Nach dem überraschenden Tod ihres Bandgründers löste sich 2011 die schwedische Metal-Band Lifelover auf. Selbstredend machte das tragische Ende der Band Schlagzeilen. Auch in den Jahren danach machten Lifelover noch ab und an von sich reden – zum Beispiel als die verbliebenen Bandmitglieder noch einmal für einen Auftritt beim Prophecy Fest 2015 zusammenkamen.
Fast schon untergegangen ist dabei, dass drei ehemalige Lifelover-Mitglieder schon bald nach dem Ende der Band ihr neues Projekt Kall ins Leben riefen. 2014 brachten Kall auch bereits ein Album heraus, fanden damit aber noch keine allzu große Beachtung.
In Kürze erscheint das zweite Album der Band, die heute aus jeweils drei Mitgliedern mit und ohne Lifelover-Vergangenheit besteht. Das Werk trägt den Titel „Brand“ und ist ab dem 19. Juni zu haben. Auf dem Programm steht silübergreifende Rockmusik.
Stilübergreifend. Selten hat dieses Wort so gut gepasst wie hier, denn „Brand“ vereint gleich eine ganze Reihe unterschiedlicher Rock-Genres in sich. Das eine Stunde lange Album bietet melodische, abwechslungsreiche Rockmusik in ganz verschiedenen Stimmungen und Spielgeschwindigkeiten.
Unter diesem Dach bedient sich das Album an Elementen aus allen möglichen Ecken des Genres. Vielschichtige Gitarren, ein zumindest moderat komplexes Spiel und ein auffälliger Bass lassen einen an Progressive Rock denken. Die Klangbilder schwanken von Doom- bis Fuzz Rock.
Wenn die Riffs hypnotische Schleifen drehen und herkömmliche Melodiestrukturen sich zunehmend auflösen, dann landet „Brand“ mitunter auch im Bereich Psychedelic. „Brand“ ist sehr viel und das auch noch zugleich. Durch seltene Blastbeats und den Gesang, der sich teils fast ins Gutturale steigert, sind dann sogar Metal-Anleihen vorhanden.
Stichwort Gesang: Der ist durchaus markant, spielt aber eigentlich gar keine wirklich große Rolle. Ein Großteil des Albums läuft nämlich instrumental ab. Über lange Passagen hinweg ist weit und breit also gar kein Gesang zu hören. Kommt er dann vor, dann so gut wie immer auch nur mit Textfragmenten anstatt ausformulierten Sätzen.
Die – wie gesagt wenig umfangreichen – Texte sind dabei sowohl auf Schwedisch als auch auf Englisch gehalten. Sie gehen in eine eher nachdenkliche Richtung und schäumen nicht gerade vor Freude über. Da mag es einen überraschen, dass „Brand“ keine besonders kalten Klangfarben einsetzt. Mitunter ist das Klangbild gar erstaunlich warm, die Fuzz-Note habe ich ja schon erwähnt.
Umgesetzt haben Kall ihr komplexes Konzept ziemlich gut. Der atmosphärische, stimmungsvolle Sound ist vielseitig, wird aber nie beliebig. Kall decken eine enorme musikalische Bandbreite ab und halten die Atmosphäre dabei durchgehend hoch.
Die schnelle Melodie und den flinken Refrain sollte man dabei nicht erwarten. „Brand“ ist ein anspruchsvolles Album für die Schwelger und Genießer. Seinen Reiz bezieht es aus seiner Atmosphäre, Stimmung und Vielseitigkeit – nicht daraus, besonders griffig oder zugänglich zu sein.
Wohin die Reise geht, möchte ich anhand von „Fukta Din Aska“ erläutern, dem mit über 17 Minuten längsten Stück des Albums. Das Klangbild baut sich langsam und minimalistisch auf und geht dann in erdige, fast schon derbe Rock-Riffs über. Zusätzliche, melodische Gitarrenspuren kommen hinzu, der Gesang setzt ein – und dann wieder Stille.
Dieses Muster – Spannungsbogen, Aufbau und dann Stecker ziehen – wiederholt das Stück nun viele Male. Dabei bleibt immer manches gleich und anderes ändert sich. Mitunter werden gewagte Riffs, Blastbeats oder gar ein (wirklich gut passendes) Saxophon eingebaut.
Kein Zweifel: Auf „Brand“ gibt es viel zu entdecken! Gibt es dabei auch Kritik? Naja, nicht jedes Lied ist so spannend geraten wie „Fukta Din Aska“. Hier und da gibt es eine Länge, wenn streckenweise mal recht wenig passiert.
Außerdem haben Kall ihren sehr weit gegriffenen Stil aus größtenteils bekannten Elementen zusammengesetzt. Die wirklich ungewöhnlichen Dinge, wie zum Beispiel das Saxophon, hätten mehr betont werden dürfen. Von „Brand“ abhalten lassen sollten sich Fans dieser Art von Musik deshalb aber nicht.
Fazit
Kein perfektes, aber ein vielseitiges und zweifellos hörenswertes Album. Freunde der anspruchsvollen Rockmusik dürfen sich angesprochen fühlen.
Punkte: 7.5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de