Um das Musikprojekt Empyrium, irgendwo zwischen Klassik, Metal und melancholischer Weltmusik angesiedelt, war es lange still. Nach dem Album „Weiland“ von 2002 hörte man über Jahre wenig von der Band, die aus Thomas Helm und Markus Stock (bekannt als Ulf Theodor Schwadorf von The Vision Bleak) besteht.
Die Motivation zur Reaktivierung von Empyrium kam dann durch einen Sampler-Beitrag im Jahre 2010. 2011 – über 15 Jahre nach der Bandgründung – trat die Band dann auch zum ersten Mal live auf. Vor kurzem ist mit „The Turn Of The Tides“ nun – zwölf Jahre nach „Weiland“ – das fünfte Album von Empyrium erschienen. Näheres dazu erfahrt ihr in dieser Rezension.
Bei ihren bisher raren Live-Auftritten als Empyrium scharen Thomas Helm und Markus Stock ein ganzes Ensemble um sich. Dessen Mitglieder spielen dann Geige, Cello, Schlagzeug, Bass und zwei zusätzliche Gitarren. Live übernehmen die beiden Empyrium-Köpfe dann Gitarre und Gesang (Stock) beziehungsweise Piano und Gesang (Helm).
Das sieben Tracks und gut 43 Minuten Laufzeit umfassende „The Turn Of The Tides“ wurde jedoch trotz der vielen Klangspuren von Helm und Stock im Alleingang aufgenommen. Die Aufnahmen fanden zwischen Frühjahr 2010 und Sommer 2012 statt – so ist zumindest die Information, die ich beim Prelistening in Berlin im November 2013 erhalten habe.
Zwischen dem Abschluss der Aufnahmen und der jetzigen Veröffentlichung vergingen also noch einmal rund zwei Jahre. Im Angesicht des im fernen Jahr 2002 erschienenen Vorgängeralbums scheint es darauf nun auch nicht mehr angekommen zu sein. Trotz der nun zwölf Jahre zwischen „Weiland“ und „The Turn Of The Tides“ ist die Musik von Empyrium klar als Empyrium erkennbar geblieben – auch wenn die Liedsprache jetzt durchgehend Englisch ist.
Das heißt auch, dass man eine genaue stilistische Einordnung eigentlich kaum vornehmen kann. Mit Streichinstrumenten, Klavier und der klassischen Gesangsstimme von Thomas Helm besteht eine klare Verbindung zur klassischen Musik, mit schneidenden E-Gitarren und den selten gewordenen, rauen Gesangseinlagen von Markus Stock wird aber auch ein Bogen zum Metal gespannt.
Zwischen diesen beiden Punkten, zwischen Klassik und Metal gibt es auf „The Turn Of The Tides“ dann allerhand Schattierungen und Abstufungen zu entdecken. Das Klangbild des Albums ist insgesamt ruhig, ästhetisch und meist etwas melancholisch. Diesem Sound liegt ein loses Konzept zugrunde, das man am ehesten als Naturmystik beschreiben kann. So sollen die ersten vier Lieder die vier Jahreszeiten und ihre Wirkung auf den Menschen darstellen.
Die Umsetzung ist wie von Empyrium gewohnt sehr komplex und vielschichtig geraten. So decken die verschiedenen Lieder teils auch sehr unterschiedliche Stimmungsbilder ab. Trotzdem wirkt das Album immer als ein großes Ganzes, wobei sich einige Elemente quasi als roter Faden hervortun: Neben der prominenten Stellung von Klavier und Gitarren sowie der bedächtigen Spielgeschwindigkeit ist das Album vor allem durch den operettenhaften Klargesang von Thomas Helm geprägt. Dieser zeichnet sich für den Großteil der Gesangsarbeit verantwortlich, während Markus Stock mit seinem rauen Klargesang recht selten zu hören ist – und mit seinem Growl-Gesang so gut wie gar nicht.
Manche Stücke lassen bestimmte, wiederkehrende Muster erkennen. So fangen mehrere Lieder sehr ruhig an, die E-Gitarren und teilweise auch das Schlagzeug kommen dann erst spät hinzu. Die Härte, die im späteren Verlauf eines Stücks hinzukommt, wirkt dann wie ein Trotz auf die Melancholie der ruhigeren Passagen. Trotz dieser gewissen Grundschemen malen die Lieder auf „The Turn Of The Tides“ mitunter völlig unterschiedliche Stimmungsbilder auf und sind sehr vielseitig gestaltet.
So ist „Saviour“ feierlich, erbaulich, positiv und fast sakral, „Dead Winter Ways“ viel trauriger und „In The Gutter Of This Spring“ mit seinen schweren Streichern direkt melancholisch. In „The Days Before The Fall“ kehrt dann mit einer Orgel das sakrale Elemente zurück und im Titelstück „The Turn Of The Tides“ hört man gesprochene Passagen und am Ende nur noch Meeresrauschen.
Empyrium nehmen den Hörer also mit auf eine abwechslungsreiche Reise durch verschiedenste Stimmungsbilder. Bilder kann man dabei beinahe wörtlich nehmen, denn „The Turn Of The Tides“ erzeugt tatsächlich Bilder im Kopf. Die Atmosphäre des Albums ist durchgehend dicht, die gesamte Inszenierung spielt weit in der obersten Liga. Die Umsetzung von „The Turn Of The Tides“ ist also zu jeder Zeit gelungen und bringt mehr als nur ein Mal richtig große Momente mit sich.
Zu nennen ist hier zum Beispiel „Dead Winter Ways“. Das schwermütige, zunächst rein klassische Stück schwenkt in seinem Verlauf über in kalte E-Gitarren-Riffs, Growl-Gesang und schweres Schlagzeug und findet sein Ende in einer sehr schönen Repititive.
Eine besondere Wendung nimmt auch „In The Gutter Of This Spring“. Das knapp sieben Minuten lange Stück läuft über vier Minuten lang komplett klassisch und akustisch ab. Mit einem Mal, als ob der Wolkenhimmel aufreißt, weichen die vorsichtigen Noten der Akustikgitarre dann E-Gitarre und Schlagzeug und das Stück ergießt sich in einen knapp dreiminütigen, herausragenden Instrumentalteil.
Erwähnen möchte ich auch noch „The Days Before The Fall“, das mit Kirchenorgel und Markus Stocks rauem Klargesang hervorsticht. Erst später setzt auch Helm mit ein und beide Musiker singen im Duett.
Gibt es bei all dieser Gänsehaut, bei all den Bildern die „The Turn Of The Tides“ erzeugt eigentlich gar nichts zu meckern? Doch, gibt es. Der Growl-Gesang kommt zu kurz. „Dead Winter Ways“ ist auf dem Album das einzige Lied mit Growl-Gesang. Man fragt sich warum, denn die Growls bilden einen schönen Kontrast zu der insgesamt ja recht ruhigen Musik von Empyrium. Immer hatten Empyrium die Growls sehr gut in Szene gesetzt und stimmungsvoll in das Klangbild integriert.
Man denke nur mal ein „Mourners“. Das Growl-Stück ist eines der von den Fans bis heute am meisten geschätzten Empyrium-Lieder. So hätte man sich auch auf „The Turn Of The Tides“ durchaus etwas mehr Growl-Gesang vorstellen können. Das aber, und da möchte ich gar keinen Zweifel lassen, ist Kritik…
Fazit
… auf sehr, sehr hohem Niveau.
Punkte: 9 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
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