Eskimo Callboy – Rehab

Eskimo Callboy haben es an die Spitze der deutschen Metalcore-Szene geschafft. Die Band aus Nordrhein-Westfalen spielte sich mit nie ganz ernst gemeinten, schräg-schrillen Song-Feuerwerken in die Herzen der Fans. Das Konzept der Gruppe war eine wilde Mischung aus Growls und Klargesang, fetten Riffs, elektronischen Hooks und Trance-Beats.

Auf ihrem neuen Album „Rehab“ ist davon nichts mehr übrig.

„Rehab“ ist ab dem 1. November erhältlich und gerade mal knapp über 30 Minuten lang. Diese halbe Stunde reicht Eskimo Callboy, um ihren bisherigen Stil praktisch restlos über Bord zu werfen. Callboy-Fans, ich bringe es jetzt direkt auf den Punkt und ihr müsst stark sein: Das hier ist kein Metalcore-Album!

Eskimo Callboy haben auf ihrem neuen Album fast alle wesentlichen Stilelemente ihrer bisherigen Musik reduziert. Härte wurde reduziert, Elektronik wurde reduziert und die Growls wurden reduziert.

In Sachen Härte sind nicht nur die wuchtigen Riffs weniger geworden, auch das gesamte Klangbild kommt weicher und geschliffener herüber. Der Stellenwert der Elektronik hat gleichzeitig stark abgenommen. Standen elektronische Hooks früher fast gleichberechtigt neben den Gitarren und trugen die Melodie aktiv mit, wird die Elektronik auf „Rehab“ fast nur noch als Hintergrundbegleitung eingesetzt.

Die Growls schließlich muss man fast schon mit der Lupe suchen. Es gibt auf dem Album noch ganze zwei (!) Lieder, in denen sie eine nennenswerte Rolle spielen. In „Hurricane“ dürfen sie so halbwegs ran und in „Nice Boi“ singen sie tatsächlich die ganze Strophe. Das wars. „It’s Going Down“ habe ich jetzt mal nicht mitgezählt. Der Titel ist nur eine Minute lang und mehr Zwischenspiel als richtiger Song.

Über die genannten Stellen hinweg haben Growls auf „Rehab“ allenfalls noch als fernes Stilelement im Hintergrund Bedeutung. Für alte Fans, die jetzt hoffentlich nicht schon über der Schüssel hängen, liest sich das mit Sicherheit wie Eskimo Callboy mit angezogener Handbremse.

Bei Lichte betrachtet ist das, was hier geboten wird, Electro Rock. Ziemlich gut gemachter Electro-Rock. Eines der wenigen Dinge, die sich Eskimo Callboy von früher bewahrt haben, ist ihr gutes Songwriting. Refrains, Melodieführung und so weiter sind ebenso griffig und mitreißend wie immer – nur die Projektionsfläche ist jetzt eine andere.

„Rehab“ liefert kurzweilige, elektronisch unterfütterte Rock-Stücke, die in der Mehrzahl gut reingehen. Die Refrains sitzen und die Melodien kann man im ersten Durchlauf mitsummen. Dank diversen Sprechgesang-Einwürfen und den elektronischen Hintergründen wird der Sound zudem nie berechenbar.

Mitunter ist sogar für echte Überraschungen Platz. In „Supernova“ haben Eskimo Callboy tatsächlich Blechbläser mit eingebaut und ergänzen ihren Electro Rock in gelungener Weise um eine Brass-Note.

„Rehab“ ist also ganz sicher nicht schlecht. Es mag nicht so spektakulär, so unkonventionell oder so schrill sein wie die Metalcore-Alben der Band. Da endet der objektive Qualitätsunterschied dann aber auch, der Rest ist Geschmackssache. Für sich genommen ist „Rehab“ nämlich stimmig und durchaus hörenswert.

Wer Eskimo Callboy aber vor allem für Lieder wie „Best Day“, „MC Thunder“ oder „My Own Summer“ feiert, der riskiert hier eine äußerst herbe Enttäuschung. Es ist schlichtweg nicht mehr die selbe Art von Musik.

Ich selbst ertappe mich auf „Rehab“ immer wieder beim selben Gedanken: „Cooler Song, wie geil wärs wenn sie Metalcore draus gemacht hätten!“.

Fazit

Eskimo Callboy gehen mit „Rehab“ stilistisch neue Wege. Wer das akzeptiert erhält ein kurzes, aber gut hörbares Electro-Rock-Album, auf dem nur noch Fragmente an Metalcore erinnern.

Punkte: 7 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de