Am 28.9.2007 bot sich für uns die Gelegenheit, mit Coppelius nach ihrem Konzert in Kusel ein Interview zu führen.
Die Fragen stellte dark-festivals.de Redakteur Stefan Frühauf, beantwortet wurden sie von den beiden Coppelius-Sängern und -Klarinettisten Comte Caspar und Max Coppella.
Auch während dem Beantworten der Fragen waren bei den beiden Herren die Einflüsse des frühen 19. Jahrhunderts, in dem sie ihre Herkunft sehen, allgegenwärtig.
Viel Spaß beim Lesen dieses außergewöhnlichen Interviews!
Hallo und Glückwunsch zu eurem gelungenen Konzert!
Comte Caspar(glaubt, das Lob stünde auf dem Fragebogen): Sie haben hier abgelesen, dass das Konzert gut gewesen ist. Wie konnten Sie denn vorher wissen, dass das Konzert gut wird?
Das hat nicht hier draufgestanden. Das hab ich gerade dazugesagt.
Comte Caspar(immernoch ungläubig): Darf ich das mal sehen?
Natürlich.
Comte Caspar(erstaunt): Sie haben Recht.
Max Coppella(ebenso): Tatsächlich, das steht da nicht!
Comte Caspar: Er improvisiert die Fragen!
Ich würde euch doch nicht belügen.
Comte Caspar: Improvisierende Leute, Leute die schlagfertig sind, sind uns immer ein Dorn im Auge, nicht ganz geheuer. Wir sollten uns sehr in Acht nehmen bei dieser Befragung. Wir werden hinters Licht geführt und eigentlich verborgen bleibende Wahrheiten werden hervorgeholt. Wir sollten vorsichtig sein. Bastille, bitte bringe er uns einen Absinth, damit unsere Geister wieder geweckt werden.
Nundenn, zu den Fragen: Ihr seid gewissermaßen ein Kuriosum in der Musiklandschaft. In quasi
kammermusikalischer Besetzung spielt ihr mit Klarinetten, Kontrabass
und Cello Metal-Stücke und covert dabei gar Iron Maiden. Wie seid ihr
auf die Idee gekommen, solche Musik zu machen?
Comte Caspar: Gegenfrage: Wie kommen Sie auf die Idee, dass man anders Musik machen könnte?
Es gibt durchaus noch andere Richtungen der Musik und Ihre ist etwas speziell für die heutigen Tage. Daher möchte ich wissen, wie ihr dazu gekommen seid.
Max Coppella: Nunja, im letzten halben Jahrhundert haben die Menschen angefangen, vermehrt unsere Musik auf Gitarren zu spielen…
Comte Caspar: Wir können bis heute nicht nachvollziehen, wie sie auf diese Idee gekommen sind. Wir haben immer so gespielt und wir werden uns dieser kurzfristigen Mode, die sicherlich bald wieder vorbeigehen wird, nicht anschließen.
Habt ihr eurer Musikrichtung irgendeinen Namen gegeben?
Max Coppella: Wir pflegen es Kammermusik-Core zu nennen. Es gab schon verschiedene andere Versuche, diese Musik zu kategorisieren, aber das ist alles fehlgeschlagen, deshalb blieb es bisher bei…
Comte Caspar: …KammerCore! Ohne „Musik“. Kammermusik-Chor (schüttelt den Kopf) … KammerCore!
Max Coppella: Ja.
Comte Caspar: Er meint KammerCore.
Max Coppella: Diese kleine Verwirrung lässt sich erklären. Wir spielen morgen mit einer Combo gemeinsam, die Kammermusik-Core spielt, und das hat uns sehr verwirrt, denn wir spielen KammerCore, die anderen spielen Kammermusik-Core, da kann man schonmal durcheinander kommen.
Eine Frage die mich beschäftigt seit ich euer kürzlich erschienenes Debut-Album „Time-Zeit“ gehört habe: Warum hat es euer von Iron Maiden entliehenes Stück „Killers“, das ja live zu einem der Lieblingsstücke eures Publikums zählt, nicht auf die CD geschafft?
Comte Caspar: Ich denke, dass Bastille noch etwas geschwächt von seiner jüngst vergangenen schweren Krankheit sehr viel zu tun hatte, die Wirrungen wieder in Ordnung zu bringen, die das Aushilfspersonal verursacht hat und vielleicht war er deswegen abgelenkt und konnte nicht ganz so aufmerksam sein, den Wünschen des Publikums aufrichtig genug Folge zu leisten. Das wird die Sache erklären.
Eure Support-Auftritte für Bands wie Subway to Sally haben euch einige Bekanntheit in der Mittelalter-, Metal- und Gothic-Szene verschafft. Mittlerweile spielt ihr auf verschiedenen Festivals dieser musikalischen Richtungen und auch auf euren Einzelkonzerten sind viele Gäste eben dieser musikalischen „Herkunft“ zu finden. Habt ihr euch die Mittelalter-, Metal- und Gothic-Szene schon zu Anfang als Zielgruppe auserkoren oder hat sich das eher zufällig ergeben?
