Summoning, das Ambient/Epic-Black-Metal-Duo bestehend aus Richard “Protector” Lederer und Michael “Silenius” Gregor, hat einige Jahre lang nichts von sich hören lassen. Die beiden Österreicher hatten zuletzt 2006 mit “Oath Bound” ein Album veröffentlicht. Nun ist nach sieben Jahren mit “Old Mornings Dawn” endlich ein neues Album von Summoning erschienen.
Grund genug, mit Protector und Lederer ein Interview zu führen. Auf der faulen Haut lagen die beiden Musiker in den letzten Jahren nämlich keineswegs. So überlebte Silenius einen Herzinfarkt und Protector begann schon kurz nach “Oath Bound” an neuen Liedern zu arbeiten.
Diese und weitere Dinge lest ihr nun im Interview.
Hallo Summoning,
mit “Old Mornings Dawn” erscheint in diesen Tagen zum ersten Mal seit 2006 wieder ein Album von euch. Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit wieder aktiv zu werden?
Silenius: Nun, zumindest bei mir hat es schon einige Zeit gedauert, den alten Rost abzulegen und wieder in Schwung zu kommen. Lange Zeit hatte ich überhaupt keinen Plan wie man Summoning weiterführen könnte. Ich hatte auch absolut keine Inspiration und keinerlei Ideen. Später war ich dann mit anderen Projekten wie Kreuzweg Ost beschäftigt und dann kam ein Herzinfarkt dazu, der mich wieder ein halbes Jahr lang vom Komponieren abhielt. Doch mit der Genesung kam auch der Wille, die Band weiterzuführen. In kleinen Schritten begann ich wieder Riffs zu komponieren. Es sollte aber noch immer drei Jahre dauern bis das endgültige Resultat vorlag. Mittlerweile bin ich aber mit dem Resultat vollauf zufrieden.
Muss man sich seinen Status in der heutigen, schnelllebigen Zeit nach so einer langen Abwesenheit wieder ein Stück weit neu erarbeiteten?
Silenius: Wahrscheinlich ist das so. Wir sind jedoch einen anderen Weg gegangen. Ich bin der Meinung, wenn man nichts zu sagen hat sollte man einfach schweigen und nicht versuchen, so wie viele andere krampfhaft im Gespräch zu bleiben nur um in dieser vermeintlich schnelllebigen Zeit nicht in Vergessenheit zu geraten. Im Gegenzug finde ich es durchaus reizvoll für einige Zeit in Vergessenheit zu geraten, dann ist die Wiedersehensfreude um so größer. Und diese Wiedersehensfreude uns gegenüber war in dieser Dichte absolut nicht zu erwarten und wurde sowohl von uns als auch vom Label ein bisschen unterschätzt. Um so dankbarer sind wir jetzt aber auch unseren Fans gegenüber, die unseren Namen in all den Jahren des Schweigens weitergetragen haben.
Wie kann man sich den Entstehungsprozess eines Summoning-Albums vorstellen? Erarbeitet ihr ein neues Album in einem Zug oder eher Stück für Stück mit längeren Schaffenspausen dazwischen?
Protector: Das ist immer verschieden. Meistens gibt es aber gewisse Perioden der Aktivität und dann wieder welche der Passivität. Speziell beim neuen Album gab es unmittelbar nach der Veröffentlichung des Vorgängers von meiner Seite aus eine Welle an neuen Ideen, die zu einigen Songs und Songfragementen geführt haben, welche aber dann nicht zu Ende gebracht werden konnten, weil Silenius wie oben beschrieben lange inaktiv war. Als er wieder fit war kam die nächste Welle. Diese zweiter Periode dauerte fast zwei Jahre und war eine Zeit, in welcher Summoning unsere Leben dominiert hat. Also wenn wir einmal loslegen, dann mit hohem Tempo und ohne viel Pause zwischen den Stücken.
Habt ihr bei “Old Mornings Dawn” etwas bewusst anders gemacht als bei eurem letzten Album “Oath Bound”?
Silenius: Zumindest für mich war der Kompositionsprozess sehr unterschiedlich. Das Komponieren für “Oath Bound” ging noch aus einer gewohnten Routine heraus, während ich bei “Old Mornings Dawn” komplett bei Null anfangen musste. Bei “Oath Bound” komponierte ich die Grundriffs ganzer Lieder, beim neuen Album eine Vielzahl von Riffs, die aber nicht zwingend zusammenpassten. Somit wurde viel verworfen, viel neu komponiert, vieles hin und her geschoben oder umarrangiert. Kurzum alles ging viel experimenteller von statten, dafür hatten wir aber auch mehr Material zur Auswahl. All das war sehr wichtig weil wir Anfangs nicht wussten in welche Richtung das Album gehen sollte. Es sollte sich zwar innerhalb unseres musikalischen Kosmos abspielen, aber keinesfalls eine Kopie eines alten Albums sein, sondern eine Art Neuinterpretation unseres Sounds.
