In Extremo – Sterneneisen

Drei Jahre ist es her, dass In Extremo, die gemeinhin als Erfinder des Mittelalter-Rock gelten, mit ihrem Album „Sängerkrieg“ auf einen weichgespülten, kommerziell höchst erfolgreichen Kurs einschwenkten und Scharen ihrer alten Fans verprellten.

Nun ist mit „Sterneneisen“ das Nachfolgeralbum von „Sängerkrieg“ erschienen. Was erwartet einen? Ein weiteres angepasstes Soft-Rock-Desaster? Eine glorreiche Rückkehr zu alten Tagen? Etwas ganz anderes? Diese Rezension gibt Aufschluss.

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Der 9. Mai 2008 ist mir persönlich als der unerreichte musikalische Tiefpunkt der letzten Jahre in Erinnerung.

An diesem Tag erschien mit „Sängerkrieg“ das neunte Album von In Extremo. In Extremo, die Erfinder des Mittelalter-Rock (sorry Tanzwut, sorry Subway to Sally), waren bis dahin immer die große Konstante, das unbestreitbare Flaggschiff des von ihnen begründeten Genres.

2008 brachten sie dann jedoch ein plattes, seichtes und glattgebügeltes Album heraus, das gleichzeitig ihren künstlerischen Tief- und kommerziellen Höhepunkt markieren sollte. Im Zuge dessen gewannen In Extremo zahlreiche neue Anhänger, ein Großteil der alten Fans – zu denen ich mich auch zähle – machten in der Folgezeit aber einen weiten, weiten Bogen um In Extremo.

So ist es wohl einleuchtend, dass ich mit sehr gemischten Gefühlen an das neue Album „Sterneneisen“ herangegangen bin. Gemischte Gefühle sind es dann auch, die das Hören von „Sterneneisen“ bei mir hinterlässt.

Die schlechte Nachricht: Auch auf „Sterneneisen“ bleiben In Extremo bei einem sehr rockigen und nicht allzu harten Stil, eine Rückkehr zu den glanzvollen, noch von gröberem Rock beziehungsweise Metal beeinflussten Tagen bleibt aus.

Die gute Nachricht: Im Vergleich zum grottigen „Sängerkrieg“ geht es auf „Sterneneisen“ zumindest wieder etwas härter und flinker zu. Auf „Sterneneisen“ stehen die Zeichen weiter auf Rock, doch hier bringt dieser wieder Leben und Seele mit, so glattgebügelt wie 2008 ist die Neuauflage glücklicherweise nicht.

So sind Titel wie „Zigeunerskat“, „Gold“ oder „Viva La Vida“ würzige, durchaus stimmungsvolle Rock-Nummern geworden, die den „Sängerkrieg“ bei Weitem in den Schatten stellen. Es geht in den Stücken gut voran, die Melodien sind eingängig, die Refrains reißen mit – hier machen In Extremo wieder Freude.

Die Hoffnungen der alten Fans muss ich aber dahingehend dämpfen, dass trotz der im Vergleich zum letzten Album großen Steigerung auch „Sterneneisen“ nur bedingt mit den früheren Werken von In Extremo zu vergleichen ist. Die Zeiten, in denen „Nymphenzeit“ und „Liam“ es noch richtig krachen ließen, in denen „Raue See“ oder der „Spielmannsfluch“ zu den Hymnen einer ganzen Musikkultur wurden, in denen „Omnia Sol Temperat“ und die „Pavane“ einem eine ganze Wand an Dudelsäcken entgegenschlugen, sind nun mal vorbei.

Dass In Extremo heutzutage bewusst einen anderen Weg gehen als früher, sieht man auch an den Texten. Auf „Sterneneisen“ werden fast alle Lieder auf Deutsch gesungen, allein „Zauberspruch No. VII“ basiert auf einem historischen estnischen Text und erinnert damit an die früheren Jahre von In Extremo. In diesen war nämlich ein jedes Album der Band ein Meer an Sprachen, in dem historische Texte aus aller Herren Länder oder Schriften von Walther von der Vogelweide, Francois Villon oder Ludwig Uhland vertont wurden.

Dieses Niveau erreichen In Extremo heute nicht mehr, aber immerhin sind die Kinderreime von „Sängerkrieg“ Geschichte.

Ohnehin will ich die große Steigerung im Vergleich zu „Sängerkrieg“ nicht kleinreden. In Extremo machen wieder mehr aus sich als noch vor drei Jahren. Auch als alter Fan, der von den goldenen Tagen der Vergangenheit schwärmt, muss man anerkennen, dass „Sterneneisen“ doch ziemlich ordentlich rockt. In Titeln wie „Stalker“ nehmen In Extremo wieder deutlich an Fahrt auf und machen gut Stimmung, Lieder wie „Gold“ oder „Zigeunerskat“ haben bombige Refrains mit an Bord und Rock-Balladen wie „Siehst du das Licht“ kommen mit einer guten Atmosphäre daher.

Manchmal aber greifen In Extremo auch so richtig daneben. Der Tiefpunkt des Albums hört auf den Namen „Hol die Sterne“ und ist ein Duett zwischen In Extremos Rock-Röhre Michael Rhein und dem Unheilig-Sänger Graf. Was sich mit diesem Lied darbietet, ist eine von allen Seiten betrachtet einfach nur grottige Pop-Ballade, die besser wirkt als jedes Brechmittel. So eine Schnulz-Scheiße hätte es bei In Extremo früher nicht gegeben. Ein Lied wie dieses passt besser zu Silbereisen als zu „Sterneneisen“.

Nichts desto trotz gilt aber: Nachdem In Extremo 2008 ihren Stil geändert haben (wovon mal halten kann was man mag), hat die Band ihren neues Konzept mit „Sterneneisen“ arg verbessert und gut hörbar gemacht.

Fazit

„Sterneneisen“ ist ein ordentliches Mittelalter-Rock-Album mit manch stimmungsvollem Stück geworden.

In Extremo machen mit ihrem neuen Werk einen guten Sprung nach vorne, vielleicht greift sogar manch alter Fan wieder zu. Die Hochphase der Band (ca. 1999 – 2007) bleibt aber auch dieses Mal bei Weitem unerreicht.

Punkte: 7 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de