Realms of Odoric ist ein mehr als ungewöhnliches Projekt, das der bekannte Metal-Illustrator Kris Verwimp zusammen mit Suidakra-Frontmann Arkadius Antonik verfolgt. Motto des Projekts ist Artwork meets Sound – Illustration trifft Klang.
Kris Verwimp gestaltete für das selbstbetitelte Debütalbum „Realms of Odoric“ ein aufwändiges Grafikbuch, Arkadius Antonik steuerte Kompositionen im orchestralen Soundtrack-Stil bei. Beides zusammen haucht der Fantasy-Welt von Odoric Leben ein, die Kris Verwimp seit Ende der 1980er-Jahre erdacht hat.
Im Folgenden lest ihr ein interessantes Interview mit beiden Künstlern, in dem sie über Hintergründe, die Entstehungsgeschichte aber auch die Zukunft ihres Projekts geben.
Kris, die Idee eines Projekts zum Thema Odoric kam von dir, denn du warst der Illustrator der 1996 erschienenen Grafiknovelle „The Wall of Doom“ von Filip Keunen. Das Buch hat die Geschichte von Odoric erzählt. Höchst wahrscheinlich haben die meisten unserer Leser bisher nie von der Odoric-Geschichte oder ihrem Autor gehört. Kannst du kurz zusammenfassen, worum es bei Odoric überhaupt geht?
Kris: Nun, eigentlich begann alles schon lange vor 1996. ich habe Odoric 1984 erdacht und zwischen 1985 und 1991 drei Schwarzweiß-Comicbücher dazu fertig gestellt. Ich habe mir während der Arbeiten an den Odoric-Comics sozusagen das Zeichnen beigebracht. Man könnte sagen, die Odoric-Comics waren meine Kunstschule.
Filip Keunen trag ich dann auf der weiterführenden Schule. Sobald wir unser gemeinsames Interesse an Comics, Filmen und Musik entdeckt hatten, begannen wir zusammen zu arbeiten um ein „richtiges“, vollwertiges, farbiges Odoric-Comicbuch zu machen.
Dieses Mal schrieb Filip das Script, sodass ich mich auf das Malen der ganzen Seiten konzentrieren konnte. Wir hatten keinen Herausgeber und auch keine Ambitionen, das Buch selbst heraus zu geben. Wir wollten einfach nur unsere eigene Welt kreieren und die so real wie möglich machen. Ich mag das Wort „Fantasy“ nicht, denn für mich geht es um mehr als eine fiktionale Historie. In der Geschichte geht es um eine Welt mit verschiedenen Kulturen und Rassen, die aufgrund des mysteriösen „Pisces-Ra“-Kults ihre eigene Identität und ihren Lebensstil verlieren. Odoric ist dabei ein mysteriöser „Schattenkrieger“ von den fernen „Cimbric“-Inseln.
Er kämpft um den Vormarsch der Horden von „Pisces-Ra“ zu stoppen, aber taucht in der Regel nur auf um das Blatt zu wenden wenn alles verloren scheint. Er ist der Deus ex machina, mysteriös und mythologisch. Odoric ist die Geschichte einer Einzelperson gegen die Massen.
Wurde die Odoric-Geschichte mit „The Wall of Doom“ zu Ende erzählt oder ist sie bisher noch unvollendet?
Kris: Eigentlich war „The Wall of Doom“ nur eine Einführung. Es gab genug Handlungsmaterial für drei Trilogien, die ganze Geschichte wäre also in neun Büchern erzählt worden. Leider hatte ich nie die Gelegenheit, das zweite Buch abzuschließen, da ich so viele Cover von Musikalben erstellen sollte. Ich hatte einfach keine Zeit mehr um an Odoric zu arbeiten. Das heißt aber nicht, dass ich ihn komplett vergessen hatte. Odoric blieb immer in meinem Hinterkopf präsent. Ich habe seine Welt weiter ausgemalt und über die Jahre mehr Details und mehr Geschichte hinzugefügt. Das Haupt-Script ist immer noch das gleiche. Odoric ist eine Geschichte mit einem Beginn, einem Mittelteil und einem Ende. Die Hauptstruktur hat sich nicht verändert, nur die Details haben sich ein bisschen entwickelt.
Was hält Filip Keunen von deinem “Realms of Odoric”-Projekt mit Arkadius?