Comte Caspar: Ganz früher haben wir eher in Opernhäusern und Theatern gespielt, doch heutzutage sind die meisten dieser Stätten ja abgebrannt, darum gibt es nicht mehr so viele Spielgelegenheiten im klassischen Sinne für uns…
Max Coppella: …man muss sagen, dass die großen Theater natürlich Angst haben, Leute wie uns mittlerweile in ihr Repertoire aufzunehmen…
Comte Caspar: …doch dieser Hauch haftet uns immernoch an und zieht scheinbar diese Menschen an, die Sie in gewisse Kategorien einzuordnen suchen, doch sicherlich würden sich diese Menschen selber wehren, in Kategorien gesteckt zu werden.
Max Coppella(über den Untergang der Theater): Man muss dazusagen, dass die ersten Effekte, die man heutzutage bei jedem mit verstärkt spielenden Instrumenten sehen kann, das heißt Explosionen und Flammenwerfer, dass all diese Effekte ja zu Theaterzeiten vor ungefähr 100 bis 200 Jahren entwickelt wurden, dass diese mitunter von uns augetestet wurden, wir gehörten also zu den man würde heute sagen Versuchskaninchen. Dass damals natürlich einiges schief gegangen ist, das dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben und, nunja, dass diese Sachen so schief gegangen sind wie sie schief gegangen sind, das ist natürlich besonders schlimm für die Theater und… ja, der Rest ist Geschichte.
Ein wichtiger Faktor auf einem Coppelius-Konzert ist eure atmosphärische und viel gelobte Bühnenshow. Durch stilechte Kleidung, Interaktion mit dem Publikum, zahlreiche Details, Acessoires und wiederkehrende Elemente nehmt ihr eure Zuschauer mit ins frühe 19. Jahrhundert, aus dem ihr entsprungen seid. Habt ihr Bedenken, dies alles auch dann noch herüberbringen zu können wenn eure Popularität weiter gestiegen ist und ihr in größeren Hallen vor größeren Mengen spielt?
Max Coppella: Wie groß sollen diese Mengen sein?
Zum Beispiel eine vierstellige Besucherzahl.
Comte Caspar: Ich denke, dass es schwierig sein könnte, den für jedes Konzert obligatorischen Rundgang durchs Publikum, den ich mit meiner Klarinette tätige, ausreichend weit zu führen, auch überall im Publikum anzukommen, ohne dass die Funkverbindung meines Tonabnehmers zur galvanischen Verstärkungsanlage abreißt. Wenn die Halle in der wir spielen mehrere hundert Meter groß ist, könnte es passieren, dass ich mich unterwegs verlaufe und dann wurde Butler Bastille mir hinterhergehen um mir Erfrischungen zu servieren auf dem weiten Weg und sich vielleicht auch verlaufen und wir würden uns verlieren. Ich denke, das würde in einem großen Tohuwabohu enden.
Max Coppella: Man muss dazusagen, dass es natürlich nicht das erste Mal wäre, dass wir vor einer vierstelligen Besucherzahl spielen, das ist ja schon vor einigen Jahren passiert, vor einigen zehn Jahren, vor einigen hundert Jahren ist es ebenfalls passiert – man muss bedenken, dass jedes größere Theater über mindestens tausend Sitzplätze verfügt – mit dem Unterschied, dass heutzutage, wo man die Leute, die auf der Bühne stehen, sehen möchte, man natürlich sehr weit nach vorne gehen muss und dadurch, dass alle Leute nach vorne gehen müssen, ein großes Tohuwabohu im Publikum herrscht. Nicht bei uns auf der Bühne, die Bühne wird eher übersichtlicher, weil sie viel größer ist.
Comte Caspar: Tatsächlich habe ich ja festgestellt, dass die Menschen anstatt froh zu sein wenn sie mehr Platz haben, ein wenig Raum um sich herum wo sie sich bewegen können, sich eigentlich erst zu amüsieren beginnen wenn es so eng wird, dass man schon Bedenken kriegen muss, dass sie sich nicht gegenseitig tottreten. Manchmal beginnen sie dann auch sich zu schubsen. Bastille wollte schon einige Male dazwischengehen um Streite zu schlichten, aber dann haben wir mitbekommen, dass die Menschen ihre Freude auf diese Art und Weise ausgedrückt haben. Vielleicht kommt daher die Unsitte, einen Graben zwischen Bühne und Publikum zu setzten, ein Zaun, eine fürchterliche Erfindung… Ich möchte gerne Kontakt zum werten Auditorium haben und nicht einen Schritt über einen metergroßen Graben tun müssen.
Max Coppella: Das ist das einzige was uns wirklich Sorgen bereitet.
