Wave Gotik Treffen 2015 – Festivalbericht

Das 24. Wave Gotik Treffen in Leipzig startete unter keinen guten Vorzeichen: Die Kitas streikten, die Bahn streikte, in Leipzig gab es viele Baustellen und auch die Wetteraussichten waren nicht so sonnig wie im vergangenen Jahr.

Doch dies hielt keine der tausenden schwarzen Gestalten davon ab, auch dieses Jahr wieder nach Leipzig zu pilgern und die Stadt über das lange Pfingstwochenende hinweg in Besitz zu nehmen. Egal ob aus allen Teilen Deutschlands, aus sämtlichen europäischen Ländern oder gar aus Amerika: Leipzig rief und alle kamen! Einen Rückblick auf das diesjährige WGT gibt es in diesem Bericht.

Fotolinks: Teil 1 (21. bis 23. Mai) / Teil 2 (24. und 25. Mai)

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Wave Gotik Treffen

Das befürchtete Anreisechaos am Donnerstag blieb trotz nicht fahrender Fernzüge, überfüllter Gernbusse und der gesperrten Tramhaltestelle an der Agra-Halle aus. Dank frühzeitiger Ankündigung der Baustelle und großem Publikmachen an den Haltestellen der Stadt gab es kaum verwunderte Gesichter darüber, dass man dieses Mal eine Station früher aussteigen musste.

Wer nach der Anreise und gegebenenfalls dem Zeltaufbau noch nicht zu erschöpft war, konnte sich am Donnerstag auf einer der vielen Eröffnungspartys schon einmal warm tanzen. Gemeinsam getanzt und gelacht wurde unter anderem in der Moritzbastei, der Agra 4.2 oder dem Dark Flower.

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DJ-Pult in der Agra 4.2

Die ganze Nacht über kamen viele weitere vollgepackte Autos und Bahnen an und entluden Feier- und Zeltwillige an der Agra. Trotz des Zustroms konnte man aber auch über den ganzen Freitag hinweg noch genügend freie Zeltmöglichkeiten finden ohne sich dabei beengt zu fühlen.

Auf dem Agragelände blieb am Freitag insgesamt erstaunlich ruhig. Das lag wohl vor allem daran, dass sich viele hundert WGT-Besucher in den Clara-Zetkin-Park zum Viktorianischen Picknick begaben.

Dort konnte man den ganzen Nachmittag über wunderschöne viktorianische Kleider bewundern, die zum großen Teil in mühsamer Arbeit von ihren Trägerinnen eigens zu diesem Anlass hergestellt worden waren. Neben den gewandeten Personen und anderen WGT-Besuchern lockte das Viktorianische Picknick dabei erneut auch viele schaulustige Leipziger an, die sich mit den Picknickern ablichten lassen wollten.

Zum ersten Mal gab es neben dem Picknick auch Viona’s Victorian Village. Die Initiatorin reagierte damit auf das große Aufgebot an privaten und professionellen Paparazzi, die in den vergangenen Jahren das Picknick überschwemmt haben. Auch ein zweigeteiltes Picknick im vergangen Jahr mit eigens abgesperrtem Bereich, in dem nicht fotografiert werden durfte, hielt viele nicht auf.

Dementsprechend hoch waren auch die Einlasskriterien und Fotobedingungen im Village. Ob sich diese „Gegen“veranstaltung aber auf Dauer durchsetzen wird ist fraglich, da sich viele der dort Anwesenden sehr kritisch darüber äußerten. Andere blieben dem Victoran Village bewusst mit der Begründung fern, dass man dadurch mehr verlieren als gewinnen werde.

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Viktorianisches Picknick

Wer keine Lust auf ein Picknick hatte, konnte sich zum Beispiel auf der Ausstellung „Morbinde Kunst und verwunschene Orte“ in der Leipziger Kunstgalerie die Zeit vertreiben. Außerdem luden zahlreiche Lesungen von unter anderem Alexander Kaschte und Lydia Benecke in den Kulturhafen Riverboat ein.