Kris: Ich habe ihn gefragt und hier sind seine eigenen Worte:
Filip: Was kann ich sagen? Ich war hocherfreut zu hören, dass Kris endlich und nach so vielen Jahren einige Zeit aus seinem immer vollen Terminkalender freischaufeln konnte um dem Odoric-Projekt wieder Leben einzuhauchen. Die Geschichte wurde über so viele Jahre erdacht und ausgefeilt, da wäre es eine echte Schande gewesen wenn all das einfach ins Leere gelaufen wäre. Kris und ich haben über mehrere Jahrzehnte hinweg viel zu viel Blut und Tränen investiert um unsere kostbare Odoric-Saga einfach den Bach herunter gehen zu lassen. Ich bin auch begeistert von dieser einzigartigen Partnerschaft zwischen Kris und Arkadius, die zu diesem noch nie dagewesenen Projekt geführt hat. Meiner persönlichen Meinung nach wird das Zusammenspiel der Fähigkeiten dieser beiden Genies zu einem unglaublichen Ergebnis führen, wie wir es selten gesehen haben. Von daher, „bei Crom“, jede Faser meines Seins sehnt sich nach der Wiedergeburt von Odoric.
Das „Realms of Odoric“-Album umfasst zwei Komponenten: Die Musik von Arkadius und das von dir gezeichnete Grafikbuch. Wenn es um ein Album geht, denken die meisten Menschen vor allem an ein musikalisches Produkt. Hast du Angst, dass dein Teil von „Realms of Odoric“ in der Wahrnehmung der Menschen hinter den musikalischen Teil zurückfallen könnte?
Kris: Oh, darüber mache ich mir wirklich keine Sorgen. Natürlich sind die meisten Leute, die eine CD kaufen, hauptsächlich an der Musik interessiert. Das ist nur natürlich. Texte und Illustrationen sind normalerweise etwas schwerer zu verarbeiten. Ich habe damit aber kein Problem. Ich denke, es wird auch Leute geben, die die CD wegen meiner Grafiken kaufen. Ich hoffe nur, dass unser Projekt diese beiden Welten ein bisschen näher zusammenbringt.
Die meisten deiner Grafiken sind CD-Cover oder Booklets für Metal-Alben. Würdest du gerne mehr Geschichten illustrieren so wie du es jetzt mit „Realms of Odoric“ getan hast?
Kris: Ich habe immer versucht, mit all meinen CD-Covern eine Geschichte zu erzählen. Aber ich habe jetzt keine Ambitionen mehr, die Geschichten oder Bücher anderer Leute zu illustrieren. „Realms of Odoric“ ist anders, denn Odoric ist meine eigene Kreation und ich will wirklich dahin zurückkommen, diese Saga in der einen oder anderen Weise zu entwickeln und mit Menschen zu teilen. Jetzt, mit den ganzen CD-Downloads und so weiter, scheint die Kunst nicht mehr so bedeutsam zu sein wie sie es mal war. Es scheint mir also die richtige Zeit um anderes zu tun.
Auf den ersten Blick scheinen deine Grafiken für „Realms of Odoric“ und viele deiner früheren CD-Grafiken nicht sehr unterschiedlich zu sein. Fast alle deiner Zeichnungen zeigen uns dunklere Fantasy-Welten mit Ritter-ähnlichen Kriegern, Fabelwesen oder fiktive historische Themen. Was war für dich der Unterschied das „Realms of Odoric“-Artbook anstatt eines weiteren CD-Covers zu zeichnen?
Kris: Der Unterschied war einfach, dass ich nicht das Konzept oder die Geschichte von jemand anderem illustrieren musste. Ich hatte viel mehr Freiheit, denn ich kenne die Welt von Odoric in- und auswendig. Es hat viel Spaß gemacht, endlich welche von meinen eigenen Konzepten zu Papier zu bringen.
Euer “Realms of Odoric”-Album gelangt nicht in den regulären Handel, sondern ist nur über einzelne Onlinehändler erhältlich. Wie kam es zu dieser recht ungewöhnlichen Entscheidung?
Kris: Als wir mit dem Projekt angefangen haben, war das Hauptziel etwas zu unserem eigenen Vergnügen zu tun. Keine Deadlines, kein Druck, einfach nur Spaß haben während wir die Welt von Odoric am ausfüllen waren. Die Musik ist auch kein Metal und nicht alle Metal-Fans sind Fans von Soundtrack-Musik. Deshalb haben wir nicht erwartet, einen Herausgeber zu finden. Wir haben alles auf unserer Facebook-Seite veröffentlicht, auf Soundcloud und auf Youtube. Dann kam aber MDD Records, hatte Interesse daran und auch viele gute Ideen für limitierte Auflagen und so weiter.