Protector: Im Gegensatz zu Silenius bin ich nicht der Mensch, der immer eine Vision vor Augen braucht. Für mich ist das entscheidende, dass ich beim Komponieren in eine Art Rausch gerate, der mich mehr oder weniger automatisch zu einer großen, vollendeten Komposition führt. Das heißt, dass die meisten Änderungen auf dem Album von meiner Seite aus etwas Spontaneres, Organischers und Ungeplantes sind. Zum Beispiel ist der deutlich andere Gitarrensound kein Produkt einer entscheidenden Idee welche ich mal hatte, sondern ist im Zuge der Arbeiten durch diverse Vorfälle und Entdeckungen entstanden.
Was war die größte Herausforderung im Schaffensprozess von “Old Mornings Dawn”?
Protector: Einen recht großen Teil der Zeit, in der wir am Album gearbeitet haben, wurde für die Gitarren und den mittlerweile direkteren, tieferen Sound verwendet. Durch die erhöhte Mehrstimmigkeit der Dongs gab es immer mehr Melodien im höheren Bereich, was mit der traditionellen hohen Frequenz der Gitarren nicht so ganz getragen hat. Erst durch einen Autoradio-Test von Silenius wurde klar, dass wir eine deutliche Änderung beim Gitarrensound benötigen. Nach zahlreichen Versuchen wurde die Gitarre wie schon beschrieben deutlich direkter, mit weniger hochfrequenten Sounds, was sich als weit ausbalancierter als die ersten Versuche erwiesen hat.
Habt ihr persönliche Lieblingsstücke auf dem neuen Album?
Silenius: Meine momentanen Liebingsstücke sind: Das Titellied, weil es schön episch ist und wahrscheinlich das eingängigste Lied der platte. Außerdem “Of Pale White Morns And Darkness Eves” weil es einen sehr hypnotischen, fast geisterhaften Charakter hat, der mir erst so richtig bewusst wurde nachdem das Lied fertig war. Allerdings können sich meine Präferenzen durchaus auch noch ändern.
Protector: Auch bei mir ändern sich meine Lieblingstitel immer wieder. Derzeit sind es “Caradhras” und “Earthshine”. “Caradhras” weil es besonders komplex aufgebaut ist und speziell rhythmisch sehr viele Details hat, “Earthshine” weil es mir bei der Nummer gelungen ist, bei der stimme wieder (Black)-Metal-Stil und Melodie zu vereinbaren.
Euer Sound ist auch dieses Mal wieder komplex und vielschichtig geworden. Wie viele verschiedene Tonspuren hört man da im Maximum eigentlich gleichzeitig?
Silenius: Auf die Keyboards bezogen gibt gleichzeitig meist zwei ineinander verwobene Hauptmelodien, die in den Vordergrund gemischt werden, meist ein oder zwei Layer-Harmonien, welche die Basis bilden, und manchmal je nach dem wie es passt ein oder zwei so genannte Neben- oder Füllmelodien. Die werden in den Hintergrund gemischt, sodass man sie beim ersten Mal nicht als solche wahrnimmt, sondern sie erst nach vielfachem Hören auffallen oder auch nicht.
Protector: Silenius hat vergessen die tiefe Basslinie zu erwähnen, welche im Gegensatz zu allen anderen Bands meist mit einem Kontrabass-Sound und nicht mit einem E-Bass gespielt wird. Was die Songs ebenfalls vielschichtiger macht sind die Gitarren, welche nicht wie im Metal üblich einfach nur glatte Powerchords spielen, sondern meist zweistimmig sind und bei jedem Akkordwechsel andere Harmonien beinhalten.
Viele eurer Fans halten euer letztes Album “Oath Bound” für euer bestes. Macht euch das vor der Veröffentlichung des Nachfolgers einen gewissen Druck? Beispielsweise dahingehend ob man den Erwartungen gerecht werden beziehungsweise an frühere Erfolge anknüpfen kann…
Silenius: Natürlich ist der Druck enorm. Nicht so sehr wegen “Oath Bound”, sondern allgemein. Nach einer gewissen Anzahl von Alben neigt man ganz automatisch dazu entweder in eine gewisse Routine zu verfallen oder sich selbst zu sehr zu imitieren. Das war ja auch ein Grund warum ich lange Zeit ziemlich orientierungslos war und keinen Plan hatte, wie man an “Oath Bound” anknüpfen sollte. Das dümmste was man in so einer Situation machen kann ist krampfhaft zu versuchen Hits wie “Land Of The Dead” oder “Mirdautas Vras” toppen zu wollen oder zu kopieren. Das geht so gut wie immer in die Hose. Die einzige Möglichkeit ist, sich geistig völlig frei zu machen und ohne jede Erwartungshaltung einfach darauflos zu komponieren. Das impliziert zwar nicht automatisch einen Erfolg, hilft aber enorm in einen kompositorischen Fluss zu kommen, der am Ende auch inspirierend sein kann.
