Nach ihrem Ausstieg bei Negura Bunget gründeten Cristian Popescu (alias Sol Faur) und Edmond Karban (alias Hupogrammos) 2009 die Band Dordeduh. Auf dem Programm stand fortan stilübergreifender, teils geradezu experimentell anmutender Metal.
Unter anspruchsvollen Fans des Genres machten sich die Rumänen bald einen Namen. Ihr Album „Dar De Duh“ von 2012 fand auch international einige Beachtung. Das Problem: Danach kam nicht mehr viel. Konzerte schon, aber eben keine neue Musik.
Stolze neun Jahre nach „Dar De Duh“ stellen Dordeduh nun tatsächlich wieder ein neues Album vor. Es trägt den Titel „Har“ und erscheint am 14. Mai. Die Band zeigt sich darauf vielseitiger als je zuvor.
Dordeduhs Musik in Worte zu fassen ist nicht gerade einfach. Die Band fügt verschiedenste Elemente aus ihrem sehr breit gefächerten Klangbaukasten zu einem komplexen, sphärisch anmutenden Sound zusammen.
Ihr 61 Minuten langes Album „Har“ fußt auf einem Fundament irgendwo zwischen Metal, Black Metal und Rock. Darüber liegen dann Elemente aus Folklore, aber auch Elektronik und Ambient. Das Gesangsspektrum reicht von Klar- und Growlgesang über textlosen Vokalgesang bis hin zu gesprochenem Textvortrag.
Der ganze Bereich Elektronik und Ambient wurde stark ausgebaut und ist präsenter als es manchem Puristen unter den Fans vielleicht gefällt. Gegenüber den Folk-Einflüssen ist die Elektronik auf „Har“ zumindest gleichwertig, wenn nicht gar stärker gewichtet worden.
Die Texte des Albums sind durchgehend auf Rumänisch. Ich weiß also beim besten Willen nicht worum es geht. Daran ändert selbst ein Blick in den Pressetext nichts, denn da heißt es nur vage, dass Dordeduh die Zuhörer „mit ihrem tief im Unterbewusstsein vergrabenen kosmischen Erbe verbinden“ wollen.
Das liest sich ziemlich psychedelisch, interpretationsoffen und wenig greifbar – und genau so klingt „Har“ dann auch. Das Album hat viele Facetten, eine wechselhafte Atmosphäre und bildet verschiedenste Stimmungen ab. Verlässliche Strukturen, die einen wie ein roter Faden durch das Album geleiten, sind kaum vorhanden.
So sei auch gleich gesagt: Auf „Har“ ist nichts, aber auch wirklich gar nichts in Richtung Eingängigkeit getrimmt. Wer einfach ein melodisches, gut hörbares Metal-Album sucht, der könnte kaum falscher sein als hier. Melodien oder Refrains stehen zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund, stattdessen geht es um die Atmosphäre und das große Ganze.
Wer sich dessen bewusst ist und ohne falsche Erwartungen an das Album herangeht, der hat dann auch sehr viel zu entdecken. Den Anfang macht das lange „Timpul intailor“, das in seinen über zwölf Minuten Laufzeit schon sehr viele Facetten der Band zusammenfasst. Es gibt rockige Passagen und Klargesang, heftige Metal-Abschnitte mit Growls und Blastbeats. Genauso hält das Stück aber ruhige, fast minimalistische Passagen mit diffusem Ambient-Hintergrund bereit.
„In vielistea uitarii“ ist eher ruhig und arbeitet mit breiten Synthesizern, liefert dann aber völlig unvermittelt einen kalten, donnernden Schlussteil mit Growls und Blastbeats. „Descant“ erinnert mit seiner rockigen Aufmachung und ungewöhnlich warmen Klangfarben dagegen eher an Post- oder gar Fuzz-Rock. „Da neam vergur“ geht in Richtung Progressive Rock.
Weder mit Rock noch mit Metal auch nur das geringste am Hut hat das Zwischenstück „Calea magilor“. Der sphärische, knapp drei Minuten kurze Titel wirkt ein bisschen wie eine Neuauflage von Dordeduhs akustischem „Dojana“ – nur mit einer breiten elektronischen Auskleidung.
Interessant ist auch „Vraci de nord“. Es läuft ruhig ab, hat einen eher dunklen Klang und präsentiert in seinem Verlauf Flöte, Chöre und Synthesizer. Im Schlussteil verstummen dann die Metal-Instrumente vollständig. Was eben noch Begleitung war, übernimmt nun die Oberhand. Dem Hörer wirkt eine breite Klangwand aus Folklore, Klassik und Ambient entgegen. Es klingt so wie wenn nach einem Fantasy-Film der Abspann läuft.
All das zeigt auf, wie zahlreich und unterschiedlich die Klangelemente sind, die Dordeduh in ihrer Musik vereinen. Der Sound verändert sich dabei ständig, alles ist in der Schwebe und nichts berechenbar. Was hier stark im Vordergrund steht, wird dort nur noch angedeutet. Selbst das Fundament aus Metal und Rockmusik steht nicht in Stein gemeißelt und wird mitunter auch verlassen.
Diese Art von Musik spricht natürlich nicht jeden an. Klar ist auch, dass manche Design-Entscheidungen wie die starke Betonung der Elektronik Geschmackssache sind. Ganz sicher ist dabei jedoch, dass Dordeduh hier ein sehr atmosphärisches, in sich stimmiges Album mit einem enormen Wiedererkennungswert vorlegen.
Fazit
„Har“ richtet sich an ein anspruchsvolles Spartenpublikum – dessen sollte man sich wirklich bewusst sein.
Wer weiß, worauf er sich einlässt, erhält ein ebenso vielschichtiges und komplexes wie auch interessantes Stück Musik.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de