Mera Luna Festival 2017 – Festivalbericht

Die Sonne zeigte sich gnädig und beleuchtete am Sonntagabend das schwarze Meer. Tausende Arme streckten sich aus, Schreien und Jubeln drang aus den Kehlen und schon war es vorbei: Das M’era Luna Festival 2017, das am 12. und 13. August in Hildesheim stattfand.

Doch von Anfang an…

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M’era Luna Festival

Anfahrt – Freitag, der 11. August

Die Wetterfrösche kündigten für das Wochenende einen unheilvollen Mix aus Dauer- und Nieselregen bis zum Sonntag an. Genau so kam es dann auch. Nach etlichen Jahren mit gutem Wetter öffnete der Himmel nun bereits am Freitagabend seine Schleusen über dem M’era Luna Festival. Das bekamen auch die ersten Festivalbesucher bereits kurz nach Öffnung der Parkplätze am frühen Freitagmorgen zu spüren.

Viele Flächen waren bereits aufgeweicht und man ahnte nichts Gutes. Zentimeterdicker Schlamm bedeckte die Reifen und viele rutschten mehr, als dass sie auf das Gelände fuhren. Schnell wurde versucht, die trockeneren Randflächen zu füllen, doch spätestens ab Freitagabend ging so gut wie nichts mehr. Besucher, die bereits brav in der Schlange den Morgen über im Regen wartenden, nahmen es gelassen und bauten kurzerhand Pavillons auf.

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Ankunft auf dem M’era Luna

Die Veranstalter reagierten schnell auf die schwindende Anzahl überhaupt nutzbarer Parkflächen und organisierten zusätzliche Parkplätze und den Transport via Shuttlebus zum Festivalgelände. Eine notwendige Maßnahme, denn mit 25.000 Besuchern war Deutschlands drittgrößtes Gothic- und Alternative-Festival zum fünften Mal in Folge ausverkauft. Ingesamt fluteten bereits am Freitag über 20 Liter Regen pro Quadratmeter das Gelände und viele fühlten sich durch die immer matschiger werdenden Wege und Campingflächen stark an das Wacken Open Air, den größten Schlammspielplatz der Metalheads, erinnert.

 

Tag 1 – Samstag, der 12. August

Pünktlich um 11 Uhr eröffneten Circus of Fools, die Gewinner des Newcomer Contest, das M’era Luna Festival auf der Hauptbühne. Mit lautstarkem Gothic/Melodic-Death-Metal, einer für die frühe Stunde unglaublichen Energie und ihren Horror-Clown-Outfits meisterten die Tübinger ihren Auftritt mit Bravour. Neben der Band, die die Besucher mit ihren neuesten Songs versorgte, gab es auch etwas fürs Auge: Eine kleine aber feine Burlesque-Show.

In schwarz-weißer Schminke ging es dann auch weiter. Eden Weint Im Grab setzen da an wo Circus of Fools aufgehört hatten und brachten statt einer Bratsche gleich eine Violine und ein Cello auf die Bühne. Dass diese Instrumente wunderbar in den Dark Metal und zu den düsteren Texten passen, zeigte die Band auf gekonnte Weise.

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Circus of Fools

Währenddessen füllte es sich vor der Bühne zusehends, denn die dunklen Gestalten der Nacht waren aus ihren klatschnassen Zelten gekrochen und hatten sich trotz des Wetters in die gewohnt „schönen Menschen“ (Zitat ASP) des Festivals verwandelt. Auch wenn das Wetter der Todfeind der Samtroben und des aufwendigen Makeups ist, hatte die große schwarze Familie doch wieder zueinander gefunden. Die unterschiedlichen Spielarten der Szene feierten gemeinsam, auch wenn das vom vorher gefallenen Regen leicht unterkühlte Publikum vielleicht etwas langsamer in Stimmung kam als sonst.

Aus dem Regen flüchten konnte man sich in den Hangar, zur zweiten Bühne des M’era Luna Festivals. Dieser wurde unter anderem erfüllt von dem ausgefeilten Dark-Wave des türkischen Duos She Past Away. Der dunkle Gesang und die pulsierenden Beats erinnerten an die 80er-Ikonen The Cure.

