Wacken Open Air 2017 – Festivalbericht

Seit 28 Jahren ist Schleswig-Holstein ein Mal pro Jahr der Nabel des Metal-Universums. Fans der harten und härtesten Rockmusik pilgern in den kleinen Ort Wacken, dessen gastfreundliche Einwohner die Festivalbesucher zum Wacken Open Air Willkommen heißen. Am frühen Sonntagmorgen endete das weltgrößte Heavy-Metal-Festival, das auch 2017 wieder einige Superlativen aufbot.

Für Stimmung sorgten vom 2. bis zum 5. August unter anderem Headliner wie Alice Cooper, Amon Amarth oder Marilyn Manson, Rock-Urgesteine wie Status Quo, Punk-Vveteranen wie UK Subs oder Newcomer wie Jet Jaguar.

Ausverkauft meldete das Wacken Open Air dieses mal aber erst Ende Juni und damit relativ spät. Das hatte aber weniger mit den spielenden Bands, sondern mit dem Anstieg des Ticketpreises von 190 € auf 220 € zu tun. Die Erhöhung wurde von den Wacken-Organisatoren durch nötige Verbesserungen der Infrastruktur (Dusch-Camps, Entwässerungsmaßnahmen und Müllentsorgung) begründet.

Dieser Bericht blickt auf Wacken 2017 zurück.

Fotolinks: Teil 1 (2. und 3. August) / Teil 2 (4. und 5. August)

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Wacken Open Air

Tag 1 – Mittwoch, der 2. August

Obwohl der Mittwoch als Start des Festivals gilt, reisten viele der 75.000 Besucher aus über 80 Nationen schon ab Montag in die norddeutsche Provinz. Darunter waren Fans aus Indonesien, Belize und Südamerika. Kein Wunder also, dass Veranstalter Thomas Jensen hier von den „United Nations of Metal“ spricht. Ihre 1.800 Gastgeber des Wacken Teams mit 5.000 Helfern, Rettungsdiensten und Polizei erwarten die überwiegend schwarz gekleideten Fans bereits. Bei nahezu trockenem Wetter füllten sich die Zeltplätze schnell. Durch sie verwandelte sich Wacken für vier Tage wieder in die drittgrößte Kleinstadt Schleswig-Holsteins.

Bereits startklar waren auch die fünf kleineren Open-Air- und Zeltbühnen. Im Infield wurde dagegen noch fleißig an den Bühnen geschraubt. Die drei großen Bühnen „Faster, Harder, Louder“ (ehemals bekannt als „Black, True und Party“) wurden mit größeren Lautsprechern und ausgefeilter Technik ausgestattet. Auftreten würden insgesamt 150 Bands aus aller Welt. Die Wacken-App zeigte sich daher als nützliches Hilfsmittel, mit dem man bestenfalls keinen Auftritt seiner Favoriten verpasste. Frühaufsteher konnten bereits um 11 Uhr das Konzert von Detraktor verfolgen, dem Gewinner des Metal Battle Deutschland.

Schlag auf Schlag ging es weiter von allen Spielarten des Metal über Crossover, Mittelalter und Folk bis hin zu Punk und Alternative. Mit „im Pott“ waren wie immer auch die W.O.A.-Firefighters. Dabei handelt es sich um die Blaskapelle der Wackener Feuerwehr, die seit 1990 fester Bestandteil der Kultveranstaltung ist. Dieses Jahr zog die Truppe mit Gastmusikern und einem Metal-Medley wieder massenhaft Publikum vor die Bühne.

Eine Besonderheit bot an diesem Tag auch die Gothic-Metal-Band Aeverium mit einem Konzert in der ortseigenen Backsteinkirche. Die kleine „Metal-Church“ bebte unter den ungewohnt harten, symphonischen Klängen. Die Musik gefiel auch einer 73jährigen Anwohnerin, der es lediglich etwas zu laut war. Sie steht voll hinter der Veranstaltung, sieht das Wacken Open Air als völkerverbindendes Festival und freut sich, dass sich so viele Besucher in ihrem Ort wohl fühlen.

Auf der Wackinger Stage stellte unterdessen die sechsköpfige Mittelalter-Band Irdorath fantasievollen Akustik-Folk aus Weißrussland vor. Zwei Schlagzeuge, ein pulsierender Bass und teilweise auch Kehlkopfgesang sorgten für Drive und Power. Ohne Mühe gelang es später den Boomtown Rats, das Bullhead Circus Zelt zu füllen und die Menschen mit ihrem populären rotzig-rockigem New-Wave zu unterhalten. Die alten Hits sorgten für Stimmung, die Ansagen des Frontmannes Bob Geldorf aber irritieren.

