Mahlstrom Open Air – Interview mit Frederick Range

Mitte Juni geht am Herthasee im Westerwald wieder das Mahlstrom Open Air über die Bühne. Im Vorfeld hatten wir nun die Gelegenheit zu einem Interview mit Frederick Range, dem Gründer und Veranstalter des Festivals.

Herausgekommen ist ein sehr interessanter Einblick hinter die Kulissen des Mahlstrom Open Airs. Viel Spaß damit!

Mahlstrom Open Air

Lieber Frederick,
es mag Leute geben, die das Mahlstrom Open Air bisher nur vom Namen her kennen oder an denen es sogar ganz vorbeigegangen ist. Möchtest du das Festival mal kurz vorstellen?

Stefan, danke erst einmal, dass du uns hier die Möglichkeit gibst, unser Festival ein wenig vorzustellen. Was spielt bei uns eine Rolle? Naturverbundenheit, Offenheit für Menschen jeglicher Herkunft, Geschlechtsidentität und Religion.

Was unterscheidet das Mahlstrom Open Air von anderen Festivals?

Ich denke, dass unser Festival ausgesprochen familiär ist. Das liegt nicht nur an der überschaubaren Teilnehmerzahl, sondern auch an den Gästen selbst. Man merkt ganz schnell, dass man unter Gleichgesinnten wandelt. Die Campingplätze sind klein und überschaubar – da entsteht schnell eine Nachbarschaft, die nicht nur die direkt angrenzenden Zelte umfasst, sondern gleich die gesamte Wiese. Dazu kommt natürlich unsere fantastische Crew, die gerne auch mal mit den Gästen verschmilzt.

Das Mahlstrom Open Air war nicht von Anfang an als jährliche Veranstaltung geplant. Angefangen hat alles mit dem Jubiläum deiner Hornschleiferei im Jahr 2018. Möchtest du uns mal erzählen wie es dazu gekommen ist?

2018 hatte ich, wie du schon erwähnt hast, das Jubiläum mit der Hornschleiferei.de. Meine Grundidee umfasste eigentlich einen gemütlichen Grillabend mit Musik aus der Konserve an einer Burg hier in der Nähe. Durch diverse Umstände konnte ich den Plan an der Burg nicht umsetzen und somit suchte ich nach einem neuen Platz.

Während der erneuten Platzsuche kam mir bereits die Idee mit einer kleinen Liveband in den Sinn. Irgendwie hat sich dann vieles gewandelt – Freunde sind mit in die Planung eingestiegen und auf einmal ist aus dem Grillen ein Festival an einem See mit Campground geworden. Dann wurde aus dem „Ich“ ein „Wir“ und eine gewisse positive Eigendynamik setzte ein.

„Unser Festival ist ausgesprochen familiär.“

Wann hast du den Entschluss gefasst, dass du eine wiederkehrende Veranstaltung daraus machst?

Meine Crew und ich hatten im Jahr 2018 einen RIESIGEN Spaß. Die erfolgreiche Veranstaltung und das positive Feedback der Gäste haben uns stolz gemacht. Dann war der Schritt zu einem weiteren Festival nicht mehr groß. Außerdem gibt es hier bei uns ein gewisses Defizit an Veranstaltungen in unserem Genre.

Du wirst bei deinem Festival von einem großen Team unterstützt. Sind das alles Freunde von dir oder wie bist du an deine Helfer gekommen?

Angefangen haben wir mit guten Freunden und Familie. Aus der Kerncrew sind fast alle noch am Start, was mich besonders freut. Über die Jahre ist nicht nur das Festival, sondern auch die Crew gewachsen. Oft haben sich Gäste im nächsten Jahr als Helfer beworben und sind nicht nur ein fester Teil der Crew, sondern auch wirklich gute Freunde geworden.

Wie viele Menschen arbeiten insgesamt überhaupt am Mahlstrom Open Air mit?

