Mit dieser Ankündigung hatten Welle:Erdball ihre Fans dann doch überrascht. Die Minimal-Electro-Band hat schon alles Mögliche gemacht, vom Dreh eines eigenen Spielfilms bis hin zur Musical-Tournee im Stil von Dr. Frankenstein war alles dabei. Aber ein Orchester-Album? Ausgerechnet die Retro-Elektroniker?
Genau das ist jetzt passiert. Welle:Erdball haben zwölf ihrer Lieder mit einem 40-köpfigen Orchester unter Leitung von Conrad Oleak neu in Szene gesetzt. Letzterer hat in der Vergangenheit unter anderem schon die Orchester-CD von VNV Nation arrangiert.
Unter dem Titel „Engelstrompeten & Teufelsposaunen“ erscheint Welle:Erdballs Orchester-Album am 20. November. Mehr darüber erfahrt ihr in dieser Rezension.
Ein Akustik-Album ist ja längst nichts besonderes mehr, davon fangen wir erst gar nicht an. Doch selbst an die Orchester-Alben hat man sich gewöhnt. Die Electro-Band Blutengel hat eines, die Dark-Rocker Lord Of The Lost gleich mehrere und erst im Sommer zog Heavy-Metal-Urgestein U.D.O. mit dem Musikkorps der Bundeswehr nach.
Aber Welle:Erdball? Zwar können auch Electro-Musiker mit Orchester-Alben erfolgreich sein – siehe VNV Nation und Blutengel. Welle:Erdball sind nunmal aber eine Minimal-Electro-Band. Als solche ist ihr Sound oft sehr reduziert. Oder um einen ihrer Liedtitel zu zitieren: „Monoton und Minimal“. Die Musik von Welle:Erdball tutet und piept, hat aber eben kaum breite Klangstrukturen.
Der Weg zu einem Orchester-Album scheint für Welle:Erdball also weiter zu sein als für praktisch jede andere Band. Ein Orchester steht meistens für breite Arrangements und großen Bombast. So scheint ein Orchester-Album das Konzept von Welle:Erdball also völlig ad absurdum zu führen. Maximal statt minimal. Manch einer wird sich gefragt haben: Kann das denn gut gehen?
Und ob, es kann! Dem Experiment „Engelstrompeten & Teufelsposaunen“ haben Welle:Erdball zwölf ihrer Lieder unterworfen. Mit dabei sind bekannte Klassiker wie „Arbeit Adelt“, „Deine Augen“, „1000 Engel“ oder der „Starfighter“. Daneben gibt es auch einzelne Stücke aus der zweiten Reihe, zum Beispiel „Das muss Liebe sein“ oder „Die Computer verlassen diese Welt“.
Die Umsetzung der Stücke verläuft hoch unterschiedlich. Genau damit gelingt es, die Minimal-Electro-Band und das Orchester unter einen Hut zu bringen. Es wird nicht in jedem Stück der große Bombast aufgefahren. Nicht jedes Stück wird auf Teufel komm raus zum breiten Epos aufgepumpt. Damit unterscheidet sich „Engelstrompeten & Teufelsposaunen“ durchaus von manch anderem Orchester-Projekt. Welle:Erdball sind auf das Orchester zugegangen, das Orchester aber auch auf Welle:Erdball.
Es gibt durchaus Lieder, die relativ nahe an einem klassischen Orchester-Sound stehen. Die beiden Balladen „1000 Engel“ und „Das muss Liebe sein“ zum Beispiel. Beide Stücke sind breit orchestriert, haben einen voluminöse Streicher und im Hintergrund warmen, sehr vollen Bläser-Sound. Auch „Deine Augen“ ist mit seinen Fanfaren breit aufgestellt und relativ nahe an dem, wie man sich ein Orchester-Album vorstellt.
Dann gibt es aber auch Stücke wie „VW Käfer“, die sehr locker und zugänglich arrangiert sind. Hier erinnert das Klangbild nicht an ein klassisches Symphonieorchester, sondern an ein eher zwangloses Rundfunkorchester. „Nur in meinem Traum“ ist dagegen selbst mit Orchester sehr zurückhaltend arrangiert und schließt den Kreis zum eigentlich minimalen Welle:Erdball-Konzept.
Nochmal völlig anders funktionieren die Stücke, die im Original von ihren Beats leben. Das ist der Fall bei „Arbeit Adelt“ und dem „Starfighter“ (der dieses Mal warum auch immer F-104K heißt anstatt F-104G). Die Beats hat man schlicht und einfach drin gelassen – nur eben von einem Schlagzeug gespielt. Man muss ganz klar sagen: So klingt eigentlich kein Orchester! Und genau das macht die Lieder interessant und hebt sie von den Orchester-Projekten anderer Bands ab.
Richtig klasse ist das ebenfalls beat-lastige „Mumien im Autokino“, das zu einem der Höhepunkte des Albums wird. Das durchaus flotte Stück lebt neben der Orchester-Begleitung vor allem von einem fetzigen, ja fast rockigen Schlagzeug. Auch hier muss man sagen: So klingt kein Orchester! Höchstens wenn Welle:Erdball vorbeischauen.
An dieser Stelle ist ein Lob für den Arrangeur Conrad Oleak fällig. Die vielfältige, mitunter sehr unterschiedliche Herangehensweise war die richtige Entscheidung. Es wurde nicht einfach Pomp und Bombast hinter jedes Stück gepappt. Das Orchester wurde immer nur in der Dosis auf die Musik von Welle:Erdball projiziert, die den Liedern angemessen war.
Wer von „Engelstrompeten & Teufelsposaunen“ durchgehend den breiten Klassik-Bombast erwartet, der wird vielleicht enttäuscht sein. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Grundlage eben Minimal-Electro-Stücke waren. Diesen weiten Weg sind Conrad Oleak und Welle:Erdball mit ihrer sehr freien Orchester-Umsetzung gut gegangen. Das Ergebnis sind sehr gut hörbare, stimmige Lieder – kaum weniger skurril und charmant als ihre elektronischen Originale.
Fazit
Ein sehr eigenes und unerwartet vielseitiges Orchester-Album. Absolut hörenswert.
(ohne Punktewertung)
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de