Musikalischer Szenenwechsel: Die Reimschmiede Versengold kochte zu später Stunde mit flotten Folkrhythmen und aberwitzigen Texten auch hartgesottene Dark-Waver weich. Den Fans der härteren Gangart heizte die kanadische Trash-Metal-Band Annihilator am Abend noch gewaltig ein und ließ auf ihren Gitarren einen Riff nach dem nächsten los.

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Annihilator

 

Tag 2 – Donnerstag, der 3. August

Der erste vollwertige Wacken-Tag – und es schüttete auf das 280 Hektar große Festivalgelände. Ein Vergleich zeigt: Die Münchener Oktoberfestwiese passt exakt 6,66 Mal darauf. Und beim Umrunden des 45 Kilometer langen Bauzauns lässt sich prima für einen Marathon trainieren. Auf die Neu-Wackener aber warteten andere Wege. Die Festivalbesucher zogen vom weitläufigen Campingplatz los, den “Holy Ground” zu erobern.

Bestenfalls waren sie mit den entsprechenden Geländeplänen und Gummistiefeln ausgestattet. Denn pünktlich zum offiziellen Beginn am Donnerstag öffnete der Himmel über der Festivalstadt immer wieder seine Schleusen. Aus grünen Wiesen wurde so schnell brauner Matsch, den man an den unmöglichsten Stellen der Kleidung und an sich selbst wiederfinden konnte. Die Besucher trugen die Folgen aber gelassen und überwiegend gut gelaunt. Manche hatten zum Vergnügen der Zuschauer sogar Spaß an einer Schlammschlacht.

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Den Schlamm nahmen die Festivalbesucher gelassen

Die allseits zugegenen Handykameras zeichneten dabei alles auf. Obwohl auf Wacken Matsch und Heavy Metal untrennbar zueinander gehören, bemerkten alte Wacken-Veteranen doch sehr schnell die Verbesserungen im Vergleich zu den Vorjahren. Die Wege auf dem Gelände waren nun befestigt, diverse kleine Gräben (die einen früher teils bis zu den Knien einsinken ließen) waren nicht mehr vorhanden oder stark verkleinert worden. Auch die Hauptwege auf dem Campinggelände waren mit Stahlplatten ausgelegt und verstärkt worden.

Dabei waren die Besucher über jede kleine Verbesserung der Wege dankbar, da zwischen dem Wacken Plaza mit seinen diversen Aktivitäten, dem Wackinger Village sowie dem Infield-Bereich mit den großen Bühnen einige Kilometer liegen. Und die langen Wege machen durstig. Geschätzte 400.000 Liter Bier ließen sich die Besucher der viertägigen Hardrocksause schmecken. Trinkwasser gab es an vielen Stellen kostenlos. Die Sicherheitsbestimmung erlaubten auf dem Festivalgelände nur die turnbeutelartigen Full Metal Bags, die es inklusive faltbarer Trinkflasche, Kondom und Blasenpflaster zum Ticket gab.

Dieses Jahr fand auch wieder das Metal Battle statt. Aus 25 Finalisten den Metal Battle Gewinner zu küren, war keine leichte Aufgabe für die Jury. Ihre Wahl fiel auf Jet Jaguar aus Mexico, die mit ihrem geradlinigen, modern aufgemachten Heavy Metal einen überzeugenden Auftritt hinlegten. Platz 2 ging an E-An-Na aus Rumänien und auf Platz 3 landeten Inferum aus den Niederlanden.

Das Hauptaugenmerk der meisten Festivalbesucher lag aber natürlich auf dem Infield mit seinen riesigen Hauptbühnen. Der Run, um dort die begehrten Plätze in den ersten Reihen zu ergattern, startete um 14 Uhr. Eine Stunde später öffnete die riesige Faster-Stage und Wacken-Videoblogger Harry Metal kündigte die Wacken-Urgesteine Skyline an. Routiniert und mit viel Spielfreude coverten diese unvergängliche Hall-of-Fame-Evergreens – auch wenn Wacken-Organisator Jensen dabei nicht mehr die Saiten des Tieftöners zupft. Einen Kurzauftritt von Metal-Queen Doro Pesch gabs es obendrauf. Diese performte zusammen mit Skyline im strömenden Regen einige ihrer größten Hits, die begeistert von den Fans mitgesungen wurden.