Ab 17 Uhr wurden die Tore zu den Konzerthallen geöffnet. Den Anfang machten Rabbit at War im Kohlrabizirkus dicht gefolgt von L’Âme Immortelle in der Agra. Dort gaben die vier Österreicher vor gut besuchtem Haus Songs aus verschiedensten Alben zum Besten und verzauberten so das Publikum.

Weiter in der Agra ging es mit Blutengel. Chris Pohl und Ulrike Goldmann zeigten sich mit der Bühnenshow der aktuellen Tournee zu ihrem Album „Omen“ (CD-Rezension). Neben imposantem Gesang und eingängigen Texten gab es dabei auch wieder eine schön anzusehende Bühnenshow zu bewundern.

Mit zeitlicher Verzögerung starteten auch Deine Lakaien vor einer vollen Agra-Halle einen Auftritt, der alle in seinen Bann zog. Der angesetzte Zeitplan wurde mit vier Zugaben zwar maßlos überzogen, aber das wurde bejubelt und ganz offensichtlich von vielen Zuschauern befürwortet.

Etwa 20 Minuten nach der geplanten Zeit betraten dann Eisbrecher als Headliner des Abends die Bühne. Mit ihrem aktuellen Album „Schock“ (CD-Rezension) waren sie deutlich härter als die vorherigen Bands. Das tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch, sowohl zu neuen wie auch zu alten Liedern wurde gefeiert was die Kondition hergab. Wer danach noch nicht genug hatte, konnte den Abend auf einer der vielen Parties ausklingen lassen.

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Eisbrecher

Der Samstag begann deutlich bewölkter als der Vortag, das hatte auf die gute Laune der WGT-Besucher aber keinen Einfluss. Es wurde fröhlich weiter gefeiert oder sich mit Gleichgesinnten getroffen. Viele nutzten den Vormittag auch für ausgiebiges Shopping. Dazu hab es im heidnischen Dorf, der Agra oder auch in der Leipziger Innenstadt genug Gelegenheiten.

Alternativ konnte man sich auch auf einer der offiziellen Autogrammstunden eine Unterschrift oder ein Foto mit seinen Lieblingskünstlern sichern. Außerdem fand auch das vierte Steampunk Picknick statt, dieses Mal allerdings im Palmgarten. Es war zwar nicht so gut besucht wie das Viktorianische Picknick am Tag zuvor, kann aber trotzdem als Erfolg angesehen werden.

Neben selbst hergestellten, futuristisch wirkenden Outfits gab es dort auch ein Buffet, bei dem jeder mitgebrachte Speisen abstellen oder sich bedienen konnte. Das Angebot reichte von einfachen Knabbereien bis hin zur aufwendig modellierten Zylindertorte. Schaulustige gab es auch hier, doch nicht annähernd so viele wie beim Viktorianischen Picknick.

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Buffet beim Steampunk Picknick

Am frühen Abend wurden dann auch wieder die Konzerthallen geöffnet. Diese füllten sich aber nur schleppend, da viele WGT-Besucher noch auf anderen Veranstaltungen waren. Einer der Headliner am Samstag waren Front 242. Die Band, die zu den ältesten Vertretern im Elektronik-Umfeld zählt, brachte die Besucher in der Agra mit Vergnügen zum Feiern.

Ein weiteres Highlight war auch dieses Mal die Obsession Bizarr. Diese zog wieder allerlei Freunde und Anhänger diverser Fetische an, die bei Vorführungen und Shows gemeinsam feierten.

Am Sonntag waren alle Geschäfte in der Innenstadt geschlossen. Was also tun außer ausschlafen? Man konnte auf eines der vielen (Community) Treffen gehen, die im Rahmen des WGT abgehalten wurden. Zur Auswahl standen auch die Oper, Kunstausstellungen oder weitere Veranstaltungen, zu denen man mit dem WGT-Bändchen freien Eintritt hatte. Genau dieses vielfältige Rahmenprogramm ist einer der Faktoren, die das WGT so einzigartig machen.

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Bilderausstellung

Abends konnte man in der Agra zu Goethes Erben mit Weltpremieren neuer Songs oder auch alten Ohrwürmern auf eine musikalische Reise gehen. Alternativ zur Agra gab es zum Beispiel im Täubchental die elektronische Dröhnung mit Unterschicht oder Centhron. Härtere Klänge wie die von Eisregen gab es im Felsenkeller.

