Ad Nemori aus München bezeichnen ihren Musikstil selbst als Atmospheric Death Metal. Ihr vielschichtiger, durchaus anspruchsvoller Sound ist bisher nur wenigen Metal-Fans bekannt. Kein Wunder, denn außer einer kleinen EP hat die Band bisher nichts veröffentlicht.
Am 18. Oktober wird sich das nun ändern, denn mit „Akrateia“ steht das Debütalbum der sechs Musiker in den Startlöchern. Lohnt es sich? Hier bekommt ihr die Antwort!
„Akrateia“ kommt mit Intro, Outro und sieben Liedern auf eine Gesamtspielzeit von 49 Minuten. Eines der Lieder, „Guidance“, ist ein kürzeres Instrumentalstück, das vor allem auf einer Akustikgitarre basiert. In den restlichen Liedern herrscht Growl-Gesang vor.
Die durchgehend englischen Liedtexte sind nachdenklich und interpretationsoffen gehalten. Zum überwiegenden Teil stammen die Texte von Ad Nemori selbst, nur „The Stars My Destination“ vereint ein klassisches Gedicht mit losen Zitaten aus einem Science-Fiction-Roman. Das Ergebnis klingt keinesfalls so kurios wie man nun vielleicht denken mag.
Ad Nemori bieten auf ihrem Debütalbum einen atmosphärischen, zum Teil komplex aufgebauten Sound, der Stimmung und Ambiente deutlich in den Vordergrund stellt. Viele Bands bauen ein vergleichbares Klangbild auf Black Metal auf. Dass Ad Nemori dagegen melodischen Death Metal als ihr Fundament gewählt haben, hebt die Gruppe von anderen anspruchsvollen Metal-Bands ab.
So steht im Zentrum melodischer, in überschaubarem Tempo gehaltener Death Metal mit harschen, markanten Growls. Die fallen zum Teil derart tief aus, dass sie mich an Saturnus erinnern. Auf dieser Basis bauen die Bayern ein vielschichtiges, verträumtes Klangbild auf, das mit Klavier, teils orchestral wirkenden Synthesizern, Akustikgitarre und gelegentlich sogar Streichern reichhaltig inszeniert wird.
Da die Band stilistisch praktisch eine eigene Nische gefunden hat, fällt der direkte Vergleich zu anderen Gruppen schwer. Die Musik von Ad Nemori erinnert an Epic- oder Post-Black-Metal-Bands, nur eben mit tiefen Growls anstatt Screams. In den langsamen Momenten hat „Akrateia“ aber auch etwas von Doom Metal an sich.
Doch wie wurde all das nun umgesetzt? Technisch steht „Akrateia“ in jedem Fall gut dar. Das Album hat eine klare, saubere Produktion, die auch von der großen Anzahl der Klangspuren nicht überfordert wird. Die Spielfertigkeiten der Band sind ebenfalls tadellos, mitunter sind richtig schöne Soloeinlagen dabei. Gerade für ein Debütalbum sind sowohl Produktion als auch Spielfertigkeiten über alle Zweifel erhaben.
Künstlerisch weiß „Akrateia“ ebenfalls zu überzeugen – wenn auch nicht durchgehend auf dem selben Level, doch dazu später mehr. Ad Nemori schaffen auf ihrem Debütalbum atmosphärische, stimmungsvolle Klangbilder, die nie kitschig oder aufgesetzt wirken. Als Stärken tun sich dabei gelungene Kontraste, ausdrucksstarke, breit inszenierte Hintergründe und nicht zuletzt auch ein gutes Songwriting hervor.
Das Songwriting ist bei vielen derart komplexen Bands der Knackpunkt. Ein vielschichtiger, anspruchsvoller Sound ist nicht immer unbedingt leicht zugänglich. Ad Nemori haben jedoch trotz des künstlerischen Anspruchs auf griffige Melodien Wert gelegt. Den schnellen Refrain sucht auf einem Album wie diesem natürlich keiner, gemessen am Konzept der Band ist „Akrateia“ jedoch durchaus eingängig und legt die Einstiegshürden nicht zu hoch.
So viel also zu den Stärken von Ad Nemori. Als Schwäche ist eigentlich nur festzuhalten, dass die Stärken der Band nicht immer und auch nicht gleichmäßig ausgespielt werden. Grob kann man die Stücke auf „Akrateia“ in drei Kategorien einteilen, die tatsächlich auch in unterschiedlichem Umfang beeindrucken.
Kategorie 1: Die vergleichsweise normalen Lieder. Mit den relativ schnellen Liedern („Tellurian Doom“, „Diverging From The Black“) stehen Ad Nemori recht nahe am „normalen“ Melodic Death Metal. Für ihre Verhältnisse halten sich die Bayern hier mit der Inszenierung stark zurück. Die genannten Titel klingen daher wie eingängige und mit viel Keyboard versehene, insgesamt aber doch recht gewöhnliche Melodic-Death-Metal-Stücke.
Kategorie 2: Schon etwas aufwändigere Lieder. Hier ist das sehr tiefe, im Midtempo gehaltene „Above The Tide“ zu nennen. Es geht ein Stück weit in die doomige Richtung, fällt schon komplexer aus, zeigt was Hintergründe und Ausgestaltung des Klangbilds angeht aber noch nicht die volle Breitseite. Stimmungsvoll, hörenswert, aber noch keiner der Höhepunkte des Albums.
Kategorie 3: Die Epen! „Kenosis“ und „The Stars My Destination“ sind die zwei längsten und gleichzeitig auch die zwei besten Stücke des Albums. Hier fahren Ad Nemori endlich das volle Programm. Die rund zehn beziehungsweise acht Minuten langen Lieder bauen sich Stück für Stück zu richtigen Hymnen auf. Von ruhigen Passagen mit Akustikgitarre und Klavier geht es über packende Momente mit Growls und Blastbeats bis hinein in breite, orchestrale Klangflächen mit einer außerordentlichen Atmosphäre. All das noch immer mitreißend und mit sauber geführten Melodien. Richtig, richtig gut!
Zusammengefasst hat „Akrateia“ recht unterschiedlich gestaltete Lieder, die mal gut, mal besser und im Fall von „Kenosis“ und „The Stars My Destination“ schlicht herausragend sind.
Fazit
Ein bemerkenswertes Debütalbum für alle Fans der anspruchsvollen Metal-Schiene.
Punkte: 8.5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de