St. Michael Front ist der Name eines illustren Duos aus Hamburg, dessen Musik sich wahrlich nicht an Genre-Grenzen gebunden fühlt. Ihr Sound steht irgendwo zwischen Dark Pop, Folk, Chanson und immer wieder auch einer Prise Schlager.
2018 erschien ihr erstes, damals noch englischsprachiges Album „End Of Ahriman“. Am 13. Mai wird nun ihr zweites Album „Schuld & Sühne“ veröffentlicht, mit dem St. Michael Front komplett ins Deutsche wechseln. Diese Rezension beschäftigt sich näher damit.
Eines gleich vorweg: St. Michael Front werfen oft mehr Fragen auf als sie Antworten liefern. Das gilt nicht nur für ihr neues Album, sondern auch für die Band selbst. Immer schwebt die Frage durch den Raum, was hier eigentlich wie ernst gemeint ist – und was vielleicht ironisch, überzeichnet oder zumindest mit einem Augenzwinkern.
St. Michael Front haben sich nach dem heiligen Sankt Michael benannt. Die beiden Musiker nennen sich Bruder Sascha und Bruder Matthias – also so wie Mönche im Kloster. Ihr Musikvideo zu „Bootlicking For A Dream“ zeigt eine Taufszene. Auch „Schuld & Sühne“ sind natürlich zwei Begriffe, die im christlichen Glauben eine große Rolle spielen.
Sind St. Michael Front also sehr gläubige Christen? Oder ist die Liturgie für sie lediglich eine Projektionsfläche, so wie für andere Bands Piraten oder Wikinger? Ich weiß es nicht. Wenn man St. Michael Front bei Google eingibt, ist einer der ersten Treffer ein Artikel von queer.de. Das nicht ganz so heterosexuelle Magazin feierte 2018 das Debütalbum des Duos ab und verloste einige Exemplare.
Je mehr man also über St. Michael Front in Erfahrung bringen will, desto skurriler und widersprüchlicher wird das Bild. Alles läuft hinaus auf die Frage: Ist St. Michael Front das Musikprojekt von zwei Menschen? Oder von zwei Kunstfiguren? Ich habe keine Antwort darauf. Sicher ist aber, dass Bruder Sascha (der Sänger) neben der Musik Schauspieler ist und kleinere Rollen in Film und Fernsehen übernimmt.
Dass vieles an diese Band im Ungefähren bleibt, sollte man sich also vielleicht im Kopf behalten wenn man sich „Schuld & Sühne“ widmet. Das Album kommt mit neun Liedern auf eine Gesamtspielzeit von 37 Minuten. Gesungen wird dieses Mal wie erwähnt auf Deutsch.
Im Kern besteht die Musik von St. Michael Front aus dem sehr klaren Gesang von Sascha und der Akustikgitarre von Matthias. Mit zahlreichen Gastmusikern, deren Beiträge bei Live-Konzerten aus der Konserve kommen, wird das Klangbild dann reichlich ausgeschmückt. Verwendung finden Bass, Trompeten, oft militärisch anmutende Trommeln sowie ein Keyboard, das mal nach Heimorgel klingt, mal aber auch sakral.
Das Ergebnis ist eine sehr eigene Mischung aus Folk, Düster-Pop und Chanson. Die einfach gehaltenen Texte sind dabei so unbestimmt und interpretationsoffen wie alles an dieser Band. Ganz grob geht es um Dinge wie Melancholie, Rachegelüste oder Schmerz. Oft wird es dabei gefühlig, aber (fast) nie kitschig.
Trotzdem denkt man sich manchmal: Wenn das Lied jetzt nicht mit Wandergitarre und Marschtrommel inszeniert wäre, könnte es auch von einem niveauvollen Schlager-Duo sein. Kein Zweifel: St. Michael Front haben ihre eigene Nische gefunden. Sie eifern auch gar keinem nach. Ihre Musik ist weniger raffiniert als die von Genre-Größen wie Rome, deshalb aber nicht weniger stimmungsvoll.
St. Michael Front überzeugen vor allem mit ihrer sehr eigenen Atmosphäre. „Schuld & Sühne“ liefert eingängige, vergleichsweise einfache Lieder mit einer schlichten Schönheit und Ästhetik. Das alles gefällt, klingt mitunter ein bisschen schrullig, aber auf keinen Fall lächerlich. Ob die zwei Musiker dabei nun in einer Rolle sind oder nicht? Vielleicht ist es gar nicht so wichtig.
Fazit
Wer offen für eine eigenwillige Mischung aus Dark Pop und Folk ist, den lässt „Schuld & Sühne“ womöglich verzaubert zurück – und ein bisschen ratlos.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de