Gut drei Jahre nach „Berdreyminn“ bringen Sólstafir in Kürze ihr neues Album „Endless Twilight of Codependent Love“ heraus. Die isländische Band ist für einen ebenso traurigen wie ästhetischen Sound bekannt, der sich von Post- bis Psychedelic Rock erstreckt.
Ob man es glaubt oder nicht: Im sehr breiten Stil der Band schlagen sich sogar wieder mehr Metal-Einflüsse nieder. Am 6. November wird „Endless Twilight of Codependent Love“ offiziell erscheinen. Alles weitere darüber erfahrt ihr jetzt.
„Endless Twilight of Codependent Love“ enthält neun Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 63 Minuten. Ungewöhnlich ist, dass mit „Her Fall From Grace“ auch ein Lied auf Englisch enthalten ist. Alle anderen Stücke sind wie gewohnt auf Isländisch gehalten.
Die Themenauswahl des Albums ist ebenso traurig wie sein Sound. Es geht um psychische Erkrankungen, Depression, Sucht und dergleichen. Was genau kann man nun aber musikalisch von „Endless Twilight of Codependent Love“ erwarten?
Diese Frage beantwortet uns „Akkeri“, das erste Stück des Albums. Mit gut zehn Minuten Laufzeit ist es das längste Lied der CD. Wie ein Kaleidoskop fasst es in sich alles zusammen, was in der folgenden Stunde noch kommen wird.
„Akkeri“ startet mit zurückhaltendem, ja fast minimalistischen Rock. In langsamer Spielgeschwindigkeit breitet es jene kalten Klangfarben aus, die man von Sólstafir kennt. Doch plötzlich wird der Sound wild und geht in ein volles, bassig-rockiges Klangbild über. Eine Instrumentalpassage bewegt sich bald in Richtung Metal, fährt die Härte hoch und deutet sogar Blastbeats an. Später fällt das Stück ins Minimale zurück und liefert im Hintergrund eine diffuse Elektronik.
Mit alledem hat „Akkeri“ sehr schön vorweggenommen, was „Endless Twilight of Codependent Love“ alles bereithält. Es gibt atmosphärische, tiefgründige Rock-Musik ganz verschiedener Ausprägungen. Es gibt psychedelische Abschnitte, die die üblichen Liedstrukturen überwinden. Und, ja, es gibt auch wieder mehr Metal.
„Drýsill“ ist zum Beispiel eines der ruhigen, elektronisch unterfütterten Rock-Lieder. In dem geradezu zarten Stück wird der Gesang fast mehr gesprochen als gesungen. „Til Moldar“ ist noch extremer und kaum mehr als Rock wahrzunehmen. Das Lied begleitet den Gesang über weite Strecken nur mit einer kaum greifbaren Elektronik, die nicht einmal eine feste Melodie erkennen lässt.
„Rökkur“ startet hingegen mit Streichern und Klavier. Der Einstieg ist selbst für Sólstafirs Verhältnisse auffällig traurig. Erst nach fast zwei Minuten entwickelt sich der Titel zu einem erdigen, vergleichsweise tief gestimmten Psychedelic-Rock-Stück.
Womöglich für Furore unter den Fans wird „Dionysus“ sorgen. Ich würde es tatsächlich als Metal-Stück bezeichnen. Das Lied ist härter als alles, was Sólstafir über Jahre hinweg veröffentlicht haben. Es steigt gleich mit Blastbeats ein, ist von Anfang an richtig wuchtig und bleibt durchgehend schnell. Auch „Alda Syndanna“ ist relativ wild – das hat man in der Form nicht kommen sehen.
Insgesamt ist „Endless Twilight of Codependent Love“ also unglaublich vielseitig geraten. Sólstafir haben in ihrem Sound seit jeher eine hohe stilistische Bandbreite vereint. Ihr neues Album unterstreicht das jetzt noch einmal deutlich.
Ob man nun in einem der ruhigeren Stücke steht oder in einem, das näher am Metal ist: Das gesamte Album ist atmosphärisch dicht und hat Tiefgang. Natürlich ist alles sehr sauber eingespielt, aber darum geht hier gar nicht. Es ist die besondere Stimmung, mit der Sólstafir einmal mehr punkten können.
Die Gefühle, die hinter ihrer Musik stehen, kann man aus dem Klangbild heraus nachvollziehen ohne auch nur ein Wort der isländischen Texte zu verstehen. Auf dieser Ebene waren Sólstafir immer gut und sind es bis heute.
„Endless Twilight of Codependent Love“ landet trotzdem ein kleines Stück hinter „Berdreyminn“. Es fehlt ein richtig hervorstechendes Lied, das die anderen überragt. Ich tue mir schwer, bei Sólstafir von einem Hit zu sprechen. Bei ihrer anspruchsvollen und komplexen Musik geht es ja nicht um den schnellen Refrain.
Was ich meine ist einfach ein Lied, das bleibt. Sólstafir haben in der Vergangenheit durchaus Lieder geschrieben, die für die Ewigkeit sind. Natürlich kann nicht jedes Lied „Fjara“ oder „Ótta“ sein. „Berdreyminn“ hatte aber das mitreißende, in einem Bombast aufgehende „Hula“, das nahe an den besten Sólstafir-Stücken spielte.
Ein eben solcher Leuchtturm fehlt auf „Endless Twilight of Codependent Love“. Deshalb ordnet es sich – auf immer noch hohem Niveau – knapp hinter „Berdreyminn“ ein.
Fazit
Wieder ein gutes Album mit Tiefgang und Atmosphäre – wenn auch nicht Sólstafirs bestes.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de