Neun Welten – The Sea I’m Diving In

Die Dark-Folk-Band Neun Welten hat zum letzten Mal im Jahr 2009 etwas von sich hören lassen. Acht Jahre nach „Destrunken“ hat die Gruppe nun tatsächlich ihr drittes Album „The Sea I’m Diving In“ veröffentlicht.

Das Werk ist am Freitag erschienen und hat mit Neun Welten wie man sie früher einmal kannte nur noch wenig zu tun.

Ist das wirklich schon so lange her? Acht Jahre sind vergangen seit Neun Welten ihr letztes Album veröffentlicht haben. Sogar zehn Jahre sind es seit ich die Band zum letzten Mal live gesehen habe – 2007 war das, auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Neun Welten spielten dort auf einem Festival mit unter anderem Tenhi (vor ihrer acht Jahre langen Live-Pause), Spiritual Front (die in Deutschland kaum jemand kannte) und Dornenreich (die sich gerade akustisch ausprobierten).

Ist „The Sea I’m Diving In“ nun also wie das Öffnen einer Zeitkapsel? Nein, denn Neun Welten haben mit den Neun Welten von damals kaum noch etwas zu tun. Geblieben ist, dass die Band im Grunde genommen Dark Folk macht, wenngleich neben Geige und Akustikgitarre auch klassische Instrumente wie Cello und Klavier Verwendung finden.

Geändert hat sich, nun, so ziemlich alles andere. Es fängt damit an, dass die Flöte weggefallen ist und stattdessen Gesang eine große Rolle spielt. Die Zeiten, als Neun Welten vor allem instrumentale Stücke spielten, sind vorbei. Das rund 49 Minuten lange „The Sea I’m Diving In“ hat englischsprachige Texte, die sich vor allem mit der menschlichen Gefühlswelt auseinandersetzen.

Neu hinzugekommen sind E-Gitarre und E-Bass, Neun Welten sind also gar keine rein akustische Band mehr. Der Sound ist dennoch sehr ruhig und düster geblieben, die elektrische Seite nimmt also nicht Überhand.

Dass es wie in „In Mourning“ wirklich mal rockig wird und die elektrisch verstärkten Instrumente zusammen mit dem Schlagzeug etwas lebhafter agieren, bleibt die absolute Ausnahme. Die E-Gitarre fügt sich gelungen und meistens sehr zurückhaltend in das defensive Klangbild ein oder liefert breite elektronische Schwaden, die an Post Rock erinnern.

Stichwort defensives Klangbild: „The Sea I’m Diving In“ bedient sich einer ständigen Melancholie und wird sparsam, ja zum Teil geradezu minimalistisch inszeniert. Warme Klangfarben kommen allein in „Earth Vain“ vor, darüber hinaus aber so gut wie gar nicht. Die Atmosphäre des Albums ist dicht, die traurige Grundstimmung wirkt zu keiner Zeit aufgesetzt.

Mit der sehr minimalistischen Herangehensweise haben es Neun Welten aber übertrieben. Vor allem die Entscheidung, fast durchgehend Gesang zu verwenden, macht es in diesem Zusammenhang nicht besser. Der Gesang ist darauf ausgelegt, sowohl die traurige Stimmung als auch den minimalistischen Aufbau des Albums mitzutragen. Er ist daher ausnahmslos in einer sehr zurückhaltenden, gedämpften Variante zu hören, die mitunter kaum mehr als ein Flüstern oder Hauchen ist. Tritt der weibliche Hintergrundgesang hinzu, ist der dementsprechend noch fragiler.

Dieser sehr ruhige Flüstergesang mag als Stilelement passend sein, bietet aber überhaupt keine Abwechslung und ermüdet doch recht schnell. Über die gesamte Spielzeit des Albums hinweg wird praktisch in der gleichen Ton- und Stimmlage gesungen, nennenswerte Variationen kommen nicht vor. Da waren einem Neun Welten ganz ohne Gesang dann doch lieber.

Auch auf der instrumentalen Seite ist die Intonation der Lieder oft zu gleich. Die elektrisch verstärkten Instrumente bringen zwar eine neue Facette hinzu, die auch durchaus genutzt wird. Die Umsetzung des Klangbilds erfolgt aber – ob nun mit oder ohne E-Gitarre – immer sehr ähnlich, immer sehr ruhig, immer minimal und weitestgehend unspektakulär.

Neun Welten waren natürlich nie eine besonders fröhliche Band und bereits das 2009 erschienene Album „Destrunken“ ging ja in eine etwas ruhigere Richtung als „Vergessene Pfade“ von 2006. In ihrer Frühphase schaffte es die Band aber, trotz einer durchaus bedächtigen Stimmung auch schwungvolle und lebhaftere Lieder zu machen.

Auch das Songwriting des neuen Albums kann mit den frühen Werken der Band nicht mithalten. Ja, es gibt auf „The Sea I’m Diving In“ auch positive Ausnahmen wie „In Mourning“. Ja, es liegt in der Natur der Sache, dass die Eingängigkeit abnimmt wenn sich die Musik hin zu einem minimalistischen, sehr ruhigen Stil entwickelt. Und ja, schon „Destrunken“ schlug ruhigere Töne an als „Vergessene Pfade“.

Für eine Band, die mit „Nebelland“ oder „Auf kargem Fels“ früher aber richtige Ohrwürmer geliefert hat, ist die Fallhöhe hier aber ziemlich hoch. Dass man auch mit einem ruhigen Sound und einer traurigen Grundstimmung ein spannendes Songwriting beibehalten kann, haben nicht erst Bands wie Rome gezeigt.

Fazit

Mit „The Sea I’m Diving In“ zeigen sich Neun Welten ebenso atmosphärisch wie früher, aber deutlich weniger abwechslungsreich und auch vom Songwriting her nicht mehr auf dem Stand der alten Tage.

Einige Neuerungen wie die Rock-Einflüsse sind gelungen, andere wie der durchgehende Gesang können nicht überzeugen. 

Punkte: 6 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de