Dornenreich – Freiheit

Dass die österreichische Dark/Black-Metal-Band Dornenreich nach ihrem erfolgreichen Album „Flammentriebe“ wieder mehr in die akustische Richtung gehen wollte, war bereits seit langem angekündigt. Auch „Freiheit“ als Titel für das neue Album stand schon lange fest.

Was genau man aber mit „Freiheit“ zu erwarten hat, blieb immer offen. Zunächst deutete alles auf eine konsequente Fortsetzung des rein akustischen „In Luft geritzt“ von 2008 hin. Herausgekommen ist nun ein Album, das zum großen Teil auf ein starkes akustisches Fundament setzt, dann aber mit elektrisch verstärkten Instrumenten einen Bogen zurück zum Metal schlägt. Erscheinen wird „Freiheit“ am 2. Mai.

dornenreich - freiheit
Wenn alle paar Jahre ein Album von Dornenreich auf meinem Tisch liegt, dann weiß ich kaum, womit ich in meiner Rezension anfangen soll. Die Werke der Band sind hochkomplex und haben zahlreiche Aspekte, die für sich genommen und teils auch in ihrem Kontext untereinander erwähnenswert sind.

Bei dem gut 47 Minuten langen Album „Freiheit“ fallen mir zunächst die Analogien zwischen seinem Konzept, seiner Entstehung und seinem Aufbau auf. Diesen drei Dingen liegt nämlich vor allem eines zugrunde: Eine Entwicklung. Vom Konzept her beschreibt „Freiheit“ die Entwicklung eines Menschen vom kindlichen Sein hin zur erwachsenen Bewusstwerdung.

Auch die Entstehung des Albums ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Zuerst sah es so aus, als ob es wie „In Luft geritzt“ ein rein akustisches Album werden würde. Dornenreich-Mastermind Jochen Stock hielt das im Interview 2011 noch für möglich und bezeichnete akustische Instrumente als Dornenreichs „Weg in die Zukunft“.

Nun ist „Freiheit“ zwar zu großen Teilen akustisch geworden, bringt dann aber doch noch elektronische Verstärkung mit ein. Die ist auf dem Album aber nicht überall gleich verteilt, womit wir zum Aufbau der CD kommen. Die ersten drei Lieder sind komplett akustisch, sodass „Freiheit“ zunächst tatsächlich wie ein zweites „In Luft geritzt“ wirkt. Mit dem vierten Lied „Das Licht vertraut der Nacht“ lassen Dornenreich dann aber ein Lied mit offensiver E-Gitarre und verzerrtem Gesang hören – das wohl einzige wirkliche Metal-Stück des Albums.

Hiernach folgen drei semi-akustische Stücke, die im Grunde genommen akustisch sind, aber – ohne dass man es Metal nennen würde – phasenweise durch die E-Gitarre verstärkt werden. Seinen Abschluss findet „Freiheit“ schließlich in einem über acht Minuten langen, akustischen Instrumentalstück.

Dieser Aufbau von „Freiheit“ mit seinen klar voneinander abgegrenzten akustischen und semi-akustischen Teilen spiegelt das eine Entwicklung erzählende Konzept des Albums wieder. Trotz der Tatsache, dass „Freiheit“ mit den elektrisch verstärkten Teilen eben kein zweites „In Luft geritzt“ geworden ist, ist es in erster Linie dennoch als Akustik-Album zu begreifen.

Das ist was seine rein akustischen Lieder angeht, relativ spartanisch umgesetzt. Zu hören sind Akustikgitarre, Geige und Gesang – bis hierher also wie auf „In Luft geritzt“. Bei dieser bewusst sparsamen Inszenierung bleibt es in den akustischen Stücken auch, wenn da in „Des Meeres Atem“ ein Wellenrauschen eingesampelt wird ist das schon die Ausnahme. Dass akustisch aber nicht immer still und leise heißt, das wissen Fans von Dornenreich bereits. So haben auch die nicht elektrisch verstärkten Lieder mitunter wilde Geigen- und Gitarreneinsätze und warten durchaus mit überraschenden Wendungen auf.

Bei den Liedern, die auch E-Gitarre enthalten, werden diese Attribute des akustischen Werks nicht durch die elektronische Verstärkung verdrängt, sondern allenfalls ergänzt. Auch „Das Licht vertraut der Nacht“ als dem Metal am nächsten stehendes Stück bleibt von seinem Härtegrad her moderat und stellt die akustische Ausrichtung des Albums nicht in Frage.

Ob nun ganz akustisch oder semi-akustisch mit E-Gitarre: Die Umsetzung von „Freiheit“ ist zu jeder Zeit gelungen. Zu einem breiten gesanglichen Spektrum von Flüstern bis Keifen gesellt sich ein überraschender, wandlungsfähiger Sound irgendwo zwischen avantgardistischer Folklore, Weltmusik und kurzen Metal-Einflusspunkten. In diesem Klangbild gibt es viel zu entdecken, vom großen Ganzen bis hin zu einzelnen Elementen wie spektakulärem Riffing („Aus Mut gewirkt“) oder tollen Instrumentalpassagen („Im Fluss die Flammen“).

Das Ergebnis lädt in jedem Fall dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen – wie auch auf den Metal-Alben der Band. Hieran haben auch die für Dornenreich typischen, sehr offen gehaltenen deutschsprachigen Texte ihren Anteil. Um die zu beschreiben, besieht man sich am besten den Bandnamen. Dornenreich, was heißt das? Ist jemand beziehungsweise etwas reich an Dornen – also reich wie arm? Oder ist es das Reich der Dornen – also reich wie Königreich? Niemand kann es sagen, denn es gibt kein richtig und kein falsch, keine eine korrekte Herangehensweise – genau so wie auch bei den Liedtexten der Band.

Insgesamt ist „Freiheit“ ein Album, das klanglich klar mit dem Vorgänger „Flammentriebe“ bricht, dennoch aber in vielen Belangen typisch für Dornenreich ist. Metal-Alben wie „Her von welken Nächten“ oder „Flammentriebe“ mögen eine noch etwas höhere Intensität haben als das semi-akustische „Freiheit“ oder eine höhere musikalische Bandbreite abdecken. „Freiheit“ ist jedoch ebenso komplex wie die Metal-Alben und bietet Raum für viele Entdeckungen – ein Album, passend in den Kanon der Dornenreich-Werke.

Fazit

Ein vielschichtiges, hochwertiges Album.

Punkte: 8.5 / 10

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de