Insgesamt sind wir pro Jahr circa 44 Leute in der Crew. Wir könnten das Festival sicher auch mit weniger Helfern bewältigen, aber wir versuchen, die Schichten nicht zu lang werden zu lassen, planen in der Schichtplanung die Lieblingsbands der Helfer mit ein und achten darauf, dass auch Freizeit möglich ist. Natürlich klappt das leider nicht immer wie geplant, aber wir geben unser Bestes. Unsere Crew ist auch meist bereit, eine Pause zu unterbrechen wenn es irgendwo „brennt“.

Frederick (links) mit Teilen seines Teams

Du selbst bist ja auch an allen Fronten aktiv. Während der Festivaltage bist du ständig in Bewegung, behälst den Überblick und stehst auch mal selber am Getränkestand. Kannst du selbst da überhaupt noch den Auftritt deiner Lieblingsband genießen?

Tatsächlich ist meine Hauptaufgabe quasi mit Beginn des Festivals abgeschlossen. Ab dann habe ich persönlich keine festen Dienste – außer dem Toilettendienst. Den muss einfach jeder einmal machen, ohne Ausnahme. Abgesehen davon bin ich Springer. Ich bin überall wo ich gebraucht werde.

Natürlich bin ich jederzeit erreichbar wenn es zu Notfällen oder wichtigen Entscheidungen kommt, die meine Teamleiter nicht selbst lösen können. Durch das Konzept der „Berserker“, also Teamleiter, konnten wir die Belastungen besser verteilen. Die Teamleiter sind auch in der Kernorga das ganze Jahr über in die Planung eingespannt.

Gibt es Bands, die du gerne mal für das Mahlstrom verpflichtet hättest, bei denen es aber bisher nicht geklappt hat? Die womöglich sogar deine Buchungsanfrage abgelehnt haben?

Man wirft jedes Jahr die Angel aus und schaut, was man an Land ziehen kann. Bisher konnten wir uns schon einige persönliche Wünsche erfüllen. Wir haben bisher keine Band gehabt, die unsere Anfrage explizit abgelehnt hat. Natürlich gilt das nicht für terminliche Probleme oder wenn wir mal wieder nicht genug Gage zahlen können. 😉

2021 waren viele Festivals noch in der Corona-Pause, das Mahlstrom Open Air fand aber schon wieder statt. Davon habt ihr stark profitiert und einen Besucherrekord eingefahren. Wie hast du das Festival 2021 empfunden?

2021 war eines der anstrengendsten Jahre, die wir bewältigt haben. Das hat uns eine Menge Kraft gekostet. Trotzdem war es sehr schön. Ich erinnere mich an eine junge Frau, die mit Tränen in den Augen vor mir stand und sich dafür bedankte, dass sie endlich wieder „leben“ dürfe. Das war ein sehr guter Moment, der für die Strapazen entschädigt hat.

mahlstrom-2019-03

der Herthasee im Westerwald

In den Jahren danach ging die Besucherzahl dann deutlich zurück und blieb etwas unter den Erwartungen. Ist so ein schwächeres Jahr für das Mahlstrom gleich existenzgefährdend oder gibt es womöglich Sponsoren, die so etwas auffangen?

Seit Corona ist jedes Jahr für uns existenzgefährdend. Es gibt keine Sicherheit mehr. Die Gesellschaft und die Wirtschaft wandeln sich. Der Vorverkauf ist quasi kaum vorhanden und wir können nur sehr schlecht planen. Bisher hat es immer geklappt, auch wenn wir keinen nennenswerten kommerziellen Erfolg verzeichnen können.

Wenn also ein Jahr mal so richtig in die Hose geht, muss ich schauen ob ich mir das Risiko nochmal geben möchte. Wir haben treue und liebevolle Sponsoren, die uns finanziell für Werbung, Shirts oder mit kleineren Beträgen unterstützen. Aber es gibt keine Firma, die ein Defizit im vier- bis fünfstelligen Bereich ausgleichen würde. Das würde dann an der Hornschleiferei.de hängen bleiben.

Wie läuft der Kartenverkauf für dieses Jahr bisher? Könnt ihr schon zufrieden sein oder muss da noch mehr kommen?

