Polar aus England waren mal eine ziemlich kernige Melodic-Hardcore-Band. 2019 überraschten sie dann mit ihrem Album „Nova“, das weicher, reifer, anspruchsvoller und deutlich komplexer ausfiel.
Vier Jahre später haben Polar mit „Everywhere, Everything“ nun den Nachfolger veröffentlicht. Welchen Weg geht die Band in 2023? Diese Rezension verrät es euch.
„Everywhere, Everything“ enthält zehn Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 39 Minuten. Die nachdenklichen, teilweise schon traurigen Texte fallen anspruchsvoll aus. In fast schon poetischer Weise geht es um den Menschen und seine emotionale Verfassung.
So viel also gleich vorweg: Auf „Everywhere, Everything“ haben Polar den anspruchsvollen Ansatz von „Nova“ beibehalten. Der raue Volldampf-Sound ihrer Frühphase ist endgültig Geschichte.
Das heißt aber nicht, dass die Briten nur noch butterweich unterwegs sind. Beim Opener „Winds Of Change“ könnte man das noch meinen. Hier gibt es samtweichen Klargesang vor einer elektronischen Soundkulisse, die streckenweise komplett auf Gitarren verzichtet. Das klingt sanft und sehr modern – und hat mit Hardcore nichts mehr zu tun.
Gleich im Anschluss wirft einem „Burn“ dann aber kraftvolle Blastbeats entgegen, die aus den härteren Metal-Genres entliehen sein könnten. Schon die ersten zwei Stücke fassen also die beiden Pole des Albums zusammen: Richtig soft bis richtig hart. Wobei die richtig harten Passagen aber deutlich weniger Raum einnehmen.
Wie gesagt: So ungeschliffen und brachial wie früher geht es bei Polar nicht mehr zu. Auch in der komplexeren, anspruchsvolleren Variante greift die Band aber immer wieder auf ihre harten Elemente zurück.
Auf „Everywhere, Everything“ mischen sie die beiden Extreme mehr als je zuvor. Ihr neues Album gerät damit sehr abwechslungsreich und deckt eine hohe musikalische Bandbreite ab. Zwischen den weichen und harten Passagen liegen sehr viele Schattierungen. Der Liedaufbau bleibt relativ komplex, ein Großteil des Albums spielt sich im Midtempo ab.
Dann gibt es aber auch Passagen, die fast schon wie eine Ballade wirken. Mehrstimmige Passagen kommen vor oder auch mal eine weibliche Gaststimme. Auch Klargesang spielt eine große Rolle. In „Baptism of Fire“ gibt es einen enormen Kontrast zwischen einem fast schon übertrieben weichen Klargesang und dem harten Scream von Polar-Frontmann Adam.
Berechenbar wird „Everywhere, Everything“ also nicht und das hohe Maß an Abwechslung ist ein großer Pluspunkt. Vom Songwriting her kann das neue Album aber nicht mit „Nova“ mithalten. „Nova“ war brillant, weil es komplexer und anspruchsvoller war als die vorherigen Scheiben – trotzdem aber richtig griffig.
Versteht mich nicht falsch: Auch „Everywhere, Everything“ ist melodisch gehalten und nicht unzugänglich. „Nova“ hatte mit „Cradle“ oder „Breathe“ aber gewaltige Hymnen im Gepäck. Dazu gibt es auf „Everywhere, Everything“ einfach kein Äquivalent.
Fazit
„Everywhere, Everything“ ist ein gut hörbares Album und zeigt Polar mit einer größeren stilistischen Bandbreite als jemals zuvor.
Vom Hit-Faktor her fällt es dann aber doch ein gutes Stück hinter „Nova“ zurück.
Punkte: 7.5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de