Ortswechsel zum Mittelaltergelände: Auf der Wackinger Stage spielten unterdessen bereits Fuchsteufelwild. Die Minnemusiker rund um Bastian Brenner (ehemals Feuerschwanz und Saltatio Mortis) boten eine bunte Mischung aus rockiger Weltmusik mit Zutaten aus Balkan-Folk, bayerischer Blasmusik oder auch einem Schuss HipHop.

Zurück im Infield führte kein Weg an den Schweden von Europe vorbei. Deren „Final Countdown“ gehört zu den unvergesslichen Rock-Klassikern. Gleich nebenan auf der Harder-Bühne waren Status Quo zu sehen. Sie traten auf Wacken erstmals ohne Rick Parfitt auf, dessen Tod Ende 2016 die Fans schockiert hatte. Es musste ohne ihn gehen, sind die Briten doch seit 45 Jahren eine absolute Liveband. Und so sang Francis Rossi eben die Quo-typischen Rocksongs, ohne Allüren, kühl und manchmal mit einem Lächeln.

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Accept

Mit dem ersten Festival-Headliner stand auch die erste Premiere auf dem diesjährigen Wacken Open Air an. Die deutschen Metal-Legenden Accept spielten auf und enthüllten nach einigen Songs die Musiker eines tschechisches Orchesters. Gemeinsam boten sie die altbekannten Accept-Songs als gewaltige symphonische Hymnen dar. Das Konzept ging voll auf: Die sauberen Klänge beeindruckten und erzeugten Gänsehaut – vor der passenden Kulisse eines romantischen Sonnenuntergangs. Neues auf die Ohren gab es außerdem mit Liedern des brandneuen Albums “The Rise Of Chaos”.

Den Donnerstag ausklingen ließen auf der mittelalterlichen Seite die Könige der Spielleute, Corvus Corax, mit ihren hypnotischen Dudelsackklängen. Im Rock-Bereich übernahmen das Volbeat mit ihren treibenden Rhythmen.

Abseits der Hauptbühne wurde im Bullhead Circus feinster Black Metal von Batushka und Mayhem serviert. Fleißig dagegen hielt die Band Napalm Death, die mit Death Metal und Grindcore der schnelleren Gangart das Publikum zum Ausrasten brachte.

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Napalm Death

Wer danach noch wach war, konnte in der Metal-Disco weiter tanzen. Müde Geister suchten Schlaf, doch der fand sich trotz Ohropax oft nicht so recht ein. Bis 3 Uhr lag noch lautstark der Metal in der Nachtluft.

 

Tag 3 – Freitag, der 4. August

Wer möchte, für den sei im Eintrittspreis von 220 Euro eine „Schlammpackung all in“ enthalten, scherzte der Sprecher des Veranstalters. Dabei sei für 2018 ein Golfrasen geplant – natürlich auch nicht ganz ernst gemeint. Doch die Organisatoren kämpften tatsächlich um jeden Grashalm. Dieses Jahr versuchten sie mit neuer Infrastruktur wie Regenrückhaltebecken und unterirdisch verlegten Bierleitungen Bodenschäden so gut wie möglich zu begrenzen. Im Vergleich zu den Vorjahren zeigte sich tatsächlich, dass diese Maßnahmen etwas bewirkten.

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Tagsüber auf Wacken

Doch zurück zur Musik: Um 12 Uhr am Mittag brachten Lacuna Coil die Menge mit ihrem Gothic/Alternative Metal in Bewegung. Die weiß gewandete Band aus Mailand heizte den Besuchern bei ungewohntem Sonnenschein gehörig ein. Einige hundert Meter weiter standen Evil Scarecrow in den Startlöchern der Headbanger Stage. Freak-Show mit Black-, Trash- und Rock-Elementen beschreibt den Auftritt der verrückten Briten nicht annähernd gut genug, teilten sie sich doch die Bühne mit tanzenden Robotern, grünen Aliens, fliegenden Ufos und vielem mehr.

Aus dem hohen Norden waren am Feitag die symphonischen Power-Metaller Sonata Arctica (Finnland) und die Doom-Metaller Ereb Altor (Schweden) angereist. Erstere durften am Nachmittag das Infield anheizen während letztere nicht nur mit ihrem blutig-dunklen Facepaint, sondern auch mit gekonnt düsterer Musik beeindruckten. Noch weiter aus dem Norden kamen die Viking-Metaller Skálmöld (Island). Sie schafften es gekonnt, die Besucher im Wackinger Village vor dem Schlafengehen zu bewahren.