Ist euer Album eine einmalige Sache oder könnt ihr beiden euch gemeinsam weitere Veröffentlichungen als Realms of Odoric vorstellen?
Kris: Wir arbeiten sogar schon an einem zweiten Album. Die Geschichte ist eine Trilogie, also sollten es zumindest drei Alben werden. Da muss aber nicht mal Schluss sein. Die Odoric-Welt ist ein sehr großer Ort mit einer umfangreichen Geschichte. Es gibt also genug Material um und beschäftigt zu halten so lange wir beide Interesse daran haben.
Arkadius, „Realms of Odoric“ ist deine erste Veröffentlichung als reiner Soundtrack-Komponist, Interesse an diesem Gebiet hattest du aber schon länger?
Arkadius: Um ehrlich zu sein habe ich schon vor Jahren angefangen orchestrale Kompositionen zu schreiben. Allerdings waren meine Fähigkeiten damals noch nicht soweit, dass ich an ein Projekt oder ähnliches denken konnte. Nach dem Release des Suidakra-Albums „Eternal Defiance“ im Jahre 2013 hat mich Kris gefragt, ob ich an einem Projekt interessiert wäre, und ich traute es mir zu. So hat dann also alles begonnen.
Was macht die Odoric-Welt so geeignet als Projektionsfläche für deine Arbeit als Komponist?
Arkadius: Die unheimlich komplexe Story mit vielen verschiedenen Facetten und Stimmungen geben mir als Komponisten die Möglichkeit, mich in alle möglichen Richtungen musikalisch zu bewegen. Man ist beim Komponieren nicht zu sehr an eine bestimmte Grundstimmung gebunden. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Völker und Charaktere so unterschiedlich sind, dass ich instrumentationstechnisch viele neue Sachen ausprobieren kann. So kommen die verschiedensten Instrumente zum Einsatz.
Wie viel von dem „Realms of Odoric“-Album ist digital entstanden und wie viel davon wurde tatsächlich im Studio eingespielt?
Arkadius: Auf dem Debütalbum ist alles digital entstanden, da wir zu diesen Zeitpunkt budgetmäßig nichts studiotechnisch aufnehmen konnten. Das sieht beim kommenden Album ganz anders aus. Nicht nur dass einige Passagen im Studio entstehen werden – es wird sogar eine Aufnahme mit einem 66-köpfigen Frankfurter Symphonieorchester geben!
Die Odoric-Welt ist auch Thema auf dem neuen Suidakra-Album. Wie steht es im Bezug zu eurem „Realms of Odoric“-Projekt?
Arkadius: Das neue Suidakra-Album ist als Ergänzung zum Projekt zu sehen. Beim orchestralen Album behandeln wir die Ereignisse, die während des ersten Zeitalters geschehen. Auf dem Suidakra-Album gehen wir näher auf die einzelnen Völker und Charaktere ein, um zu erzählen was sie denken und fühlen.
Hast du als Soundtrack-Komponist irgendwelche Vorbilder – vielleicht aus dem Bereich Filmmusik oder gar klassische Komponisten?
Arkadius: Natürlich gibt es für mich Vorbilder wie Hans Zimmer, Jerry Goldsmith, der Meister John Williams. Aber auch modernere Komponisten wie Brian Tyler oder Steve Jablonsky stehen auf meiner Liste. Bedingt durch mein Studium als Filmkomponist bin ich auch ein großer Fan von Tschaikowsky, Wagner und Gustav Mahler geworden. Was diese Jungs komponiert haben ist schon der Wahnsinn.
Damit wären wir auch schon am Ende des Interviews angelangt. Was möchtet ihr unseren Lesern noch sagen?
Kris: Vielen Dank für deine Fragen, Stefan! Und danke auch an alle, die das hier Lesen und Interesse an unserem Projekt zeigen. Wir hoffen, ihr habt an „Realms of Odoric“ so viel Spaß wie wir im Entstehungsprozess hatten!
Arkadius: Da kann ich mich nur Kris anschließen! Vielen Dank für alles!
Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
Die Fragen an Kris Verwimp wurden auf Englisch gestellt und beantwortet und für die veröffentlichte Version des Interviews ins Deutsche übersetzt.