Über ein Jahr lang wurde das kommende Studioalbum des deutschen Metal-Orchesters Haggard wieder und wieder verschoben. Ende August diesen Jahres ist es nun aber soweit und „Tales of Ithiria“, so der Name der CD, wird endlich erscheinen.
Ein Grund für die wiederholte Verschiebung des Veröffentlichungstermins liegt darin, dass dem Album ein anderes Produktionskonzept zugrunde liegt als seinen Vorgängern. Diese waren Konzeptalben über historische Personen, namentlich über Nostradamus und Galileo Galilei, während „Tales of Ithiria“ auf einer von Haggard-Mastermind Asis Nasseri selbst verfassten Geschichte basiert.
Was es sonst noch über das Album zu wissen gibt, erfahrt ihr in dieser Rezension.
Metal-Sound dröhnt vor der akustischen Wand eines vollwertigen Orchesters, Metal-typischer Growl-Gesang erklingt zusammen mit bombastischen Sopran-Gesängen der klassischen Musik – Unverkennbar ist von Haggard die Rede!
Vier Jahre mussten die Fans dieses mehr als außergewöhnlichen Musikprojektes warten, doch rückt unter dem Namen „Tales of Ithiria“ (auch wenn auf meinem Rezensions-Exemplar beharrlich „Tales from Ithiria“ steht) das nächste Album der Band in greifbare Nähe.
Elf Tracks finden sich auf „Tales of Ithiria“, einer davon ist das Intro, drei sind gesprochene, englischsprachige Handlungsteile der Geschichte von Ithiria. Übrig bleiben also sieben Musikstücke, eines davon, „In des Königs Hallen“, ist ein rein akustisches und instrumentales, nur mit den klassischen und nicht mit modernen Instrumenten eingespieltes Stück. Solche reinen Klassik-Stücke waren auch auf vorhergegangenen Haggard-Alben stets zu finden.
Wer nun bedauert, dass durch Intro, gesprochene Tracks und das rein klassische Stück die Anzahl der Klassik-Metal-Stücke auf sechs reduziert wird, sei getröstet: Auch auf dem neuen Album haben die Klassik-Metal-Stücke die für Haggard typische Länge behalten – Von diesen sechs Stücken sind nur zwei unter sechs Minuten lang und auch diese kommen immerhin noch auf eine Länge von gut über vier Minuten. Eines der Stücke hat sogar eine Länge von über acht Minuten. Aus den sechs Metal-Stücken von Haggard würden andere Bands mitunter gut und gerne zehn machen.
Die Gesamtspielzeit des Albums liegt bei knapp 43 Minuten.
Musikalisch werden sich Haggard-Fans auf dem Album gleich heimisch fühlen. Auf „metallischer“ Seite stehen Schlagzeug, Metal-Instrumente und Growl-Gesang, auf klassischer Seite Piano, allerhand orchestrale Streich-, Zupf- und Blasinstrumente sowie Tenor- und Sopran-Gesang. Vor allem letzterer beeindruckt wieder einmal sehr, auch wenn in dieser Hinsicht das Stück „Eppur Si Muove“ vom gleichnamigen Vorgängeralbum auf „Tales of Ithiria“ ungeschlagen bleibt – was bei Weitem keine Schande ist!
Schon gleich das nach dem Intro erste Stück, „Chapter I – Tales of Ithiria“, begeistert mit einer grandiosen Aufmachung: Klassische Gesangsstimmen eröffnen, die klassischen Instrumente folgen und bestimmten erst einmal das Klangbild. Nach einiger Zeit treten dann die Metal-Instrumente und Asis Nasseris Growl-Gesang hinzu, die von einer herrlich atmosphärischen Fanfare eingeläutet werden. Im Folgenden wagt das Schlagzeug sogar vorsichtige Blastbeats, immer mit der stets passenden, klassischen Untermalung, bevor das Stück dann wieder sehr ruhig wird.
Etwas bedauern kann man, dass sich ruhige Passagen und jene Passagen, die auch von dem offensiveren Gebrauch der Metal-Instrumente geprägt sind, oft immerzu abwechseln – im Vergleich zum Vorgängeralbum ein kleines Manko. Man wünschte sich durchaus mal ein durchgehend härter gehaltenes Stück, um die beeindruckende direkte Konfrontation von hartem Metal und dem wuchtigem Orchester auch mal etwas länger genießen zu können, denn nicht zuletzt der Umgang mit dieser Konfrontation macht Haggard ja so besonders.
Scheinbar erhört wird dieser Wunsch bei „Chapter IV – The Sleeping Child“: Das Lied beginnt und wuchtige Streicher klingen zusammen mit Gitarrensound aus den Boxen. Das Schlagzeug spielt vor orchestraler Untermalung ein treibendes Trommelfeuer und Asis Nasseris Growl-Gesang komplettiert diese kraftvolle, treibende Passage. Doch dann nach knapp 50 Sekunden – Klassischer Gesang. Instrumentale Stille. Haggard können eine solche lebhafte, mit Vortrieb versehene Passage auch länger spielen – machen sie aber nicht. Sehr schade. Wenigstens kehrt der Anfangsteil auch im späteren Verlauf des Stückes noch mehrmals zurück, was die Freunde der energiegeladeneren Momente freuen dürfte.
Auf „Tales of Ithiria“ findet sich auch eine Coverversion, nämlich „Hijo De La Luna“. Dieses Lied über eine spanische Legende ist über die Jahre von verschiedensten Musikern ebenso verschiedenster Musik-Genres neu aufgelegt und interpretiert worden. Die Haggard-Version ist sehr gelungen, auch wenn sich der Bezug von „Hijo De La Luna“ zu Asis Nasseris Geschichte von Ithiria wohl nicht nur mir nicht erschließt, aber es geht ja ohnehin in erster Linie um die Musik.
Sein würdiges Ende findet das im Übrigen erneut deutlich mehrsprachig gehaltene Album mit „Chapter V – The Hidden Sign“. In dem Stück wird es sogar noch einmal etwas flotter und schmissiger.
Zurück bleibt am Ende, kleinen Kritikpunkten zum Trotz, ein durchweg guter Eindruck.
Fazit
Vier Jahre warteten die Fans, in dem letzten, im Hinblick auf das Album von Release-Verschiebungen geprägten Jahr umso mehr – sie taten es nicht umsonst!
„Tales of Ithiria“ ist ein gelungenes Album einer einzigartigen Band. Den Griff zur neuen CD des Metal-Orchesters wird niemand bereuen.
Rezension: Stefan Frühauf, stefan(at)dark-festivals.de