010 komponiert und war Anfang 2011 komplett fertig aufgenommen. Warum hat sich die Veröffentlichung noch über zwei Jahre hingezogen?

Nun, der ganze Prozess, in dem das Album  entstanden ist, war sehr langwierig. Nachdem das Material aufgenommen war, versuchten wir uns erst selbst an Mix und Mastering, um nach einiger Zeit und diversen, um die Ohren geschlagenen Nächten zu realisieren, dass man manche Sachen den Profis überlassen sollte. Wir haben unseren Mix dann in ein großes deutsches Studio zum Mastern gegeben – leider gab es dabei Unstimmigkeiten, die uns stark zurückgeworfen haben, war das Resultat doch schlichtweg unbefriedigend. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir alle die Nase ziemlich voll von dem Album.

Es folgte eine längere Bedenkzeit mit vielen Diskussionen – von gar nicht veröffentlichen, über „einfach so wie es ist“ veröffentlichen bis hin zu „komplett neumachen“ kam da alles zur Sprache. Am Ende entschieden wir uns zu einem Mittelweg: Mit Vespasian von Imperium Dekadenz packten wir den Mix nochmal an und gaben diesen dann an Christoph Brandes, der auch die letzten Imperium-Alben gemixt hat. Mit dem mehr als zufrieden stellendem Resultat, das ihr jetzt auf CD hören könnt…

Wenn man sein Album erst nach so einer kleinen Ewigkeit veröffentlichen kann, hat das mitunter den Effekt, dass man seinen Fans einen musikalischen Status präsentiert, den man vielleicht schon überwunden hat. Denkt man nach so einer langen Zeit vielleicht: Dieses und jenes hätte ich jetzt besser hinbekommen? Dieses und jedes hätte ich jetzt anders gemacht?

Nun, ein Album ist für mich immer eine Momentaufnahme, beziehungsweise ein Zeitdokument. Sicherlich, für mich persönlich repräsentiert „Lebensweisen“ die Band Nebelkrähe eher zum Zeitpunkt seiner Entstehung, also seit dem Release von „entfremdet“ bis zum Ende unserer Arbeiten an der Musik – aber ich denke, das ist ja immer so: Die Band ist ja meist schon ein halbes Album weiter, wenn den Fans das „aktuelle Album“ als brandneu vorgestellt wird. Insofern denke ich auch nicht darüber nach, ob ich da heute etwas anders oder besser machen würde – das haben wir alle zu gegebener Zeit lange und ausführlich genug getan. Für mich ist „Lebensweisen“ jetzt abgeschlossen, ein Fakt, an dem nichts geändert werden kann, und auch nicht soll. Sicherlich findet jeder Musiker auf eigenen Alben immer Stellen, mit denen er nicht zu 100% zufrieden ist – aber das gehört dazu. Wer sich darüber den Kopf zerbricht, der sollte wohl besser keine Musik aufnehmen, sonst endet er als Psycho, der dasselbe Album 20 Mal überarbeitet wieder- oder aber garnicht veröffentlicht. Haha.

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Lebensweisen

Was war künstlerisch eure größte Herausforderung an „Lebensweisen“?

Nun, unser Ziel war es, den auf „entfremdet“ eingeschlagenen Weg weiter zu gehen, auszubauen und auf „Lebensweisen“ noch vielseitiger zu agieren. Nachdem wir Songs schreiben, wie sie uns eben einfallen, war diese Weiterentwicklung aber ein ganz natürlicher Prozess, der aufgrund unserer gemachten Erfahrungen garnicht zu vermeiden war. Wichtig war uns dabei stets, das „Große Ganze“ im Auge zu behalten: Auch ein Funk-, ein Walzer- oder ein Tribal-Percussion-Teil muss im Songkontext Sinn ergeben und darf nicht nur um seiner selbst willen irgendwo auftauchen. Ich denke, wenn man so will, kann man das als die größte künstlerische Herausforderung sehen, ja.

In welcher Auflage wird das Album erscheinen? Also, wie viele Exemplare davon gibt es?

