Samsas Traum – Poesie: Friedrichs Geschichte

Gothic Rock, Dark Metal oder auch mal ein akustisches Album – Die Stilrichtung von Samsas Traum ändert sich zuweilen mit jeder neuen Veröffentlichung. Schon immer war die Band, die aus Alexander Kaschte und häufig wechselnden Mitmusikern besteht, unberechenbar.

Ihr neues Album „Poesie: Friedrichs Geschichte“ macht dabei keine Ausnahme. Mit der CD, die am 2. Oktober erscheint, schlägt die Band abermals einen neuen Weg ein. Inhaltlich geht es dabei ernst zu, denn „Poesie“ ist ein Konzeptalbum über einen verhaltensauffälligen Jungen, der in der Zeit des Nationalsozialismus der NS-Tötungsmaschinerie zum Opfer fällt.

Diese Rezension beschäftigt sich näher mit dem Album.

samsas traum - poesie

Friedrich erfüllt weder schulisch noch körperlich ganz das Soll. Stattdessen fällt der Junge durch eine lebhafte Phantasie auf und schreibt Gedichte. Als behindert deklariert gerät er in die Fänge des „Euthanasie“-Programms und wird schließlich in der NS-Tötungsanstalt Hadamar ermordet.

Genau das ist die Hintergrundgeschichte von „Poesie“. Das 55 Minuten lange Album fällt damit sowohl deutliche ernster als auch konkreter aus als frühere Samsas-Traum-Alben, die offener ausgelegt waren und mehr Raum für Interpretation ließen.

Der andere, vielleicht gewachsene Stellenwert der Texte lässt sich auch am Klangbild ablesen. So ist die Produktion des gesamten Albums auf den Gesang ausgelegt, die Instrumente nehmen sich dagegen oft auffallend zurück. Der Begriff Gesang trifft es dabei noch nicht mal immer, denn oft nimmt Alexander Kaschte eher die Position eines Erzählers ein. Sein Gesang wird dabei zum gesprochenen Textvortrag.

Die Aufmachung der Lieder ist dabei defensiv. Am ehesten kann man den Stil von „Poesie“ als ruhigen Dark Rock beschreiben, an Samsas Traum als richtig schwungvolle Rock- oder gar Metal-Band erinnert hier nichts mehr.

Jetzt die Überraschung: Kaschte setzt auf „Poesie“ häufig Sprechgesang ein. Ich lasse offen ob man direkt Rap dazu sagen sollte, zumindest in Richtung Falco geht das Gehörte aber durchaus. Dazu passt, dass sich die Gitarren stark im Hintergrund aufhalten und die „rappigen“ Abschnitte vorwiegend mit Schlagzeug, Elektronik und etwas Klavier begleitet werden.

Wenn nicht gerade Sprechgesang erklingt, geht das Klangbild in vorsichtigen Rock über, der wahlweise von diffusen Synthesizer-Klängen oder orchestralem Bombast unterlegt wird. Auch das Klavier tritt immer wieder hinzu. Die Klangfarben bleiben dabei durchgehend traurig, die Spielgeschwindigkeit in einem langsamen, allenfalls mittleren Tempo.

Ein Konzeptalbum über NS-Verbrechen, ein gedämpft-ruhiges Klangbild, Sprechgesang: Was ist nun das Ergebnis dieser selbst für die Verhältnisse von Samsas Traum recht ungewöhnlichen Zutaten? Zumindest vom Ambiente her ist das Album vollauf gelungen. So hat „Poesie“ eine dichte, bedrückende Atmosphäre, die durchgehend aufrecht erhalten wird.

Von der Komposition her gab es von Samsas Traum hingegen schon bessere Alben. Natürlich setzt „Poesie“ als ernstes Konzeptalbum andere Schwerpunkte als ein herkömmliches Werk, Ohrwürmer am laufenden Band dürfte also niemand erwartet haben. Etwas mehr Eingängigkeit hätte es aber schon sein dürfen.

Sämtliche Lieder sind – Sprechgesang hin oder her – relativ gleich intoniert, haben eine relativ gleiche Spielgeschwindigkeit und bieten selten griffige Melodien oder Refrains. Wenn man an alte Samsas-Traum-Lieder wie „Ein Foetus Wie Du“, „Sisyphos“ oder „Endstation Eden“ zurückdenkt, ist die Fallhöhe doch recht hoch. Man sollte sich daher im Klaren darüber sein, dass „Poesie“ eine völlig andere Art von Album ist.

Fazit

Als atmosphärisch dichtes Gesamtkunstwerk ist „Poesie: Friedrichs Geschichte“ in jedem Fall hörenswert. Das Songwriting fällt dagegen weniger mitreißend aus als auf früheren Alben von Samsas Traum.

Interessenten sollten sich im Vorfeld bewusst machen, dass „Poesie“ kaum noch etwas mit den Samsas Traum von vor zehn Jahren gemein hat.

Punkte: 7 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de