Unheilig – Lichter der Stadt

Zwei Jahre ist es her, dass Unheilig mit ihrem Album „Große Freiheit“ auf Platz 1 der Charts landeten und ihr Frontmann Graf über Nacht zum Popstar wurde. Diesen Erfolg und seine Intensität kann man für eine der so genannten Schwarzen Szene entstammenden Band getrost als beispiellos bezeichnen.

Doch all das hatte auch Schattenseiten. Vielen alten Fans stieß sauer auf, dass sich Unheilig in der Folgezeit zur Wahrung ihrer neu erlangten Popularität für nichts zu schade zu sein schienen. So nahm der Graf auf seiner Promotion-Tournee sämtliche Niederungen des Privatfernsehens mit und pflegte zunehmend ein Image jenseits der früher gekannten Pfade.

Bei alledem musste man aber sagen: „Große Freiheit“ war ein wirklich gutes Album. Mit Blick auf den jüngst erschienenen Nachfolger „Lichter der Stadt“ befürchten Kritiker nun aber die endgültige Trivialisierung der Band. Behalten sie Recht?

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Rückblickend musste der Graf sich nach „Große Freiheit“ – beziehungsweise nach seinem damit verbundenen Auftreten in der Öffentlichkeit – einiges gefallen lassen. Da kehrten viele alte Fans Unheilig den Rücken, bald war auch vom „Kommerzgraf“ die Rede. Fans der Letzten Instanz bewarben deren aktuelles Album „Heilig“ inoffiziell gar mit dem Slogan „Besser Heilig als Unheilig“.

Das alles war auf den erkennbaren Trend zurückzuführen, dass sich Unheilig im Zuge der „Großen Freiheit“ einem breiteren Publikum hin öffnen wollten – was durchaus auch funktioniert hat. Neben den erwähnten, oft kritisierten TV-Auftritten wie zum Beispiel dem bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ nahmen Unheilig auch am Bundesvision Song Contest Teil. Fortan blieben auch des Grafen weiße Kontaktlinsen brav in der Schublade – man will ja niemanden ängstigen.

Dass sich sämtliche Single-Auskopplungen in der Zeit danach auf die weichesten Stücke der Band beschränkten, verwunderte da niemanden mehr. Alte Fans der Band blickten daher mit gemischten Gefühlen auf die Erscheinung von „Lichter der Stadt“. Ihre Befürchtung: „Lichter der Stadt“ wird ein völlig weichgespültes, sich dem Massengeschmack anbiederndes Album, der Graf zum Schlagersänger im schwarzen Anzug.

Ganz so extrem ist das Ergebnis nicht geworden, von der Tendenz her sind diese Befürchtungen aber nicht von der Hand zu weisen. So muss man zunächst feststellen, dass das gut eine Stunde lange „Lichter der Stadt“ den Fokus deutlich auf Balladen legt. Ob in „So wie du warst“, „Unsterblich“, „Ein guter Weg“ oder „Ein großes Leben“ – Unheilig bestreiten einen Großteil ihrer neuen CD mit Streichern, Klavier und Gesang in Schmuse-Tonlage.

Auch die düstere Note des früheren Unheilig-Sounds ist zum größten Teil verschwunden. So enttäuscht zum Beispiel das Titelstück „Lichter der Stadt“ als heiterer Pop-Schlager. Auch die Pop-Ballade „Zeitreise“ (mit Xavier Naidoo) stellt alte Unheilig-Fans vor manche geschmackliche Herausforderung. Das zweite Gastspiel des Albums, „Wie wir waren“ (mit Andreas Bourani) bleibt auch nicht hängen und eignet sich noch am ehesten als Kaufhausbeschallung.

Dabei – und das muss man Unheilig lassen – kann die Band es noch wenn sie will. Wirklich gelungen ist zum Beispiel das Intro-Stück „Das Licht“, das mit einer epischen Note für Gänsehaut sagt. Auch „Herzwerk“ ist gut und erinnert als stimmungsvolles Rock-Stück an die früheren Alben von Unheilig. „Feuerland“ ist ebenfalls auch für die alten Fans von Unheilig geeignet.

Das Problem ist nur, dass eben solche Stücke früher die Regel waren und heute die Ausnahme aus einem Wust von Pop und Balladen bilden. Auch die Balladen und die popig wirkenden Stücke sind zwar nicht per se schlecht, man merkt aber einfach, dass der Graf mit seinem neuen, weicheren Stil hinter seinen künstlerischen Möglichkeiten zurückbleibt.Nach wie vor sind alle Stücke zwar gut eingespielt, sehr hochwertig produziert und durchaus auch klanglich abwechslungsreich. Das Niveau früherer Jahre erreichen Unheilig mit „Lichter der Stadt“ aber nicht. Wenngleich das Album kein Totalausfall ist, werden die Fans aus der Frühphase der Band diesem Werk also wenig abgewinnen können.

In einer Zeit, in der das Logo von RTL die Tourflyer von Unheilig ziert und die Konzerte des Grafen als „das Familien Open Air für die ganze Familie“ beworben werden, scheint nicht mehr viel übrig zu sein von den NDH- und Gothic-Rockern, die früher als Unheilig über die Festivalplätze zogen.

Fazit

„Lichter der Stadt“ hinterlässt einen sehr zwiespältigen Eindruck.

Fans der Band, die Unheilig erst in den letzten zwei Jahren kennen gelernt haben, können durchaus Gefallen an dem Album finden. Wer Unheilig aber aus früheren Jahren kennt, für den gibt es auf „Lichter der Stadt“ wenig Lohnendes.

Empfehlen könnte man das Album nur noch ausgesprochenen Balladen-Fans – oder den Freunden von niveauvollem, deutschem Schlager.

Punkte: 6 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de