Genügend, dass jeder, der es drauf anlegt, eine CD abbekommt – und genügend, um uns reich und berühmt zu machen, wenn alle verkauft sind … was so schnell aber vermutlich nicht passieren wird. Haha.

Spaß beiseite: Nachdem Labels bei Presswerken nochmal andere Konditionen bekommen als Bands oder Einzelpersonen, macht die Auflage tatsächlich nicht mehr den entscheidenden Kosten-Unterschied – jedenfalls im Vergleich zu allen anderen Kostenpunkten, die auf dem Weg zum fertigen Produkt auftauchen. Insofern wird da nicht an der Menge gespart: Besser ein paar CDs zu viel im Lager als zu wenig, nicht wahr?

Eine Besonderheit eurer Musik sind die Einflüsse aus verschiedenen Genres, die mit Metal eigentlich nichts am Hut haben. In „Mut & Demut“ bringt ihr zum Beispiel einige Funk-Riffs mit ein oder in „Lebenswaisen“ Walzer-Momente. Seid ihr bei diesen Experimenten im Prinzip für jede andere Musikrichtung offen, oder gibt es auch solche, die euch einfach zu weit vom Metal entfernt sind?

Eine interessante Frage, deren Antwort vorher wohl schon angeklungen ist: Am Ende muss es im Songkontext Sinn ergeben. Das ist tatsächlich die einzige feste Bedingung, die wir uns auferlegen … und wenn das ein Ska- oder eine Rap-Passage ist, die diese Bedingung erfüllt – warum nicht? Entscheidend ist für mich nicht, wo ein Element her kommt, sondern wie gut es da funktioniert, wo man es aufgreift.

Aber ich glaube, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass nie ein Schlager oder Volksmusik-Part in einem unserer Songs auftauchen wird. Haha. Ich persönlich bin – bezogen auf Nebelkrähe zumindest – auch kein Freund von synthetischen Elementen … ich würde also wohl selbst keinen Song schreiben, der mit elektronischen Beats oder dergleichen arbeitet. Aber wenn einer der anderen mit sowas ankommt, und mir plausibel machen kann, warum das genau so und nicht anders klingen muss, will ich auch das nicht ausschließen.

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„Den eingeschlagenen Weg weitergehen.“ Foto: Pressekit

Was sind deine persönlichen Lieblingsstücke des Albums geworden?

Das ist eine Frage, die zumindest ich aus mehreren Gründen nicht beantworten kann. Zum einen, weil das in den verschiedenen Produktionsphasen ständig gewechselt hat, zum anderen, weil ich mit dem Album jetzt tatsächlich insgesamt so zufrieden bin, dass mir jeder Song Spaß macht. „Der Flaneur“ hat mich von dem Moment an, in dem Euphorion den präsentiert hat, fest im Griff – nicht ganz zufällig haben wir ja auch diesen Song als Single ausgekoppelt – aber für mich hat jeder Song seine Geschichte, seine Daseinsberechtigung und seinen eigenen Charakter.

Würdest du sagen, dass „Lebensweisen“ ein bestimmtes Konzept zugrunde liegt?

Ich tue mich mit dem Begriff „Konzeptalbum“ immer schwer, das klingt so sperrig und kalkuliert – andererseits ist „Lebensweisen“ definitiv alles andere als ein konzeptloses Album, insofern muss  die Antwort dennoch „ja“ lauten.

Musikalisch sowieso, aber auch hinsichtlich der Texte: Nachdem „entfremdet“ noch, sehr genretypisch, von Zweifel und Zukunftsängsten gehandelt hat, die man mit dem Erwachsenwerden eben so mit sich herumträgt, sind die Texte mit uns erwachsener geworden, würde ich sagen: „Lebensweisen“ beschreibt dem entsprechend die Zeit nach dem Aufbäumen und der Resignation – es stellt die Frage, welchen Weg man weiter beschreiten will, auf welche Weise man sein Leben führen will, und welchen Preis man dafür zahlen muss. Im Endeffekt setzen sich alle acht Texte also mit mehr oder weniger
konkreten Lebenssituationen auseinander – selbstverstänlich ohne jedweden Anspruch, allgemeingültig, vollständig oder irgendgeartet „belehrend“ zu sein. Viel eher aus sehr persönlicher Sicht, exemplarisch und – natürlich – metaphorisch.

