Post Metal, Post Black Metal, atmosphärischer Black Metal mit künstlerischem Anspruch: Wie auch immer man das Genre nennen will, Heretoir sind eines seiner Aushängeschilder. 2017 veröffentlichte die Band das beeindruckende Album „The Circle“ und katapultierte sich damit an die Spitze des düster-anspruchsvollen Metals.
Nach ganzen sechseinhalb Jahren erscheint nun endlich ein Nachfolger. Heretoirs neues, nunmehr drittes Studioalbum heißt „Nightsphere“ und ist ab dem 6. Oktober erhältlich. Wie es geworden ist erfahrt ihr in dieser Rezension.
„Nightspehre“ kommt mit fünf Liedern auf eine Gesamtspielzeit von 42 Minuten. Damit ist das Album über 20 Minuten kürzer als „The Circe“ und selbst bei diesen 42 Minuten kommt noch ein ganz großes aber. Doch dazu später mehr.
Von den fünf Liedern haben nur drei einen Text, die anderen beiden sind instrumental. Die Stücke mit Text sind auf Englisch gehalten, fallen poetisch und interpretationsoffen aus. Man kann Fragmente aus dem Spannungsfeld Natur – Menschheit – Technik herauslesen, wirklich konkret wird es aber nie.
Im August tauchten Heretoir in einem Beitrag von Arte auf, in dem sie ihre Musik auch in den Kontext des Klimawandels stellten. Allein aus den Texten heraus hätte sich das jetzt nicht aufgedrängt, ist aber auch nicht ganz fernliegend.
Kommen wir jetzt zu dem großen aber, das ich eingangs schon angekündigt habe. Die beiden instrumentalen Stücke haben überhaupt nichts mit der eigentlichen Musik von Heretoir zu tun. Es liegt nicht daran, dass sie instrumental sind, denn es gibt auch grandiose instrumentale Metal-Stücke. Die beiden sind aber gar keine Metal-Stücke.
Es sind reine Ambient-Stücke, die man sich auch getrost hätte sparen können. „Pneuma“ (sieben Minuten) und „The Death of Man“ (vier Minuten) bestehen im Wesentlichen aus elektronischem Wabern. Hier mit ein bisschen Geklimper, da mit Klavier-Sprenklern, im Prinzip aber bloß elektronische Klangwände.
Die beiden Stücke klingen wie Abspannmusik nach einem Science-Fiction-Film oder -Computerspiel. Nicht schlimm, aber auch nicht spektakulär. Wenn Heretoir den Ambient-Sound als kurzes Zwischenspiel eingesetzt hätten oder als 20-Sekunden-Intro, dann würde man sagen: Okay, kann man so machen.
Aber elf Minuten Ambient auf einem Post-Metal-Album, das sowieso schon über 20 Minuten kürzer ist als sein Vorgänger? Keine gute Idee.
Jetzt aber zu den drei Metal-Stücken, die die eigentliche Essenz des Albums bilden. „Sanctum“, „Twilight of the Machines“ und „Glacierheart“ machen zusammen 31 Minuten aus. Die Stücke knüpfen praktisch direkt an „The Circle“ an. Es gibt nur kleine Verschiebungen, zum Beispiel wird die Akustikgitarre öfter eingesetzt als vorher. Im Großen und Ganzen führen die Lieder den bekannten Stil aber konsequent fort.
Und wie sie das tun! Das kontrastreiche Zusammenspiel zwischen Klar- und Gutturalgesang, das sehr volle, vielschichtige Klangbild, die häufigen mehrstimmigen Passagen: All das steht für Heretoir wie man sie kennt und schätzt. Die Stücke des neuen Albums fallen gewohnt komplex aus, sind aber auch melodisch und keinesfalls unzugänglich.
Wie gewohnt sind die Klangbilder von häufigen Wechseln gekennzeichnet. Es gibt sehr ruhige Passagen mit Klargesang, die stark an Post Rock erinnern. Oft nur Momente später warten dann aber auch Abschnitte mit Blastbeats und dunklen Growls. All das haben Heretoir gut umgesetzt, mit kalten Klangfarben, vielen Details und einer außergewöhnlichen Atmosphäre.
„Sanctum“, „Twilight of the Machines“ und „Glacierheart“ sind tolle, komplexe und tiefgehende Lieder zum Träumen und Schwelgen. Ich wünschte man hätte sich die elf Minuten Ambient gespart und dafür noch ein, zwei Stücke mehr von diesem Kaliber.
Fazit
Was Heretoir hier in ihrem bekannten Stil abliefern ist großes Kino. Ein packender, komplexer, atmosphärisch dichter Sound mit verschiedenen Stimmungsbildern und hohem Wiedererkennungswert. Wirklich klasse und auch ebenso gut umgesetzt.
Was Heretoir hier in ihrem bekannten Stil abliefern macht aber bloß drei Lieder des Albums aus, kaum mehr als eine halbe Stunde Musik. Nach dem gewaltigen Einschlag von „The Circle“ und nach sechseinhalb Jahren Wartezeit bleibt das einfach hinter den Erwartungen zurück.
Punkte: 7.5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de