Unheilig – Grosse Freiheit Live (Doppel-DVD)

Es ist gang und gäbe im Musikgeschäft, dass jede Band, die etwas auf sich hält und es sich leisten kann, alle paar Jahre eine Live-DVD veröffentlicht. Einen besonders großen Eifer zeigt derzeit Der Graf mit seiner Band Unheilig. Vor drei Tagen erschien von Unheilig nicht einfach eine Live-DVD, sondern eine Live-Doppel-DVD.

Zwei Konzerte, über dreieinhalb Stunden Musik – mit dem DVD-Set der Superlative befasst sich die folgende Rezension.

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Beide Konzerte auf den DVDs von „Grosse Freiheit Live“ wurden im April 2010 auf der Grosse Freiheit Tour aufgenommen. Es handelt sich um die Auftritte am 1. April im Münchener Zenith und am 17. April im Kölner Palladium. Zwei Konzerte der gleichen Tournee bedeuten auch zwei Mal die gleiche Setlist.Unheilig haben in München und Köln also Lied für Lied die gleiche Show gespielt. Der Graf hat also zwei Mal das identische Konzert aufnehmen lassen und veröffentlicht das Ergebnis nun als „Grosse Freiheit Live“. Warum macht man das? Warum veröffentlicht man eine Live-Box mit zwei identischen
Konzerten? Macht das Sinn?

Es macht Sinn. In seiner Konsequenz und Extravaganz wirkt „Grosse Freiheit Live“ wie der Versuch, die schiere Größe, die Unheilig seit ihrem Platin-Album „Grosse Freiheit“ in jeder Beziehung anheftet, begreifbar zu machen. Man lasse sich auch noch einmal die Aufnahmedaten von „Grosse Freiheit Live“ auf der Zunge zergehen.

Das spätere der Konzerte – in Köln – Wurde am 17.4. aufgenommen. Am 11.6. ist schon die DVD erschienen. In weniger als zwei Monaten wurde die DVD gefilmt, geschnitten, produziert, bearbeitet und veröffentlicht. Bei anderen Bands dauert das mitunter über ein Jahr. Dies spricht wohl vor allem von jener Größe, die sich bei Unheilig in den vergangenen Monaten auch aus finanzieller Sicht ergeben haben mag.

Böse Zungen mögen behaupten, die DVDs wurden eilig zusammengeschustert, um mit einem neuen Produkt auf der immer noch aufbrandenden Erfolgswelle zu reiten. Sicher, an die Erfolge der jüngeren Vergangenheit anknüpfen zu wollen wird natürlich ein wesentlicher Grund für die schnelle Produktion der DVD gewesen sein.

Die Eile merkt man „Grosse Freiheit Live“ aber keinesfalls an. Das Werk zu keiner Zeit wie mit der heißen Nadel gestickt, das genaue Gegenteil ist der Fall. Beide DVDs sind durchweg als gelungen zu bezeichnen. Die beiden Konzertaufzeichnungen wurden von verschiedenen Firmen durchgeführt, was sich zumindest leicht auch im Stil der Endprodukte widerspiegelt. Die Münchener Konzertaufzeichnung räumt den Videoprojektionen auf der Bühnenleinwand einen etwas größeren Stellenwert ein, während Köln eher das Wesentliche zeigt.

Beide Aufzeichnungen haben gemeinsam, dass sie die Konzertatmosphäre von Unheilig sehr gut einfangen – und natürlich auch die stets aufs neue beeindruckende Größe. In München spielten Unheilig vor 5500 Menschen, in Köln werden es kaum weniger gewesen zu sein.

Das Konzert, das Graf und seine Band in beiden Hallen gaben, umfasst erwartungsgemäß vor allem Stücke des aktuellen Albums „Grosse Freiheit“. Dieses wird abgesehen von vier Liedern komplett gespielt. Damit und mit vier Liedern von „Puppenspiel“ (2008) ist die Setliste stark auf die jüngere Bandgeschichte fokussiert. Darüber hinaus sind zwei Stücke von „Moderne Zeiten“ (2006), eines von „Zelluloid“ (2004) und eines von „Das 2. Gebot“ (2003) zu hören.

Da die musikalische Qualität der Darbietung von Unheilig ohnehin außer Frage steht, möchte ich mich nun vor allem der Atmosphäre der DVDs widmen. Diese ist durchgehend großartig. Schon zu Anfang der Darbietung bebt die Menschenmenge geradezu als der Graf zum lauten Dröhnen eines Nebenhorns die Bühne betritt.

Das Konzert ist geprägt von bombastischen bis emotionalen Momenten, die auch und vor allem durch die Wechselwirkung zwischen dem Grafen und seinem Publikum hervorgerufen werden. Ob der Graf die Halle bei Balladen wie „An deiner Seite“ verstummen lässt, sie mit Stücken wie „Unter Feuer“ zur Ekstase bringt oder bei „Geboren um zu leben“ mit einem Kinderchor auf der Bühne steht – sein Publikum hängt ihm stets an den Lippen.

Der Graf zeigt sich auf „Grosse Freiheit Live“ als der geborene Entertainer, wirkt gleichzeitig aber stets menschlich und nahbar. In seinem Auftreten, seiner Mimik auf der Bühne schwingt auch stets die Rolle des Dankbaren mit, die Rolle des Musikers, der es genießt und noch gar nicht recht fassen kann, was in der vergangenen Zeit mit ihm passiert ist.

So passt auf „Grosse Freiheit Live“ einfach alles zusammen. Das Ergebnis ist eine wirklich gute Doppel-DVD, deren zweifaches Vorhandensein keine blasse Kopie ist, sondern als erneute Widerhabe mit unterschiedlichen Nuancen die gewonnen Eindrücke verstärkt.

Lasst uns nun hoffen, dass der Graf sich mit Unheilig weiter treu bleibt und auch auf seinem kommerziellen Zenith nicht ins Poppige abdriftet. Möge sich Unheilig der Beliebigkeit versagen und die hier gezeigte künstlerische Qualität trotz des Popstar-Status beibehalten.

Fazit

Unheilig in Bestform – Sehr gut.

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de