Schon vor vielen Jahren hatte eure Musik Bezüge zu Tolkiens Herr der Ringe. Auf “Old Mornings Dawn” knüpft ihr erneut an Herr der Ringe an, indem ihr das erste Stück des Albums auf Elbisch umgesetzt habt. Was haltet ihr als große Fans der Buchreihe eigentlich von den Filmen? Findet ihr es gut, dass der Stoff in die Breite getragen wird oder seht ihr eine Verwässerung der Romanvorlage?
Silenius: Die Filme und die Bücher sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Es war meines Erachtens vollkommen richtig von Peter Jackson, seine eigene Vision umzusetzen und sich nicht sklavisch an die Bücher zu halten, was viele Tolkien-Jünger ihm vorwerfen. Beide Medien erfordern eine völlig unterschiedliche Art von Dramaturgie und demzufolge verzeihe ich dem Regisseur sämtliche künstlerische Freiheiten. Und wenn man die Filme nun als großes Hollywood-Kino betrachtet und nicht als eigenständiges Kunstwerk wie die Bücher, gibt es an den Filmen eigentlich nichts zu meckern.
Stichwort Film: Eure Musik ist ja sehr episch beziehungsweise hymnisch ausgelegt. Könntet ihr euch vorstellen, eure eigene Musik mal für einen Monumental- oder Fantasy-Film zur Verfügung zu stellen?
Protector: Summoning ist für uns eine Band, die aus dem Black Metal kommt. Dazu gehört auch, dass wir uns als Band und nicht irgendwelche Soundproducer sehen. Wir sind stolz darauf, in unserem eigenen Studio machen zu können was wir wollen und frei von jedem Zwang zu sein. Wir wollen liebernicht zu einem Teil einer Art von Musikindustrie werden.
Dass eine Band heutzutage nicht live auftritt, wird mitunter als Makel empfunden. Haben eure Fans mittlerweile akzeptiert, dass ihr ein reines Studioprojekt seid, oder bekommt ihr immer noch Anfragen nach dem Motto “tretet doch mal auf”?
Protector: Ja, ich hoffe, dass die Fans es nach all den Jahren akzeptiert haben. Ich muss aber nochmal betonen, dass die Fähigkeit gute Songs zu schreiben und die Fähigkeit eine gute Live-Performance zu liefern zwei verschiedene Fähigkeiten sind. Die müssen nicht zwingend beide auf eine Band zutreffen und ganz gewiss trifft letztere Fähigkeit nicht auf Summoning zu. Ich weiß, dass in diversen Metal-Magazinen immer wieder die Frage an Bands herangetragen wurde, welche musikalischen Helden sie vor dem Spiegel imitiert haben. Ich könnte auf so eine Frage nur ganz ehrlich antworten: Niemanden! Das heißt, dass ich kaum jemals einen Gedanken daran verschwendet habe, wie ich auf irgend einer Bühne wirken könnte beziehungsweise wie ich mich beim Musik machen bewegen sollte.
Euer ungewöhnlicher Sound lässt kaum Vergleiche zu anderen Bands zu. Gibt es trotzdem auch Bands, die euch musikalisch beeinflusst haben oder an denen ihr euch orientieren konntet?
Silenius: Selbstverständlich. Als Teenager habe ich ja viele Jahre nur Metal gehört und zwar von Melodic Metal bis Death Metal quer durch den Gemüsegarten. Wirklich beeinflusst haben mich dann vor allem aber zwei Bands, nämlich Bathory und Burzum, die auch tausende andere Black-Metal-Bands seit Anfang der 90er beeinflusst haben. Früher habe ich auch sehr gerne Candlemass, Cirith Ungohl und die englische Psychedelic-Thrash-Band Sacrilege gehört um nur einige zu nennen.
Ihr habt bereits angekündigt, nach „Old Mornings Dawn“ wieder für längere Zeit von der Bildfläche zu verschwinden. Wird es wieder sieben Jahre bis zum nächsten Summoning-Album dauern?
Silenius: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Im Augenblick sind wir noch sehr lebendig. Nach der Promotionarbeit, die uns jetzt beschäftigt, wollen wir die noch unveröffentlichten Lieder der “Old Mornings Dawn”-Session vervollständigen und irgendwann im nächsten Jahres als LP veröffentlichen. Wie es dann weitergeht steht noch nicht fest. Dass es eine längere Pause geben wird ist aber sicher.
Die letzten Zeilen gehören euch. Wenn ihr möchtet könnt ihr noch ein Wort an die Leser richten oder sagen, was euch auf dem Herzen liegt.
Silenius: Unser größter Dank gilt all jenen Fans, die unseren Namen in all den Jahren der Abwesenheit durch aktive Mundpropaganda weitergetragen haben. Da wir ja nicht live spielen, keine Videoclips produzieren und auch in den Social-Media-Networks eher schweigsam agieren, haben wir nicht viele Möglichkeiten Werbung für uns zu machen. Somit ist es umso beeindruckender, dass uns offenbar eine große Anzahl an Fans treu geblieben ist.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
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