Da MUSS noch mehr kommen. Wir hatten einen sehr guten Verkauf bis Weihnachten. Ab dann – kaum nennenswert. So ist es aktuell leider. Es gibt für uns keine Sicherheit. Sehr viel verschiebt sich auf die letzten drei Wochen vor Festivalbeginn. Grundsätzlich habe ich aber keine großen Sorgen, dass es nicht voll wird. Wir haben für unsere Verhältnisse ein wirklich fettes Billing.

Sehe ich das eigentlich richtig, dass es gar keine Tagestickets gibt? Warum ist das so?

Wir möchten die Gäste gerne dazu bringen, das ganze Wochenende bei uns zu sein. Wochenendtickets können wir gut planen. Tageskarten gibt es dann immer erst kurzfristig zu erwerben. Wir möchten natürlich das Kontingent bestmöglich ausschöpfen und kurzfristig entscheiden, wie viele Tagesgäste unsere Infrastruktur zusätzlich zu den Wochenendgästen noch hergibt.

Trinkhörner aus der Hornschleiferei

Welche Rückmeldungen erhält das Mahlstrom Open Air aus der lokalen Bevölkerung?

Bisher hauptsächlich positive. Die Einwohner, die sich mal zu einem Besuch trauen, sind in der Regel positiv begeistert. Meist höre ich so etwas wie: „Die Musik ist fürchterlich, aber die Gäste sind toll!“ oder „Ist ja schön, dass hier was gemacht wird, auch wenn die Musik gewöhnungsbedürftig ist.“ Wir freuen uns über jeden Einwohner aus Holzappel und Horhausen, der die Einladung annimmt und uns am Herthasee besucht.

Ihr habt jedes Jahr bekannte Namen im Lineup, aber auch interessante Newcomer, die wirklich noch nicht jeder kennt. Wie kommst du an die Nachwuchsbands? Buchst du die auf Empfehlung, bewerben die sich bei dir – oder vielleicht beides?

Da ergibt sich über das Jahr immer sehr viel. Einerseits erhalten wir viele hundert Bewerbungen per E-Mail, dann sind wir selbst viel unterwegs auf Konzerten und knüpfen da Kontakte oder sehen direkt Bands, die wir ansprechen. Und dann hat man nach ein paar Jahren natürlich ein Netzwerk unter Veranstaltern, das einem hier und da mal einen Geheimtipp zukommen lässt.

Was war für dich die kurioseste Geschichte, die sich bisher auf dem Festival zugetragen hat?

Da gibt es vieles. Zum Beispiel ein junger Mann, der ziemlich zerzaust und zerkratzt aus der Brombeerhecke herauskam und steif und fest behauptete, mit einem Werwolf gekämpft zu haben. Oder ein geklauter Stromerzeuger, das war dann wieder weniger witzig, aber kurios: WER MACHT SOWAS!?! Auch hat mal ein Crewmitglied die komplette Wasserversorgung sabotiert, weil EIN Wasserhahn tropfte.

„Einer behauptete, mit einem Werwolf gekämpft zu haben…“

Gibt es eine Band, deren Auftritt auf dem Mahlstrom dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Viele, fast alle. Vader, Ellende, Haggard, Graveworm und viele mehr. Oft stehe ich hinten am Festival, sehe, wie viele hundert Metalheads einen riesen Spaß haben, und drücke eine kleine Freudenträne weg.

Lass uns einen Blick in die Zukunft wagen: Kannst du dir vorstellen, das Festival auch noch in zehn Jahren oder mehr auszurichten?

Das kommt auf einige Faktoren an, aber grundsätzlich ja!

Die letzten Zeilen gehören dir: Sag unseren Lesern was auch immer du loswerden willst.

Ich danke allen, die es ermöglichen, dieses wunderschöne Festival auf die Beine zu stellen! Sei es die Orga, die das ganze Jahr mit mir plant: Chewie, Dennis, Moe, Thorsten und Tim. Oder das P/R-Team: Andy, Dennis, Steffi. Und natürlich das Team rund um Philipp, das sich um Bühne und Technik kümmert. Dann natürlich der Dank an die ganze Crew und nicht zu vergessen meine Familie, die jedes Jahr mit mir durch diese turbulenten Tage wandert.

Vielen Dank für das Interview und wir sehen uns am Herthasee!

 

Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de