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Ereb Altor

An diesem Freitag gab sich auch noch ein Meister des Show-Horror-Auftritts die Ehre: Marilyn Manson. Gruselrocker und Kunstfigur Manson steht für die ernsthafte Auseinandersetzung mit morbiden Themen. Sein Auftritt am Freitag wirkte dementsprechend unheimlicher als das doch eher spielerische Gruselvergnügen, das Rock-Altmeister Alice Cooper am Samstag bieten sollte.

 

Tag 4 – Samstag, der 5. August

Schon zur Mittagszeit boten die Spielleute von Pampatut muntere Unterhaltung. Mit einer Polonaise trieben sie die Wacken-Besucher quasi zum Frühsport. Mystische Unterhaltung verhieß später schon das Bühnenbild von Twilight Force. Die Schweden mit Mundschutz glitten über die Stage-Bretter und rocken ab zu epischem Power-Metal der späten 1990er Jahre.

Abseits des Musikprogramms luden zahlreiche Essensangebote, Merchandise-Stände mit Wacken-Souvenirs, Metal-Accessoires oder Mittelalter-Outfits, Comic-Stände, Lesungen und sogar Metal-Yoga zum Besuch ein. Ein lohnendes Ziel waren auch dieses Mal wieder die Endzeit-Warrior im Wasteland. Es gab viel zu entdecken!

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Auch abseits des Musikprogramms wurde vieles geboten

Für den Auftritt einer bestimmten Band wäre ein kleiner Warnhinweis hilfreich gewesen: Achtung, Russkaja werden mit ihrer Hochgeschwindigkeitspolka jeden wie eine Dampfwalze überrollen! Wenn der fröhliche Frontmann Georgij zum Circle Pit aufforderte, liefen auch im Randbereich die Zuschauer zum psychotischen „Traktor“ im Kreis.

Fast zeitgleich rockten Heimataerde die Wackinger Stage. Ihr „Aerdenbrand“ zündete musikalische Legendenfeuer, der tanzbare Mittelalter-Electro-Rock-Mix mit seiner theatralischen Inszenierung und reichlich Filmblut wurde von den Metal-Fans begeistert aufgenommen.

Ein weiteres Highlight, dieses Mal aus China, hörte auf den Namen Tengger Cavalry. In traditioneller Kleidung der Steppenbewohner, zu warm für Wacken, wurde düsterer Kehlkopfgesang dargeboten. Dazu gab es druckvolle Rockmusik und fertig war der „Mongolian Folk Metal“.

Auf dem Infield konnte man sich hingegen der Metal Mass zuwenden. Diese wurde lautstark und mit beeindruckender Bühnenshow von Powerwolf zelebriert. Im wahrsten Sinne brachial glücklich zeigen sich die Metal-Fans dann spätestens am Abend. Mit bis zu 120 Dezibel feuerten Amon Amarth ihren Melodic Death Metal in das prall gefüllte Infield.

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Amon Amarth

Die Menge stand so kompakt, dass nur Crowdsurfer es schafften, die Bühne  zu erreichen. Dazu heizte dann eine mächtige Pyrotechnik den ersten Reihen gewaltig ein während das weite Feld mit riesigen Luft-Fußbällen spielte. Nebenan wurde bereits alles vorbereitet für Avantasia, das All-Star-Projekts von Tobias Sammet, Sänger der Metal-Band Edguy. Mit epischer Rockoper lässt sich dessen Inszenierung auf der Faster-Stage vermutlich am besten beschreiben. Sie war für viele Festivalbesucher dann auch das letzte Konzert auf Wacken.

Alles in allem war das Wacken Open Air auch 2017 wieder ein schlichtweg unvergessliches Erlebnis. Doch das weltgrößte Metal-Festival ruht sich nicht lange aus. Die ersten Bands für 2018 stehen schon fest und auch der Vorverkauf ist gestartet. Mit Dirkschneider, Sepultura, Doro, Arch Enemy, Nighwish und In Extremo geht das Wacken Open Air 2018 in die 29. Runde.

Das Motto lautet auch dann wieder: „See you in Wacken – rain or shine!“.

 

Bericht: Natalie Laube, Gabriele Laube, Sven Bähr