Ellende – Ellenbogengesellschaft

Ellende aus Österreich stehen für vielseitigen Black Metal, der auch Einflüsse jenseits der Genre-Grenzen in sich trägt. Eigentlich handelt es sich mehr um ein Projekt als eine echte Band, denn im Kern besteht Ellende nur aus Mastermind LG. Der macht so gut wie alles selbst, schart für Auftritte aber eine volle Besetzung aus Live-Musikern um sich.

Am 30. September erscheint Ellendes neues Album „Ellenbogengesellschaft“. Wie klingt wohl ein Werk, dessen Cover ein Wildschwein in Rüstung zeigt?

Mit einem Intro und sieben Liedern kommt „Ellenbogengesellschaft“ auf eine Gesamtspielzeit von 49 Minuten. Das Album ist zum größten Teil auf Deutsch, zu einem kleineren Teil auf Englisch gehalten. In den durchaus anspruchsvollen, meist recht offen gehaltenen Texten geht es um menschliche Gefühlswelten.

Das musikalische Fundament des Albums liegt im melodischen Midtempo Black Metal. Von diesem Fundament aus geht es dann in ziemlich unterschiedliche Richtungen. Mal werden Härte und Geschwindigkeit hochgefahren, mal finden dagegen Klavier, Streicher und Klargesang Platz.

„Ellenbogengesellschaft“ ist voll auf die Atmosphäre ausgerichtet und positioniert sich deutlich im anspruchsvollen Bereich des Genres. Die Headbang-Passage steht also genauso wenig im Vordergrund wie der schnelle Refrain. Das Songwriting liefert daher einen vielschichtigen, verschnörkelten Sound, aber eben keine Ohrwürmer.

Auch spieltechnisch bieten Ellende hier keinen Meilenstein. Halsbrecherische Soli oder dergleichen sollte man nicht erwarten. Aus den recht einfach gehaltenen Riff-Schemen holen Ellende atmosphärisch aber wirklich was raus. Verschiedene Gitarrenspuren liegen übereinander und schaffen ein volles, verflochtenes Klangbild.

Richtig gut gefällt das hohe Maß an Abwechslung. Die Songs sind keineswegs nach Schema F aufgebaut. Jedes Stück funktioniert ein wenig anders und hat irgendwo seine Eigenheit. „Unsterblich“ wechselt zum Beispiel vom Black Metal in einen ruhigen Instrumentalteil mit Klavier, später kommt dann auch noch Klargesang hinzu.

„Hand aufs Herz“ startet als das härteste Stück des Albums und wirkt erst wie relativ „normaler“ Black Metal von der Stange. Nichts deutet darauf hin, dass es wenig später zum gediegenen Post Rock wird, sogar noch eine Harfe dazunimmt und sich später wieder in den Black Metal hochsteigert.

Umgekehrt ist es bei „Someday“, das nur mit Klavier startet und erst nach und nach die anderen Instrumente dazunimmt. Erst in seinem Schlussteil wird man wieder daran erinnert, dass man hier ein Metal-Album hört.

Das Album ist also zweifellos sehr vielfältig und wird nie berechenbar. Auch atmosphärisch ist es wirklich gelungen und nimmt den Hörer mit auf eine Reise durch verschiedene Stimmungsbilder. „Ellenbogengesellschaft“ ist eines der Alben, die dazu einladen, die Gedanken schweifen zu lassen.

Manche Stücke sind dabei weniger stark als andere, dafür gibt es aber auch richtige Höhepunkte. Zu denen gehört für mich vor allem „Ruhelos“. Das packende Stück in wechselnder Geschwindigkeit hat J.J. von Harakiri For The Sky als Gastsänger mit an Bord. Es setzt daher zweistimmigen Scream ein. Gleichzeitig füllt Klargesang den Hintergrund, der später mehrstimmig in den Vordergrund tritt.

Das ist super gemacht und hat eine fast schon sakrale Atmosphäre, die mich angenehm an ältere Werke von Alcest erinnert. Solche Besonderheiten wie den mehrstimmigen Klargesang – gerade bei einem so wirkungsvollen Einsatz – dürfen Ellende gern öfter verwenden.

Fazit

„Ellenbogengesellschaft“ richtet sich an künstlerisch anspruchsvolle Black-Metal-Fans ohne falsche Erwartungen an Spieltechnik und Songwriting. Genau dieses Publikum erhält hier ein gelungenes, wirklich atmosphärisches Werk.

Punkte: 8 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de