Sylvaine – Nova

Sylvaine ist das Ein-Frau-Projekt der norwegischen Musikerin Kathrine Shepard. Die steht irgendwo zwischen Post Metal und Post Rock – und das sehr eigen, mit verschiedenen Einflüssen und einer wirklich hohen stilistischen Bandbreite.

An mir ist Sylvaine bisher vorbeigegangen, doch die Musikerin ist unter diesem Namen schon länger aktiv. Ihr Debüt erschien 2014, das kommende Werk „Nova“ ist bereits ihr viertes Album. Erhältlich ist „Nova“ ab dem 4. März, alles andere darüber erfahrt ihr in dieser Rezension.

„Nova“ enthält sieben Lieder mit rund 50 Minuten Laufzeit. Das letzte Stück „Dissolution“ ist als Bonus gekennzeichnet, womöglich also nicht auf jeder Version des Albums mit dabei. Die interpretationsoffenen, durchaus poetischen Texte sind meistens auf Englisch gehalten. „Fortapt“ ist das einzige Stück auf Norwegisch.

Sylvaine steht wie schon geschrieben zwischen Post Metal und Post Rock. Der Beginn von „Nova“ hat mit beidem aber erst mal gar nichts zu tun. Los geht es mit dem Titelstück „Nova“ und mehrstimmigen Gesängen. Der hohe, zarte, fast geisterhafte Gesang findet zunächst a cappella statt. Und das ohne erkennbaren Text – mit Silben einer Phantasiesprache.

Erst nach einer Weile setzt minimale, aber wirklich minimale Begleitung durch Gitarre und Elektronik ein. Schwer zu sagen wie viele Gesangsspuren hier übereinander laufen. Mit diesem Einstieg ist Sylvaine jedenfalls schon mal ein denkwürdiger Moment gelungen. War das jetzt eigentlich ein vollwertiges Lied? Oder doch mehr ein Intro? Diese Kategorien verschwimmen auf „Nova“ wie auch so vieles andere. Der sehr markante, mehrstimmige Gesang bleibt als eines der auffälligsten Stilmittel aber praktisch über das ganze Album hinweg erhalten.

Ab dem zweiten Stück bewegt sich „Nova“ dann auch wirklich im Rock und Metal. Sylvaine springt dabei ständig zwischen den Genres hin und her. Es gibt Abschnitte, die deutlich näher am Metal stehen und harsche Screams auffahren. Es gibt aber auch Abschnitte, die an bekannte Post-Rock-Bands erinnern, durchaus auch an die rein instrumentalen. Immer wieder wird der mehrstimmige Gesang eingesetzt, der dem Klangbild auch eine gewisse Fülle gibt. Seltener ist auch für Einflüsse aus anderen Genres Platz, zum Beispiel wenn Streichinstrumente mit einfließen.

Der gesamte Sound von Sylvaine ist anspruchsvoll und vielschichtig. Die abwechslungsreichen Stimmungsbilder reichen von hart bis verträumt. Trotz der sehr hohen Gesänge wirkt das Klangbild dabei nicht sehr kalt. Ein recht organischer Bass und das progressive Schlagzeug, das weit mehr macht als nur Begleitung, haben daran ihren Anteil.

„Mono No Aware“ ist eines der härteren Lieder des Albums. Es geht praktisch los wie melodischer (Post) Black Metal. Der riffige, flotte Sound fährt auch Screams und leichtere Blastbeats auf. Während die Screams im Vordergrund stehen, füllt den Hintergrund aber gleichzeitig der Geistergesang vom Anfang. Ja, anstatt Keyboard oder dergleichen steht vokaler, mehrstimmiger Gesang im Hintergrund. Das passiert auf „Nova“ öfter, ist in „Mono No Aware“ aber ganz besonders gelungen. Später wechselt das Stück ins Rockige und stellt Klargesang in den Vordergrund.

„Everything Must Come To An End“ ist praktisch das komplette Gegenteil: Ruhig, verträumt, sparsam arrangiert und ohne jeden Bezug zum Metal. Das Stück ist so etwas wie die Ballade des Albums und bringt gegen Ende auch Streicher mit ein.

„Fortapt“, das Stück auf Norwegisch, ist mit fast zwölf Minuten das längste Lied des Albums. Es fasst in diesen zwölf Minuten praktisch alles zusammen, was dem Hörer bei Sylvaine begegnet: Minimal gehaltene Passagen, zarter Gesang vor leichter Gitarre, Post Rock, Metal-Abschnitte mit Vortrieb und Screams.

Was soll man zu „Nova“ nun sagen? Das Album ist nicht nur sehr vielseitig, es ist auch richtig gut. Das gesamte Album hat eine tolle Atmosphäre mit einer gewissen Emotionalität und recht unterschiedlichen Stimmungsbildern. Trotz des Spagats zwischen verschiedenen Genres wirkt es auch in sich stimmig, die Wechsel sind nie aufgesetzt.

Große Hits im Sinne von Refrains oder dergleichen gibt es zwar nicht. Durch die sehr melodische Ausrichtung und ein wirklich einnehmendes Riffing nimmt einen „Nova“ dennoch gut mit. Der vorhandene Anspruch führt nicht dazu, dass das Album irgendwie schwergängig wäre. Auch gibt es viel zu entdecken, denn jedes einzelne der Stücke hat irgendwo etwas besonderes. Fans von künstlerisch ambitioniertem Post Rock und Metal machen mit „Nova“ absolut nichts falsch.

Fazit

Ein atmosphärisches, wirklich hörenswertes Album mit hohem Wiedererkennungswert.

Punkte: 8.5 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de