In den letzten Jahren hat sich Ritual Folk als neues Subgenre der Folk-Musik etabliert. Ein sehr dunkler, archaisch-minimalistischer Sound, der sich an die nordische Mythologie und Quellen aus der Wikingerzeit oder noch früheren Epochen anlehnt. Bands wie Heilung und Wardruna feiern damit große Erfolge.
Das französische Duo Eihwar geht nun einen etwas anderen Weg. Auch Eihwar lassen Wikinger und die nordische Sagenwelt hochleben. Auch Eihwar haben Instrumente, die an jene aus der Frühzeit angelehnt sind. Minimalistisch ist bei den beiden Musikern aber gar nichts!
Das Duo bringt den Wikinger-Folk mit moderner elektronischer Musik zusammen. Dabei heraus kommt ein breit gefächerter Crossover, mit dem sich die Fans zu Folklore-Klängen und Beats in Trance tanzen sollen. Ihren Musikstil nennen Eihwar “Viking War Trance” und so heißt auch ihr am 20. September erscheinendes Debütalbum. Hier eine Einschätzung dazu.
“Viking War Trance” enthält neun Lieder mit einer Gesamtspielzeit von 41 Minuten. Abgesehen von kurzen Abschnitten auf Englisch besteht der Text durchgehend aus lautmalerischen Silben. Ähnlich wie Sigur Rós verwenden Eihwar eine Fantasiesprache, die ohne inhaltliche Bedeutung ist. Altsprachliche Quellen gibt es auf dem Album also nicht.
Auch rein musikalisch sollte man die Sache mit den Wikingern nicht auf die Goldwaage legen. So ist das einzige Stück, das durchgehend einen “richtigen” Text hat, eine Kurzversion von “Herr Mannelig”. Das Lied gehört zum Repertoire jeder Mittelalter-Band, entstand aber wahrscheinlich sogar noch später. Mit Wikingern hat es jedenfalls nichts zu tun – da nehmen sich die Franzosen genauso viel Freiheit wie die anderen Ritual-Folk-Bands auch.
Zu den Eihwar-Musikern Asrunn (Gesang, Trommeln) und Mark (Gesang, Laute, Gitarre, Elektronik) gibt es wenige Informationen und selbst die verwendeten Instrumente sind nirgends aufgeführt. Klar ist, dass die Folk-Seite von verschiedenstem Schlagwerk und Lauteninstrumenten lebt. Bei dem Saiteninstrument muss ich aber raten. Vom Klang her könnte es eine Nyckelharpa sein, aber auch eine Drehleier. Zu alledem kommt dann noch die Elektronik.
Sängerin Asrunn hat eine zarte, sehr hohe Stimme und flüstert oft auch mehr als sie singt. Mark kontrastiert dies gelungen mit einer sehr tiefen Stimmlage, die manchmal schon an der Grenze zu Obertongesang steht. Begleitet werden die beiden Stimmen durch die Folk-Instrumente und die Elektronik, aber auch durch Samples und Choräle.
Im Gegensatz zu den eingangs genannten Folk-Bands schaffen Eihwar damit ein sehr breit aufgestelltes, sehr volles Klangbild. Dieses ist immer melodisch, ohne dass die Melodieführung aber wirklich im Vordergrund steht. Stattdessen sind es die Beats, die mit ihrer Rhythmik den Ton angeben. Genau damit kommt der Trance-Aspekt durch: “Viking War Trance” hat mit permanentem, gleichmäßigen Schlagwerk einen fast schon hypnotischen Vibe.
Man kann dabei kaum heraushören, welcher Teil der Beats nun durch die Trommeln oder durch die Elektronik erzeugt wird. Auch die elektronisch erzeugten Beats lehnen sich vom Klang her nämlich an Trommelschläge an. Das gesamte Klangbild wirkt also organischer als man es bei dem Elektronik-Crossover vielleicht erwartet hätte. Im Hintergrund wabern zwar immer wieder breite Elektro-Schleifen, es gibt aber keine synthetischen Beats wie zum Beispiel bei Heimataerde.
Insgesamt schaffen Eihwar hier ein ästhetisches, angenehm frisches Hörerlebnis. Der nordische Folk wird gelungen mit moderner Elektronik unter einen Hut gebracht, ohne dass diese zu dominant wird. Das Ergebnis ist ein eingängiger, sehr voller und gut hörbarer Sound. Eihwars Musik ist dabei weniger komplex als die von Heilung und Wardruna, dafür aber deutlich zugänglicher.
Den einen großen Ohrwurm kann man auf “Viking War Trance” indes nicht herauspicken, denn darauf ist das Album nicht ausgelegt. Eihwars Debüt versteht sich eher als Ganzes und nicht als eine Sammlung von zwei, drei Hits. Wie gesagt: Die Trance-Rhythmik steht im Vordergrund, nicht die Melodie.
Fazit
Eihwar gehen den nordischen Ritual Folk aus einer ganz anderen Perspektive an. Heraus kommt ein Sound mit hohem Wiedererkennungswert, der eben nicht minimal ist, sondern beatlastig und tanzbar.
Die Franzosen könnten damit auch für jene interessant sein, denen die bisherigen Bands des Genres dann doch zu speziell waren. “Viking War Trance” lädt auf jeden Fall dazu sein, sich mit der Band einmal näher zu beschäftigen.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de