Die norwegische Band Vemod spielt nicht ganz so harten Black Metal, der atmosphärisch gehalten ist und weit über den Tellerrand des Genres hinausragt. Im Bezug auf die Band ist auch oft von Blackgaze die Rede, also der Fusion von Shoegaze-Rock und Black Metal.
Das Trio ist schon seit dem Jahr 2000 aktiv. Mehr oder weniger aktiv zumindest. Immer wieder legt die Band auch längere Schaffenspausen ein, ihr letztes Album „Venter på stormene“ erschien 2012. Mehr als ein Jahrzehnt später präsentieren Vemod nun den Nachfolger „The Deepening“. Erscheinungsdatum ist diesen Freitag.
Ich bin Vemod ein einziges Mal begegnet, und zwar auf dem Prophecy Fest 2015. Damals brachen sie ziemlich mit den Erwartungen. Vemod waren die Black-Metal-Band zum Abschluss. Vor ihrer Show gab es stundenlang anspruchsvolle Kost: Empyrium, Tenhi mit einer grotesken Fülle an technischen Problemen, Dornenreich mit ihrem Akustikprogramm. Vemod waren danach praktisch als der harte Black-Metal-Rausschmeißer gesetzt – und begannen ihr Konzert dann mit 20 Minuten sanften Ambient-Klängen! Das ist hängen geblieben, muss man ihren wirklich lassen.
Auch auf ihrem neuen Album haben die sanften Klänge ihren Platz, denn auf „The Deepening“ geht es keineswegs um Black Metal pur. Das Album kommt mit Intro, einem kurzen A-Cappella-Zwischenstück und vier vollwertigen Liedern auf eine Gesamtspielzeit von 48 Minuten. Gesungen wird auf Englisch und Norwegisch – wenn nicht gerade eine der langen Instrumentalpassagen spielt.
Das Fundament von Vemod liegt klar im melodischen Black Metal. Ein schroffer Gitarrensound und tiefe Growls schaffen ein Klangbild in kalten Farben. Hinzu kommen dann Klargesang und eine gewisse Fülle, die sich durch die Hintergrundbegleitung ergibt. Die Hintergründe sind mal textloser Vokalgesang und mal eine Synthesizer-Spur. Wahrscheinlich zum Teil beides gleichzeitig.
Von diesem Black-Metal-Fundament aus gehen Vemod dann immer wieder in Rock und Ambient über. Manchmal so plötzlich als ob jemand den Stecker gezogen hat. „Der guder dor“ geht sieben Minuten lang als einfach strukturierter, aber doch treibender Melodic Black Metal voran. Dann folgt ein harter Schnitt und das Klangbild wechselt zu ruhiger Ambient-Elektronik. Von dort aus baut sich das Lied dann langsam wieder auf: Trommel und textloser Gesang setzen mit ein, nach einer Weile kommt die Gitarre hinzu. Schließlich geht das Stück dann über in einen stimmungsvollen Post-Rock-Sound.
Es kommt also vor, dass Vemod mitten im Stück einfach das Genre wechseln. Bei „Der guder dor“ ist es wirklich so, dass man ohne Blick auf das Abspielgerät glauben würde man sei schon im nächsten Lied. Doch auch „True North Beckons“ fängt im Black Metal an, geht in den Post Rock über und steigert sich nachher wieder in den Black Metal hoch. Das über 16 Minuten lange Titelstück „The Deepening“ setzt mit seinen Ambient-Anflügen gar richtige Ruhepausen.
„In i lysande natt“ hat keine derartigen Brüche, steht aber von Anfang an zwischen den Genres Rock und Metal. Das Stück gefällt mit einem griffigen Gitarrenschema und bleibt bis auf vorsichtigen Vokalgesang komplett instrumental.
Die vielen abrupten Wechsel, die Vemod auf ihrem Album vollziehen, könnten schiefgehen – gelingen aber durchaus. Ob das Trio jetzt in Post Rock oder Ambient wildert, die stimmungsvolle Atmosphäre hält all das zusammen. Auch wenn die Stilwechsel manchmal fast übergangslos erfolgen, wirken sie nie aufgesetzt.
„The Deepening“ kann atmosphärisch wirklich punkten – und das obwohl keine der Zutaten an sich spektakulär ist. Die Lieder sind vor allem in ihren Black-Metal-Teilen recht einfach aufgebaut. Stilistisch ist nichts, was hier geboten wird, wirklich neu. Auch von den Spielfertigkeiten her gibt es nicht das große Spektakel, also keine hervorstechenden Soli oder dergleichen.
Und doch ist das Ergebnis absolut hörenswert. Hier geht es nicht um höher, schneller, weiter. Aus ihren vergleichsweise einfachen Zutaten holen Vemod atmosphärisch richtig was raus. Auf Fans des Genres warten ein stimmungsvolles, kaltes Ambiete und ein gut hörbarer Sound, der einen mitnimmt und durch seine Stilwechsel auch nie berechenbar wird.
Fazit
„The Deepening“ ist das Paradebeispiel für ein Album, das deutlich mehr als die Summe seiner Teile ist. Für sich genommen ist kein Aspekt des Albums herausragend, weder stilistisch noch spielerisch. Als Ganzes ist „The Deepening“ dann aber ein wirklich stimmungsvolles, atmosphärisch dichtes und hörenswertes Werk.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de