Russkaja – No One Is Illegal

Eine gute Portion Rock, ein bisschen Ska, eine Ladung Ostblock-Klischees – und fertig ist der bunte Crossover-Sound von Russkaja. Die Gruppe aus Wien hat gestern ihr neues Album „No One Is Illegal“ vorgestellt.

Wie es geworden ist erfahrt ihr in dieser Rezension.

„No One Is Illegal“ enthält zwölf Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 45 Minuten. Eines der Lieder kennt man schon, es handelt sich nämlich um eine neue Version von „Un Pueblo Unido“. In seiner ursprünglichen Variante war es auf „Peace, Love & Russian Roll“ von 2015 vertreten.

Der Titel des neuen Russkaja-Albums lässt erst einmal aufhorchen. „No One Is Illegal“ ist schließlich eine bekannte Parole von Einwanderungsbefürwortern. Haben Russkaja hier etwa ein gänzlich politisches Album zum beherrschenden Thema der vergangenen Jahre gemacht? Nein, haben sie nicht.

Das Titelstück „No One Is Illegal“ hat zwar eine klare politische Aussage und ist praktisch Russkajas Plädoyer für offene Grenzen. Daneben gibt es auf dem Album aber eigentlich nur noch ein weiteres konkret politisches Stück. Die Rede ist von „Here Is The News“, das einen relativ allgemein gehaltenen Propaganda-Vorwurf gegenüber nicht näher genannten Medien erhebt.

Von diesen beiden Stücken abgesehen gehen die politischen Botschaften des Albums praktisch nicht über Russkajas typische „Friede, Freude, Einigkeit“-Haltung hinaus. Trotz des polarisierenden Titels ist „No One Is Illegal“ also eigentlich ein ganz normales Russkaja-Album.

Auf dem geht es auf den ersten Blick so zu, wie man es von der Band gewohnt ist. Geboten wird ein lockerer, meist fröhlicher Rock-Sound mit Geige und Trompeten. Gesungen wird meistens auf Englisch, gelegentlich auch auf Russisch. Deutsche Einwürfe sind die Ausnahme.

Die Lieder fallen gewohnt abwechslungsreich aus und sind auch vom Songwriting her gut. So gestalten sich die Stücke durchaus eingängig, die Melodien sind griffig und auch die Refrains gehen gut rein. Im Prinzip enthält „No One Is Illegal“ kein einziges schlechtes Lied.

Eines fehlt dem Album aber gewaltig. Der Turbo. Früher haben Russkaja ihre Musik gerne als Turbopolka bezeichnet, davon ist auf dem neuen Album aber nur noch wenig zu spüren. Das gesamte Album fällt sehr ruhig aus und ist komplett im Midtempo gehalten. Oft ist das, was Russkaja hier hören lassen, mehr Pop als Rock.

Schon das vorherige Album „Kosmopoliturbo“ hatte die Anzahl der wirklich fetzigen Nummern reduziert, auf „No One Is Illegal“ liegt sie aber direkt bei null. Bekannt geworden sind Russkaja mit flotten, herrlich schrägen Nummern wie „Energia“ (2013), brachten live die Menge zum Toben mit wilden Titeln wie „Rock’n Roll Today“ oder „You Are The Revolution“ (2015).

Zwischen alledem gab es abgedrehte Highlights wie „Psycho Traktor“, auf dem letzten Album dann immerhin noch das energiegeladene „Hello Japan“. Wer all diese alten Lieder von Russkaja kennt, denkt beim Hören von „No One Is Illegal“: Wann geht es denn jetzt richtig los? Wann kommt hier endlich der Kracher?

„No One Is Illegal“ ist mitnichten ein schlechtes Album. Russkaja machen stimmige, hörenswerte Musik und setzen diese gut um. Es ist aber einfach nicht mehr die selbe Musik wie vor ein paar Jahren. Die Wiener gehen mittlerweile in eine ruhigere, poppige Richtung – was auch vollkommen in Ordnung ist. Auf die alten Fans wird das aber mitunter wirken wie Russkaja mit angezogener Handbremse.

Fazit

Mit „No One Is Illegal“ legen Russkaja ein an sich hörenswertes Album vor, das aber ruhiger und weniger spektakulär ausfällt als ihre letzten Veröffentlichungen. Die Band macht nach wie vor gute Musik, aber nicht mehr unbedingt die selbe wie früher.

Wer gut gemachten Pop-Rock mit markanter Handschrift und hohem Wiedererkennungswert mag, der kann hier zugreifen.

Wer Russkaja vor allem für die schräg-fetzigen Nummern der letzten Jahre feiert, der lässt von „No One Is Illegal“ hingegen die Finger. Anderenfalls droht eine Enttäuschung.

Punkte: 7 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de