Tengil – Shouldhavebeens

Tengil aus Schweden bezeichnen ihre Musik als Mischung aus Post-Hardcore, Blackgaze und Noise. Jeder einzelne der drei Begriffe ist weniger eine feste Genre-Definition, sondern umschreibt nur grob eine musikalische Stoßrichtung.

Wirklich präzise kann man den Sound der Band ohnehin nicht benennen, denn Tengil machen Experimentalmusik, die sich nicht um Genre-Grenzen schert. Diese Rezension beschäftigt sich mit ihrem zweiten Album „Shouldhavebeens“, das am Freitag erscheint.

„Shouldhavebeens“ enthält sechs Lieder, in deren Mitte eine kleine Pause eingelegt wird (dazu später mehr). Das Stück „All For Your Myth“ wird auf Schwedisch gesungen, der Rest des Albums auf Englisch. Die Gesamtspielzeit liegt bei 37 Minuten.

Von den drei eingangs genannten Genre-Begriffen ist Post-Hardcore wohl der, unter dem sich Metal-Fans am ehesten etwas vorstellen können. Meist wird damit eine Mischung aus Metal und klassischem Hardcore Punk bezeichnet, die oft in den modernen Metalcore-Bereich übergeht.

Man denkt dabei schnell an stimmungsgeladene Bands und einen kraftvollen, melodisch-eingängigen Sound mit Gutturalgesang. Tengil jedoch haben einen grundlegend anderen, experimentellen Ansatz und machen ungefähr gar nichts, was der üblichen Genre-Definition entspricht.

Experimentell heißt hierbei auch, dass die Band keinen festen Stil fährt und sich ihr Klangbild von Lied zu Lied teils deutlich unterscheidet. Elemente, die über verschiedene Lieder hinweg konstant bleiben, sind lediglich der teils recht hohe Klargesang, die extrem volle, sehr vielschichtige Ausgestaltung des Klangbilds und die flächigen Klangebenen im Hintergrund.

Dass „Shouldhavebeens“ kein gewöhnliches Album ist, hört man schon in seinen ersten Sekunden. „I Dreamt I Was Old“, das erste Stück der Platte, startet mit Blatbeats vor einer undurchdringlichen Wand aus elektronischen Geräuschen. Ich sage bewusst Geräusche, denn eine Melodie im eigentlichen Sinne ist das nicht. Später setzt sehr weicher, verträumter Gesang ein, der ein bisschen an Alcest erinnert. Blastbeats und sakral-surreale Elektronik bleiben trotzdem erhalten.

„And The Best Was Yet To Come“ bietet ein ebenso überfülltes Klangbild, fällt insgesamt aber ruhiger aus. Das Schlagzeug tut sich hier nicht durch Blastbeats, sondern durch ungewöhnliche Muster hervor. Gegen Ende setzt die Geräuschkulisse im Hintergrund auch mal aus und lässt das Lied ein Stück weit wie einen normalen Rock-Song klingen.

„With A Song For Dead Darlings“ ist eigentlich nur Noise. Viele Klangspuren laufen wild übereinander, es ist keinerlei Struktur erkennbar. Nach diesen drei Liedern kommt die oben erwähnte kurze Verschnaufpause. Unter dem Titel „A Lifetime Of White Noise“ wird dem Hörer zehn Sekunden lang Stille präsentiert.

Weiter geht es dann mit „It’s All For Springtime“. Der Song ist für Tengil außergewöhnlich, denn er ist vergleichsweise gewöhnlich. Es handelt sich um ein rockiges, strukturiertes und relativ normales Stück, das fast komplett ohne den Noise-Hintergrund auskommt.

In „All For Your Myth“ gibt es dann einen gesprochenen Textvortrag, der nur sparsam instrumental begleitet wird. Das Album endet schließlich mit „In Murmur“, einem zwar wieder überladenen, aber noch recht greifbaren Stück.

Das also war „Shouldhavebeens“ – ein Album, das man erst einmal sacken lassen muss. Was Tengil hier machen ist schwere Kost, unzugänglich und sicher nichts für jeden – gleichzeitig aber auch hoch ungewöhnlich und durchaus reizvoll. Es handelt sich durchgehend um Experimentalmusik, die mit anderen Bands nur schwer zu vergleichen ist.

Auf keinen Fall sollte man erwarten, was landläufig unter dem Begriff Post-Hardcore subsumiert wird. Auf gar keinen Fall sollte man auch eingängige Lieder im Sinne von griffigen Melodien und Refrains erwarten – eine Melodiestruktur ist teilweise ja überhaupt nicht erkennbar. Wer aber etwas wirklich Außergewöhnliches hören möchte und bereit ist, sich darauf einzulassen, der liegt mit „Shouldhavebeens“ richtig.

Fazit

Ein experimentelles, schwer zu fassendes, aber auch interessantes Album. „Shouldhavebeens“ wird vielen verschlossen bleiben, aber jedem im Gedächtnis.

Punkte: 7 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de