Also, euch ist eure Publikumsnähe wichtig?
Comte Caspar: Jawohl.
Max Coppella: Aber nicht zu nahe. Wenn die ganzen Menschen auf die Bühne kommen, könnte es äußert problematisch werde, denn vielleicht treten sie unseren Klarinettenständer um und reißen dem Herrn Grafen seinen Cellostuhl um oder gar dem Herrn Nobusama sein Schlagzeug… Wie sollen wir dann weiterspielen?
Comte Caspar: Vielleicht sind dazu die Gräben…
Eine Frage, die – man mag es nicht glauben – viele Fans sehr interessiert: Wo habt ihr eure tollen Zylinder her?
Comte Caspar: Die Zylinder sind selbstverständlich Sonderanfertigungen. Wir wurden vorhin gerade gefragt, wie hoch unsere Zylinder seien… Wir wissen natürlich nicht genau, wie hoch unsere Zylinder sind, aber man kann sehen, im Unterschied zu diesem Zylinder (blickt auf den Zylinder des Redakteurs) ist dieser (betrachtet seinen eigenen Zylinder) ein wenig höher. Das heißt, es ist eine Sonderanfertigung. Wo wir diese haben anfertigen lassen, werden wir natürlich nicht verraten, wobei wir es natürlich könnten wenn wir wollten.
Max Coppella: … oder wollten wenn wir könnten!
Comte Caspar: Beziehungsweise, manch einer in Coppelius könnte es verraten wenn er wollte, doch wage ich zu zweifeln, dass Herr Max Copella wenn er wollte dazu in der Lage wäre, da er durch mannigfaltige Experimente (räuspert sich und flüstert) …mit Alkohol und berauschenden Mittelchen… (räuspert sich erneut und redet normal weiter) einiges seiner Gedächtnisfähigkeit eingebüßt hat.
Max Coppella: Das mag aber auch daran liegen, dass derjenige, der diese Zylinder hergestellt hat, seit vielen, vielen Jahren nicht mehr im Geschäft ist.
Würdet ihr irgendwann mal ein gemeinsames Stück mit einer anderen Band aufnehmen oder wird es so etwas bei Coppelius nicht geben?
Comte Capar: Wenn diese andere Musikgruppe ohne Gitarren spielt, sehr gern.
Max Coppella: Nichts ist ausgeschlossen.
Comte Caspar: Außer galvanische Klangerzeuger. Tatsächlich gibt es Musikgruppen, die auf der Bühne stehen und es kommt nicht nur die Musik aus der galvanischen Anlage, die da von Menschen auf Instrumenten auf der Bühne gespielt wird, nein, still und heimlich läuft ein Tonband mit! Da fragt man sich, was wird denn noch in echt gespielt und was kommt vom Tonband? Wenn der Geiger wie wild auf der Bühne umherspringt und man denkt sich, wie schafft er es, den Bogen auf der Saite zu halten?, und dann schaut man ihm ganz scharf auf die Finger und sieht: Er spielt ja nur leere Saiten und streicht wie langsam! Aber ein wildes Gefidel dröhnt aus den Lautsprechern. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Und da möchte ich anfügen, dass diese Musikgruppen rapide in ihrem Ansehen bei mir sinken. Dann könnte ja alles vom Band kommen…
Was war das beste Konzert, das ihr, sagen wir mal in den letzten zehn Jahren, gegeben habt?
Comte Caspar: Ich erinnere mich da an eines, es ist allerdings schon über 150 Jahre her…
Max Coppella: … in den letzten zehn Jahren!
Comte Caspar: Herr Coppella wird Auskunft geben.
Max Coppella: Es gab ein Konzert bei einem Festival, welches so besonders toll war, weil die Leute sich darüber gefreut haben, dass sie keinen Eintritt bezahlen mussten. Dieses Konzert war in Stuttgart, vor wenigen Jahren.
Gibt es außerhalb dessen noch irgendwelche Momente in eurer Bandgeschichte, die Erlebnisse in schwarz-weiß mal ausgenommen, die ihr für Coppelius als prägend bezeichnen würdet?
Comte Caspar: Die Galvanisierung der Musik ist ein sehr prägendes Ereignis, denn vorher wurde ja rein akustisch gespielt, man konnte nur kleine Räume beschallen und die Galvanik in Verbindung mit der Musik ermöglicht dauerhaft stromschlagartige Lautstärke. Das hat uns maßgeblich geprägt und unsere Musik verändert. Das ist aber auch schon eine Weile her.
Möchtet ihr zum Schluss unseren Lesern noch etwas sagen?
Comte Caspar: Es ist wichtig, dass man den Butler bei Gesundheit hält, denn haben Sie schonmal selber probiert, ein Hemd durch die Mangel schicken zu lassen von einem ungeübten Personal? Man muss ständig schimpfen…
Max Coppella: Coppelius hilft!
Vielen Dank Coppelius für dieses Interview!
Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de