Fjort – Couleur

Fjørt sind die derzeit wohl angesagteste Post-Rock-Band im gesamten deutschsprachigen Raum. Neben einer aufwändigen Promotion mit zahlreichen Musikvideos liegt das vor allem an einer beeindruckenden Live-Präsenz und einem sehr eigenen Sound.

Nach „Kontakt“ vom Frühjahr 2016 legt das Trio nun sein drittes Studioalbum vor. Es trägt den Titel „Couleur“ und ist ab dem 17. November erhältlich. Wie sich die Aachener dieses Mal schlagen erfahrt ihr in dieser Rezension.

„Couleur“ enthält elf Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 42 Minuten. Gesungen wird wie gewohnt durchgehend auf Deutsch. Vom Stil her sind sich Fjørt auf ihrem neuen Album absolut treu geblieben, Fans der Band finden sich also gleich zurecht.

Der typische „Fjørt-Sound“ geht so: Ein volles Klangbild, sehr kalte Klangfarben, melodischer, aber doch auch ungeschliffener Post Rock mit Ecken und Kanten. Sehr charakteristisch ist dabei der Gesang, der irgendwie herausgeschrien wirkt, aber auch kein „echter“ Gutturalgesang ist, wie ihn zum Beispiel Metalcore-Bands verwenden.

Gesungen wird übrigens sowohl vom Gitarristen Chris als auch dem Bassisten David. Nur vom Album her merkt man das nicht unbedingt, beide haben eine sehr ähnliche Stimmfarbe. Die Texte sind dabei sehr offen gehalten, lassen also Raum zur Interpretation. Manchmal fragt man sich: Worum geht es hier eigentlich? Aber das gehört zum Konzept.

Die meisten Lieder drehen sich um zwischenmenschliche Dinge, wobei Fjørt eine relativ nachdenkliche Position einnehmen. Zum kalten Klangbild würde es auch kaum passen, wenn Fjørt die Welt in bunten Farben malen würden. Wirklich fröhlich war ihre Musik noch nie und das muss sie auch gar nicht sein. Selbst ein Stück wie „Windschief“, das auf den ersten Blick wie ein Liebeslied wirkt, hat dann doch noch einen ganz anderen Hintergrund.

Aus dem Ungefähren heraus treten Fjørt in jenen Liedern, die eine politische oder gesellschaftliche Aussage haben. Wie schon auf „Kontakt“ schneiden Fjørt auch auf „Couleur“ wieder politische Themen an. Im Titelstück „Couleur“ geht es beispielsweise um Meinungsfreiheit.

Am deutlichsten ist aber „Raison“, das einen Rechtsruck der Gesellschaft beschreibt und die Rückkehr des Nationalismus befürchtet. Mit „1933 Gründe(n) schwarz zu sehen“ stellt das Lied explizit eine Analogie der Gegenwart zum Beginn des historischen Nationalsozialismus her (1933 war das Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten).

Man muss die Einschätzung von Fjørt zur Dramatik der Lage und zur Vergleichbarkeit der Gegenwart mit der Anfangszeit der Nazi-Diktatur nicht teilen. Fjørt sehen die Entwicklungen der Gegenwart aber nun einmal sehr kritisch und machen ihre Haltung ohne jeden Zweifel deutlich. „Raison“ ist auf „Couleur“ das, was „Paroli“ auf dem „Kontakt“-Album war. Wer mehr zur Motivation von Fjørt erfahren will, mittlerweile auch politische Lieder zu machen, dem sei mein Interview mit der Band vom März 2016 empfohlen.

So auffällig und deutlich diese Stücke auf „Couleur“ sind, die meisten der Lieder befassen sich aber nach wie vor mit der menschlichen Gefühlswelt. Interessant ist zum Beispiel auch der Text von „Karat“, der wie auch „Windschief“ einen doppelten Boden hat. „Südwärts, südwärts, es geht immer südwärts“ hört sich vordergründig ja nicht schlecht an, für die Band beschreibt der Song aber einen Flugzeugabsturz.

Doch genug von den Texten, wie haben Fjørt all das nun umgesetzt? Zunächst einmal ziemlich geradlinig. Die Band setzt strikt auf den Gesang und ihre drei Instrumente (Gitarre, Bass und Schlagzeug), viel Schmuck drumherum gibt es nicht. Wenn in „Eden“ eine elektronische Hook im Hintergrund liegt, ist das schon eine von ganz wenigen Ausnahmen.

Obwohl Fjørt also sehr dicht an ihrem klanglichen Konzept bleiben, erfolgt die Ausgestaltung sehr abwechslungsreich. Mal geht es nachdenklich und im Downtempo voran, mal hart und mit viel Vortrieb, mal rockig und mal fast schon verträumt. Spielerisch und auch vom Songwriting her zeigen sich Fjørt dabei gewohnt gut.

Mit Liedern wie dem schon erwähnten „Windschief“ sind auch sehr eingängige Stücke dabei, die echtes Hit-Potenzial haben. Ob sie aber an populäre Stücke wie „Demontage“ oder „Valhalla“ herankommen? Das muss jeder Fan für sich selbst entscheiden, die Messlatte liegt ziemlich hoch.

Fazit

Ein gutes, im typischen Stil von Fjørt gehaltenes Album, auf dem es viel zu entdecken gibt. Die Erfolgsgeschichte des Trios ist ganz sicher noch nicht zu Ende.

Punkte: 8 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de