Es gibt Konzeptalben, auf denen sich Bands ganz und gar einem Thema widmen. Hin und wieder trifft man aber auch eine Konzept-Band, die nicht nur ein Album, sondern gleich ihr ganzes Schaffen auf ein Thema hin ausrichtet. Die ukrainische Metal-Band 1914 ist so ein Fall. Bei der fünfköpfigen Truppe dreht sich alles um den Ersten Weltkrieg.
Gegründet wurde die Band 2014, also 100 Jahre nach Kriegsbeginn. Ihr Debütalbum “The Blind Leading The Blind” erscheint am 11. November 2018 – auf den Tag genau 100 Jahre nach Kriegsende.
“The Blind Leading The Blind” hat ein Intro und ein Outro im Stil alter Radioübertragungen. Dazwischen finden sich acht Lieder und ein kurzes Zwischenspiel, das aus Samples besteht. Die Gesamtspielzeit des Albums liegt bei einer Stunde. Gesungen wird durchgehend auf Englisch.
Bei all der Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg betonen 1914, weder politisch noch kriegsverherrlichend zu sein. Die Band möchte einfach Geschichten vom Krieg erzählen. Nach eigener Aussage sind das für die fünf Musiker Geschichten von Ungerechtigkeit, Angst, Hoffnungslosigkeit und Tod.
Das Klangbild des Albums ist entsprechend kalt und schwermütig. Die düstere Atmosphäre ist die Gemeinsamkeit aller Lieder des Albums. Rein musikalisch ist das Bindeglied der extrem tiefe Growl-Gesang, der hin und wieder aber auch in den Scream übergeht.
Darüber hinaus gestalten sich die Lieder von 1914 relativ unterschiedlich. Im Grunde genommen bedient die Band hier mehrere Metal-Genres. Es gibt schnelle, gitarrenlastige und mit Blastbeats versehene Lieder, die man dem melodischen Black Metal zuordnen würde. Weniger fein austarierte und dafür umso offensivere Stücke kommen hingehen als erdiger, roher Death Metal daher.
Dann gibt es aber auch Lieder, die in Richtung Doom Metal gehen. Sie verzichten auf Blastbeats, traben ruhig in einer langsamen Spielgeschwindigkeit dahin und stellen die Härte zugunsten der Atmosphäre in den Hintergrund. Insgesamt vereinen 1914 also Black-, Death- und Doom Metal. Dazwischen gibt es aber auch brachial-rockige Momente, die mich zusammen mit dem ungeschliffenen, tiefen Gesang etwas an Totenmond erinnern.
Trotz der verschiedenen Genres, die 1914 hier bespielen, sind die einzelnen Lieder für sich genommen recht geradlinig. Auf Keyboards oder andere Begleitinstrumente wird so gut wie verzichtet. Verschiedene Samples wie Schüsse, die Geräusche von Panzerketten oder diverse gesprochene Textfetzen kommen zwar vor. Diese Elemente spielen aber keine allzu große Rolle, zumal sie sich fast immer auf den Anfang oder das Ende eines Liedes beschränken.
Dass wie in “Passchenhell” ein zusätzliches, hier surreal anmutendes Klangelement hinzutritt, bleibt die absolute Ausnahme. Bei einer musikalischen Bandbreite, die sich wie beschrieben über die Grenzen mehrerer Metal-Genres erstreckt, kann man damit aber gut leben. Den Punkt für Abwechslung und Vielseitigkeit haben 1914 auf jeden Fall.
Die Atmosphäre des Albums ist ebenfalls gelungen. 1914 bringen die verschiedenen negativen Grundstimmungen ihrer Kriegsthematik hier gut und kitschfrei herüber. “The Blind Leading The Blind” zeigt sich schnell als ungewöhnliches, sehr eigenes Album, das man so sicher nicht jeden Tag hört.
Das Songwriting ist dabei eher zweckdienlich und auf Vielfalt und Atmosphäre ausgelegt. Es gibt auch mal einen griffigen Refrain wie zum Beispiel in “High Wood. 75 Acres of Hell”, das Album legt aber keinen besonderen Fokus auf eingängige Melodien oder irgendwelche Hits. Die Schwerpunkte des Albums liegen einfach woanders.
Rein von den Spielfertigkeiten her fällt “The Blind Leading The Blind” ebenfalls in die Kategorie voll in Ordnung, aber eben auch nicht viel mehr. Die Produktion ist dagegen sauber und zeitgemäß – und damit besser, als man es von einer ukrainischen Newcomer-Band vielleicht erwartet hätte.
Fazit
Ein interessantes Album mit ungewöhnlicher Stimmung, Thematik und Vielfalt.
Punkte: 7.5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de