London After Midnight nutzten unterdessen ihren Auftritt in der Agra, um ein neues Album anzukündigen. Mono Inc. hatten ihr neues Album „Terlingua“ (CD-Rezension) dagegen schon fertig im Gepäck. So stellten die Hamburger in Leipzig ihr neues Programm vor, mit dem sie nun quer durch die Republik touren.

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Mono Inc.

Am Montag herrschte allgemeine Aufbruchstimmung. Die Zelte wurden abgebaut und diverses Gepäck in Autos oder mühsam schließenden Koffern verstaut. Viele gingen in der Agra noch auf Schnäppchenjagt bevor die letzten Konzerte des 24. Wave Gotik Treffens anstanden. Angesichts des bewölkten Wetters nutzten viele Besucher den Nachmittag auch für einen Besuch in der Oper oder einer Ausstellung.

Pünktlich zum Einlass in die Konzerthalle öffnete dann auch der Himmel seine Schleusen und machte die Besucher mal mehr und mal weniger nass. Doch egal ob man den letzten Abend trocken mit Combichrist in der Agra, Eluveitie im Kohlrabizirkus oder leicht durchnässt mit Haggard im heidnischen Dorf verbrachte, die Stimmung war ungebrochen gut. Die Tanzhallen waren zwar deutlich leerer als die Tage zuvor, ein harter Kern feierte aber auch dort noch als gäbe es kein morgen.

Am frühen Dienstagmorgen war das 24. WGT dann endgültig vorüber – wieder eine unvergessliche Veranstaltung mit Fans aus aller Herren Länder.

Abschließend noch einige Diskussionspunkte zum WGT: Vielerorts (nicht nur beim Picknick) wurde sich über die „Paparazzi Knipser“ aufgeregt, die ungefragt und in jeder Situation Bilder der Besucher machten. Dabei machte es keinen Unterschied, ob es sich um „Profis“ handelte, die einfach mit einem Teleobjektiv darufhielten, oder um Schaulustige, die mit Digicam oder Smartphone wild um sich knipsten. Die gute Erziehung ließen viele sehr vermissen.

Heiß diskutiert wurden auch die erneuten Bebauungspläne für das Agragelände und das Wegfallen der Parkbühne und des Kinos. Als schade wurde auf der Wegfall des Mitternachtsspezials in der Agra-Halle empfunden.

Die offizielle Aussage der Veranstalter über die Besucherzahl des 24. Wave Gotik Treffens lautet:

„Das 24.WGT hatte 21000 Besucher, dazu waren noch einmal rund 10000 Tagesgäste auf den beiden Mittelaltermärkten des WGT, die auch mit separaten Tageskarten zugänglich waren. 220 Bands und Künstler traten an rund 50 Veranstaltungsorten auf, verteilt über ganz Leipzig.
Alles verlieft erneut entspannt und friedlich, es gab keinerlei unangenehme Zwischenfälle. Ein Höhepunkt war erneut des Viktorianische Picknick zum Auftakt im Clara.-Zetkin-Park, wo sich auf den Wiesen geschätzte 3000 Leute in historischer oder zumindest festlicher Bekleidung trafen. Neben Konzerten großer Szenebands wie Deine Lakaien, Fields of the Nephilim oder Front 242 waren auch die Auftritte weniger bekannter Gruppen überwiegend sehr gut besucht, was erneut zeigt, daß viele Besucher auch offen sind für musikalischen Neuentdeckungen. Auch das kulturelle Programm wurde wieder sehr gut angenommen, so etwa Führungen auf dem Südfriedhof und in Museen, klassische Konzerte, Lesungen und Vorträge.

Nun beginnen bereits erste Vorbereitungen zum 25. WGT-Jubiläum im nächsten Jahr, wo es besondere Programmpunkte geben wird um ein Vierteljahrhundert Wave-Gotik-Treffen gebührend zu feiern.“ 

 

Bericht: Sven Bähr, Sven(at)dark-festivals.de