Ihr seid live nicht besonders präsent. Selbst nach der Veröffentlichung eures neuen Albums ist erst einmal keine Tournee geplant. Sind euch Live-Auftritte einfach generell nicht so wichtig oder liegt es eher an organisatorischen Dingen?

„Nicht so wichtig“ trifft es definitiv nicht – wir spielen sehr gerne Konzerte und mir ist es auch sehr wichtig, zu sehen, wie die Musik live funktioniert. Allerdings muss dafür das Setting eben passen – und daran scheitert es oft. Black Metal allgemein, aber auch unsere Musik im Speziellen, funktioniert nur dann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen: Du kannst dir Corpsepaint ins Gesicht schmieren, bis du blau wirst – wenn du danach auf die verranzte Bühne eines Jugendzentrums steigst, wirst du damit trotzdem nicht die gewünschte Wirkung erziehlen. Und damit sind wir beim organisatorischen Problem: Eine Tour, die eben nicht die JuZen und Dorfdiskos abklappert, ist in Eigenregie heute kaum noch realisier- und finanzierbar. Nicht zuletzt, weil die Leute heute einfach, aufgrund des
Bandüberflusses, der heute herrscht, auch sehr stark selektieren, auf welches Konzert sie gehen: Früher war `ne Metal-Band in der Stadt, dann ist man da eben hin – heute spielen an jedem Wochenende in drei Bars irgendwelche Metal-Bands, 50 km weiter stehen Motörhead auf der Bühne und die Festivalsaison kommt ja auch noch – da überlegen viele Leute eben zweimal, wo sie hingehen und wofür sie Geld ausgeben.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Rahmenbedingungen passen, spielen wir jedes Konzert, das wir in unseren Terminplan packen können – wenn nicht, verzichten wir lieber auf ein paar Shows und spielen wir eben lieber weniger, als irgendwas Halbgares, das niemanden zufrieden stellt – das Publikum nicht, und uns auch nicht.

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„Wir spielen lieber weniger als irgendwas Halbgares.“ Foto: Pressekit

Habt ihr schon Pläne für ein drittes Album? Was darf man in Zukunft von Nebelkrähe erwarten?

Nun, ein paar Ideen geistern herum, hinsichtlich eines Textkonzepts ebenso wie zu einigen Songs – aber nicht ansatzweise so konkret, wie „Lebensweisen“ war, als „entfremdet“ erschien. Der Prozess war dieses Mal einfach sehr zeitintensiv und nervenaufreibend, da hatte niemand den Kopf frei, sich ernsthaft mit neuem Material auseinander zu setzen – wir wussten ja lange Zeit nicht einmal, ob oder in welcher Form „Lebensweisen“ das Licht der Welt erblicken wird. Ich denke aber, dass es jetzt relativ schnell gehen wird, dass die Sache wieder ins Rollen kommt: Mit einem veröffentlichten zweiten Album im Rücken, das, soweit man das bisher beurteilen kann, recht gut ankommt, tut man sich da definitiv leichter als mit dem Frust über ein unveröffentlichtes Album auf den Schultern.

Zum Schluss gehört das Feld dir: Was möchtest du euren Fans – oder denen die es werden wollen – noch sagen?

Nun, erst einmal möchte ich mich bei jedem, der das hier bis zu Ende gelesen hat, bedanken. Ich hoffe, dass ich mit meinen Antworten etwas Interesse an unserer Musik wecken konnte – wenn mir das gelungen ist, nehmt euch doch einfach noch ein paar Minuten und hört auf Facebook oder Myspace in unser Album rein. Ich wünsche euch viel Freude daran!

Viele Dank für das Interview!

Ich bedanke mich für die Gelegenheit, Nebelkrähe in deinem Magazin vorstellen zu dürfen!

 

Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de