Die österreichische Black-Metal-Band Ellende hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. 2024 veröffentlichte die Gruppe „Todbringerin“, eine runderneuerte Version ihres Albums „Todbringer“ von 2016.
Das letzte wirklich neue Album war „Ellenbogengesellschaft“ von 2022 – und das bekommt jetzt einen Nachfolger. Der Titel des neuen Werks lautet „Zerfall“ und erscheinen wird es am 2. Januar. Hier eine Einschätzung dazu.

„Zerfall“ kommt mit neun Liedern auf eine Gesamtspielzeit von 52 Minuten. Die mir vorliegende Version enthält auch noch zwei Klavierstücke, die als Bonus gekennzeichnet sind. Diese spielen hier keine Rolle, Gegenstand der Rezension ist wie immer nur die Standardausgabe des Albums.
Alle Lieder von „Zerfall“ sind auf Deutsch gehalten, oft mit einer starken österreichischen Einfärbung. Die niveauvollen Texte sind poetisch und lesen sich eigentlich wie Gedichte. Laut Pressetext geht es auf dem Album darum wie man menschlich und mental in Stücke zerfällt und sich dann selbst wieder aufbaut.
Aus den Texten selbst ließe sich das so direkt nicht herauslesen, denn sie sind sehr offen gestaltet und lassen auch andere Interpretationen zu. Wer diese Rezension liest, weiß es wahrscheinlich sowieso, aber ich möchte es doch noch einmal sagen: Ellende gehören zu den künstlerisch anspruchsvollen Vertretern ihres Genres. Zu jenen Black-Metal-Bands, bei denen es nicht um Härte geht, sondern die wirklich Substanz haben. Und das spiegelt sich eben auch in den Texten wieder.
Rein musikalisch geht „Zerfall“ den Weg der vorherigen Alben konsequent weiter. Das Fundament liegt also tatsächlich im Black Metal. Darauf wird dann aber so manches aufgebaut, das weit über die Grenzen des Genres hinausgeht. Ja, es gibt die Ausbrüche ins Schnelle, in denen das Klangbild mit kraftvollen Blastbeats recht nahe am ursprünglichen Black Metal steht.
Solche Passagen sind aber bei Weitem nicht die Regel. Es gibt sehr viele geradezu verträumte Abschnitte, die überhaupt nicht hart sind und im gemächlichen Down- bis Midtempo stattfinden. Auch flechten Ellende häufig ein Klavier in ihre Lieder ein, immer wieder gibt es zudem Klargesang. Die Rhythmik der nicht ganz so schnellen Stücke erinnert oft an Rockmusik, vereinzelte längere Instrumentalpassagen gleichen sphärischem Post Rock.
Für Black-Metal-Puristen ist diese Band einfach nichts – und das ist auch vollkommen in Ordnung so. Angesprochen werden hingegen Fans, die ein anspruchsvolles Hörerlebnis und eine dichte Atmosphäre schätzen. Und die werden hier auch wieder sehr gut bedient. Durch das gesamte Album ziehen sich herrlich kalte Klangfarben, das düstere Ambiente ist fast schon zum Greifen.
Rein von der Spieltechnik her sind Ellende nicht ganz so spektakulär. Da gibt es andere Bands, die weiter vorne stehen. „Zeitenwende Teil II“ ist das einzige Stück, in dem auch mal richtig schnittige Soli aufgefahren werden – und zumindest das komplexeste davon ist der Gastbeitrag eines Gitarristen einer mir nicht bekannten Band namens Norikum.
Selbst holen Ellende nur selten zu Einzelaktionen aus, für die stimmungsvolle Auskleidung ihres Albums brauchen sie das aber auch nicht wirklich. Auch ohne ein höher, schneller, weiter an der Technik schaffen Ellende hier ein wirklich gelungenes Hörerlebnis mit einer ganz eigenen Aura.
Was auch noch gut gefällt ist das hohe Maß an Abwechslungsreichtum. Der Sound wird nie berechenbar. Da kommen mal Geige oder Akustikgitarre mit rein, in „Wahrheit Teil I“ aber zum Beispiel auch mal Details wie das Läuten von Kuhglocken. Die hat nun wirklich nicht jeder auf seinem Metal-Album.
Fazit
Ellende wie man sie kennt und schätzt.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de