Empyrium – Über den Sternen

Empyrium. In diesem Musikprojekt vereinen Markus Stock (The Vision Bleak) und Thomas Helm so unterschiedliche Genres wie Dark Metal, Dark Folk und Klassik. Die Gründung von Empyrium liegt 25 Jahre zurück, nicht wenige davon war die Band aber inaktiv. Erst vor rund zehn Jahren hauchten Stock und Helm ihrer Band wieder Leben ein und erst seit dieser zweiten Gründung tritt die Gruppe überhaupt live auf.

Zwischen nennenswerten Aktivitäten der Band liegt jedoch immer noch viel Zeit. Das letzte Album „The Turn Of The Tides“ stammt aus dem Jahr 2014. Nun schicken sich Empyrium aber tatsächlich an, einen Nachfolger zu präsentieren. Der hört auf den Namen „Über den Sternen“ und erscheint am 26. Februar.

„Über den Sternen“ enthält acht Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 52 Minuten. Darunter sind fünf Lieder auf Englisch, zwei Instrumentalstücke und das deutschsprachige Titellied.

Textlich geht es um Mystik, Natur – und beides zusammen. Empyrium bleiben dabei gerne im Ungefähren und lassen dem Hörer reichlich Interpretationsspielraum. Wird die Natur hier beschrieben, bewundert und idealisiert? Oder sind es menschliche Regungen, die metaphorisch über die Natur zum Ausdruck gebracht werden? Es gibt darauf keine richtige und keine falsche Antwort.

Dass die Texte von ihrer Machart her an die Literatur der Romantik erinnern, ist kein Zufall. Empyrium nennen diese Epoche ganz ausdrücklich als Inspirationsquelle ihrer Musik.

Stichwort Musik: Stilistisch reiht sich „Über den Sternen“ nahtlos in die bisherigen Werke von Empyrium ein, auch wenn mancher Schwerpunkt verschoben wurde. Das Fundament ist ein melodischer Dark Metal mit getragener Stimmung und eher langsamer Spielgeschwindigkeit.

Darüber liegen die ganz verschiedenen Gesangsspuren: Helms nahe am Tenor liegender Operngesang, Stocks raue, teils in Flüstertonlage übergehende Klarstimme und auch seine Growls. Die Growls kommen dabei wieder deutlich häufiger vor als auf „The Turn Of The Tides“. Ohnehin werden die Metal-Wurzeln der Band nun als Ganzes wieder stärker betont – das meinte ich auch mit der Verschiebung der Schwerpunkte.

Über dem Metal-Fundament und den diversen Gesängen kommen dann verschiedenste Instrumente zum Einsatz, die das Klangbild mal mehr in Richtung Dark Folk und mal mehr in Richtung Klassik ziehen. Zu hören sind Piano, Geige, Cello, Flöte und vor allem viel Akustikgitarre. Klassik ist dabei übrigens nicht als orchestraler Bombast zu verstehen, sondern eher im Sinne eines klassischen Kammerensembles.

Wie Empyrium die einzelnen Elemente ihrer Musik gewichten, ist wieder und wieder unterschiedlich. Längst kommt nicht jeder Aspekt ihrer Musik auch in jedem Lied vor. Instrumente, Gesangsstile, ja ganze Genres verschwinden phasenweise auch einfach von der Bildfläche. So gibt es mit „The Archer“ zum Beispiel ein reines Neoklassik-Stück, das mit Metal nichts am Hut hat. Andere Lieder stehen dann wieder näher am Dark Folk und wieder andere am Metal.

Selbst innerhalb einzelner Stücke variieren Empyrium ihr Klangbild oft stark. Kein Wunder also, dass „Über den Sternen“ wieder ein sehr vielseitiges Stück Musik geworden ist. Dass sich die komplexe und vielschichtige Musik von Empyrium an anspruchsvolle Ohren richtet, brauche ich wahrscheinlich kaum zu erwähnen. Den schnellen Refrain oder die fetzige Melodie sollte jedenfalls niemand erwarten.

Stattdessen lebt „Über den Sternen“ wie schon die vorherigen Alben von Empyrium vor allem von seiner Atmosphäre. Die ist absolut gelungen. Empyrium liefern hier abermals Musik zum Träumen und Schwelgen. Die Stücke sind sehr gut inszeniert und laden dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen. „Über den Sternen“ gibt dabei Farben und Stimmungen vor – die Bilder dazu entstehen im Kopf des Hörers.

Von seinem Abwechslungsreichtum kann das Album dabei nur profitieren. Die verschiedenen Ausprägungen von Empyriums Musik stoßen sich nicht ab, sondern wurden gelungen zu einem Ganzen verwoben.

Bei all dem Lob ist es nun Zeit für ein „aber“: Das Vorgängeralbum „The Turn Of The Tides“ war noch besser. Es hatte einfach mehr Höhepunkte, mehr wirklich denkwürdige Momente. „The Turn Of The Tides“ hatte „Dead Winter Ways“ mit seiner hypnotischen Repititive oder „The Days Before The Fall“, das mit einer Kirchenorgel eine fast sakrale Atmosphäre erzeugte. Natürlich ist auch „In The Gutter Of This Spring“ zu nennen, das als behutsames Klassik-Stück beginnt, sich langsam aufbaut und verstärkt und schließlich in einem furiosen Schlussteil endet.

„The Turn Of The Tides“ bekam bei uns nicht umsonst 9 von 10 Punkten und damit die höchste Rezensionswertung des gesamten Jahres 2014. „Über den Sternen“ hat weniger von diesen Aha-Momenten und landet deshalb – wenngleich auf immer noch hohem Niveau – knapp hinter seinem Vorgänger.

Die ganz großen Momente mögen auf „Über den Sternen“ weniger geworden sein, verschwunden sind sie aber keinesfalls. Hervorheben möchte ich das Titelstück „Über den Sternen“. Es ist mit zehneinhalb Minuten das längste Stück des Albums und vielleicht auch sein bestes. In keinem Lied des Albums sind die Kontraste größer. Es gibt einerseits schnelle Metal-Riffs und harschen Growl-Gesang, andererseits direkt minimalistische Passagen mit Akustikgitarre und Tenorgesang. Das gesamte Stück ist ein wunderbar gelungenes Wechselspiel zwischen diesen beiden Polen.

Fazit

Ein bemerkenswertes Album für Freunde anspruchsvoller, stilübergreifender Musik.

Punkte: 8.5 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de