Corvus Corax – Sverker

Corvus Corax ist eine Band, die auf eine wahrlich wechselhafte Geschichte zurückblicken kann. Gerade die letzten Jahre waren für die altgediente Mittelaltergruppe ziemlich turbulent. Der alles überstrahlende Aspekt ihrer jüngeren Vergangenheit ist natürlich, dass Corvus Corax mit Cantus Buranus nicht weniger als das Referenzprojekt der neuzeitlichen Mittelaltermusik aus der Traufe hoben.

Im Zuge dessen erfüllten sich die Spielmänner dann auch ihren Traum von China. Doch nicht alles lief so harmonisch. So hat die Gruppe in den letzten Jahren auch einige Bandmitglieder verloren – und sich 2010 schließlich komplett von ihrem Alter Ego Tanzwut losgesagt.

Nach bandinternen Umbauten und ihren Orchester-Platten bringen Corvus Corax nun mit “Sverker” wieder ein reguläres Spielmannsalbum heraus. Alles beim Alten also? Nein, denn “Sverker” geht neue Wege!

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In den bald 23 Jahren ihres Bestehens haben Corvus Corax jede Menge Veröffentlichungen hervorgebracht und sich dabei meistens dem mittelalterlichen Liedgut Zentraleuropas gewidmet. Dieses Mal haben sich die Spielleute allerdings Wikinger, Kelten und die mittelalterlichen Kulturen Nordeuropas zur Vorlage genommen.

Vertont wurde auf dem gut 50 Minuten langen Album also wieder einmal allerlei Historisches, durchaus auch in verschiedenen Sprachen. Das allein wird keinen Fan von Corvus Corax überraschen können, doch die Veränderungen auf “Sverker” sind nicht nur kulturhistorischer, sondern mitunter auch klanglicher Natur.

So klingt ganz “Sverker” ein Stück keltischer, bisweilen auch gälischer als frühere Alben von Corvus Corax. Das ist nicht nur den verschiedenen Sprachen geschuldet, sondern auch einigen thematisch stimmigen Instrumenten. Beispielsweise kommt im altirischen “Lá í mBealtaine” auch die passende Harfe zum Einsatz.

Solche klanglichen Einflüsse wirken erfrischend, andere Eigenheiten von “Sverker” dürften allerdings nicht nur auf Zustimmung stoßen. Damit meine ich die äußerst geruhsame, (zu) stark auf sehr ruhige Klänge fixierte Gesamtaufmachung des Albums. Auf “Sverker” sind nämlich hauptsächlich balladenhafte, geradezu gemächliche Stücke vertreten, die mehr zum Träumen als zum Tanzen einladen.

Gemessen an ihrer Vergangenheit ist das für Corvus Corax ziemlich unüblich. Bei ruhiger Mittelaltermusik dachte man früher nämlich eher an Gruppen wie Faun – während Corvus Corax mit viel Vortrieb und einer Mauer aus Dudelsäcken das Publikum an die Wand spielten.

Sicher, die “Kolkraben” hatten schon immer auch ruhige Lieder im Programm. “Sverker” allerdings besteht fast nur aus solchen. Allein “The Drinking Loving Dancers” steigert sich noch zum schwungvollen Tanzlied hoch, darüber hinaus kann man von “Sverker” aber fast schon als Balladenalbum sprechen.

Bei allem kulturellen Anspruch, den das Album durchaus erfüllt, bei all den hohen Spielfertigkeiten und bei all den verschiedenen Ursprüngen der Lieder darf man die durchgehend ruhige Inszenierung durchaus schade finden. Früher lieferten Corvus Corax nämlich noch wahre Trommelfeuerwerke ab und standen für viel schnellere, gewagtere Dudelsackmelodien, die zu nicht geringen Teilen auch ihren Ruf als Könige der Spielleute begründeten.

Auf “Sverker” fehlen eben solche Momente. Dessen sollte man sich vor dem Kauf des Albums definitiv bewusst sein, denn sonst erlebt man eine Enttäuschung. Wenn man mit der ruhigen Aufmachung aber leben kann, dann läd einen “Sverker” zum Erkunden mystischer Klangwelten ein, die abermals einigen Tiefgang zu bieten haben. Auch in einer ruhigeren Version stehen Corvus Corax nämlich nach wie vor für hochwertige Mittelaltermusik – und das seit über zwei Jahrzehnten.

Fazit

“Sverker” hat nicht ganz die Intensität, mithin nicht ganz den Schwung der früheren Alben, weil es den Fokus stark auf sehr ruhige Lieder legt. Damit mag es nicht unbedingt das sein, was man eigentlich erwartet hat.

Darüber hinaus ist es aber ein facettenreiches, ganz sicher hörenswertes Liedwerk, mit dem sich Corvus Corax ihren Fans mal von einer anderen Seite zeigen.

Punkte: 7.5 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de