Craving – Call Of The Sirens

Die deutsche Band Craving spielt Melodic Death Metal mit breitem epischen Einschlag. Auf dem Programm steht ein wuchtig-kraftvoller Sound, angereichert mit Chören und Orchestrierung.

Am 19. Mai bringt die Band ihr nunmehr viertes Studioalbum „Call Of The Sirens“ heraus. Diese Rezension folgt für euch dem „Ruf der Sirenen“.

„Call Of The Sirens“ enthält zehn Lieder, darunter zwei Cover. Das Album kommt damit auf eine Gesamtspielzeit von 50 Minuten. Die meisten Lieder sind auf Englisch gehalten, es ist aber auch jeweils ein Stück auf Deutsch, Russisch und Ukrainisch dabei. Craving-Frontmann Ivan hat einen Migrationshintergrund, der die Erklärung für die sprachliche Vielfalt sein dürfte.

Die titelgebenden Sirenen sind ja Sagengestalten aus der griechischen Mythologie. Frauenwesen, die mit betörendem Gesang ihre Opfer ins Verderben locken. Doch anders als vielleicht gedacht geht es auf dem Album nicht um Mythologie, nicht um Sagen und Legenden. Es geht um moderne Sirenen, um selbstverliebte Narzissten. Das Album handelt von diesen und anderen Missständen aus dem hier und jetzt.

Musikalische Grundlage ist dabei schwungvoller, reichhaltig ausgeschmückter Melodic Death Metal. Genre-typisch gibt es schneidige Gitarren, ein donnerndes Schlagzeug, kraftvollen Growl-Gesang und eine hohe Spielgeschwindigkeit. Was Craving auf dieses Fundament dann aber alles draufpacken, das füllt schnell eine lange Liste.

Klavier und Akustikgitarre fließen mit ein, dazu ein Orchester-Sound, der wahrscheinlich am Keyboard erzeugt wird. Es gibt Gastsängerinnen, die gerne auch mehrstimmig auftreten, Chöre, hin und wieder Klargesang.

Alles zusammen ergibt ein extrem volles Klangbild, in dem vieles zugleich abläuft. Trotz des melodischen, durchaus eingängigen Songwritings stellt der Sound einen gewissen Anspruch an die Hörer. Es laufen so viele Klangspuren übereinander, dass man manchmal gar nicht alles auf einmal erfassen kann. Beim zweiten, dritten Durchgang hat man dann Erkenntnisse wie: Da waren ja nicht nur Chöre, sondern auch noch eine Orchestrierung dahinter.

Auch die fast permanenten Blastbeats machen den Einstieg nicht leichter. Der Pressetext beschreibt Schlagzeuger Wanja als Rekordhalter im Blastbeat-Spielen. Das würde vielleicht erklären, warum das Schlagzeug auf „Call Of The Sirens“ fast nur im Dauerfeuer läuft.

Es gibt in den Liedern auch keine wirklichen Ruhepausen. Nicht, dass ich Balladen hier vermissen würde. Aber kleine Momente der Ruhe, um das Gehörte zu verarbeiten und einzuordnen, wären vielleicht hilfreich. So wird manch einer sagen, dass Craving es mit den unfassbar vielen Klangspuren und den dauerhaften Blastbeats übertrieben haben. Wer bei „Call Of The Sirens“ also angestrengt aussteigt, weil Craving bei der Fülle und Menge von allem über das Ziel hinaus geschossen sind, den kann ich verstehen.

Wer aber bleibt und ein bisschen Einarbeitungszeit mitbringt, der hat hier viel zu entdecken. Das Klangbild mag übervoll sein, vereint Kraft und Vortrieb des Melodic Death Metal aber gelungen mit einer großen Portion Epik. Es passiert ständig etwas neues, die Lieder werden nie berechenbar und der Wiedererkennungswert ist groß.

Die Spielfertigkeiten können sich absolut hören lassen, auch manches schicke Solo ist dabei. Das Songwriting ist meistens gut, in seinen besten Momenten sogar wirklich herausragend.

Der größte Leuchtturm ist das Titelstück „Call Of The Sirens“. Das mit fast acht Minuten längste Stück des Album ist auch sein bestes. Zu einer grandiosen Melodie und einem waschechten Ohrwurm-Refrain werfen Craving den Hörern einen gewaltigen heroischen Bombast entgegen. Den großartigen Refrain singt eine weibliche Stimme – begleitet von einem Chor mit Text im Vorder- und einem Chor ohne Text im Hintergrund. Ein wirklich tolles Stück, das für sich alleine schon einen Durchlauf des Albums rechtfertigt.

Natürlich ist längst nicht jedes Stück des Albums so ein Hit, aber dieses Lied wollte ich doch extra erwähnt haben. Erwähnen möchte ich zum Schluss auch die beiden Cover. Offensichtlich sind Craving Fans des Eurovision Song Contest (ESC), denn beide Lieder waren Beiträge des ESC 2021. Es handelt sich um „El Diablo“ von Elena Tsagrinou (Zypern) und „Shum“ von Go_A (Ukraine, sehr hörenswerte Band übrigens).

Die beiden Cover haben Craving in der für sie typischen Art umgesetzt: Kraftvoll, markant und, naja, ein bisschen von Blastbeats niedergewalzt.

Fazit

Ein komplett überfrachtetes, gleichzeitig aber auch faszinierendes Album. Wer sich auf das Abenteuer einlässt und etwas Einarbeitungszeit mitbringt, erhält ein sehr eigentümliches Stück Musik mit echten Höhepunkten.

Punkte: 8 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de