Schwarz ist zwar das Fehlen von Farbe, doch die dunkle Szene in Hildesheim feierte ihre Musik und Selbstdarstellung wie üblich mit vielen Farbtupfern in der Menge. Im Casual Look zeigten sich viele der männlichen Besucher mit Festivalshirts diverser Konzerte. Einige andere warfen sich in futuristisch-bunte Cyber-Outfits oder Zombie-Fetzen. Auch mittelalterlich Gewandete, Endzeit-Bewohner und Punker traten auf. Die Szene tolerierte aber auch Menschen, die im rosa Bademantel oder gelbem Pokemon-Ganzkörperanzug auf dem Gelände erschienen. Einen Dresscode gab es nicht.

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Viele aufwändige Outfits waren zu sehen

Weibliche Fans bevorzugten die extravagante Abendgarderobe. Egal ob in mittelalterlich anmutenden Gewändern oder in viktorianischem Prunk gekleidet, mit weißen Gesichtern und geschwärzten Augen, aufwändiger Haarpracht, kahl geschoren, ausgestattet mit künstlerischem Silberschmuck oder außergewöhnlichen Accessoires wie Ketten, Gasmasken, Schutzbrillen oder aber mit blankem Fleisch: Die begabten Laien-Selbstdarsteller und professionellen Szene-Künstler zogen stets bewundernde Blicke sauf sich.

Die Outfits waren ebenso vielfältig wie das Musikprogramm, das von elektronischen Rhythmen über Alternative- und Mittelalter-Rock bis hin zu Metal wieder einiges zu bieten hatte.

Auf der Hauptbühne ging es inzwischen mit einer deutlich härteren Gangart weiter, Ost+Front standen auf dem Programm. Die Neue-Deutsche-Härte-Band, die oftmals an Rammstein erinnert, liebt ebenfalls Provokationen, Sex und blutige Outfits. Daher zeigte der NDR den Stream der Show aus Jugendschutzgründen nur zwischen 22 und 6 Uhr morgens. Nicht ganz ungerechtfertigt, da unter anderem während des Liedes „Fleisch“ eine Burlesque-Tänzerin sich nicht nur entkleidete, sondern auch noch in einem überdimensionierten Champagner-Glas baden ging, während der Sänger auf den entblößten Hintern des Keyboarders schlug.

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Ost+Front

Später stiegen schwarze Luftballons in den trüben Sommerhimmel auf und utopisch aussehende Steampunk-Roadster kreisten auf dem Flugplatzgelände umher. Smartphone-Kameras wurden hochgehalten. Konzertpause, Nieselregen. Im trockenen Mode-Zelt drängelte sich die Menge – um dem Regen zu entfliehen? Oder die Gelegenheit zum Shoppen zu nutzen, denn hier boten die angesagten Szene-Hersteller Kleider, Korsagen und Accessoires wie Haarschmuck, Taschen und Masken feil. Wer mochte, testete die vergänglichen Tattoos auf Zeit.

Nebenan im Discohanger startete derweil die Gothic Fashion Show. Kein Einlass mehr im Zelt, die fünf angesagten Labels präsentierten ihre Visionen von schwarzer Mode in Lack, Leder oder Samt und zogen massenhaft Fans an. Slacks präsentierten Enggeschnürtes und Polizistenlook, Videnoir aus Mailand verzierte märchenhafte Kleider mit vielen Federn, während AMF Korsetts für sich in einer fesselnden Show mit viel nacktem Fleisch und brutal wirkenden Masken warb. Es knisterte bei dieser spannenden Modenschau.

In den Senken sammelte sich derweil der Schlamm, doch damit wurden Gummistiefel oder nackte Füße spielend fertig. Die Organisatoren streuten Stroh. Nichts Neues, aber gerne wieder Gehörtes boten derweil Feuerschwanz. Die „Krieger des Mets“ punkteten aus dem Stand beim Publikum. Nacheinander gehört werden konnten Mesh und Faderhead, zwei Vertreter der elektronischen Fraktion. Wer das beachtliche Pensum der auftretenden Bands meistern wollte, benötigte eine gute Kondition, intuitive Entscheidungen und immens viel gute Laune.

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Auf dem Festivalgelände

Im Infield kosteten die Besucher unterdessen vegetarische Falafel oder schwedische Luxus-Elch-Burger oder testeten Pommes mit Zwiebeln und Käse. Warum auch nicht? Die Auftritte der Stars auf der Hauptbühne verpasste keiner, durch die Lautstärke kamen deren Auftritte in guter Klangqualität sogar auf dem Mittelaltergelände an. Das Streaming der Hauptbühnen-Leinwand genossen auch Fans, die vor dem Regenwasser-Auffangteich am schwarzen Strand entspannten. Bald goss es dann auch wieder. Die mit Regen-Capes raschelnde Zuschauerwelle wogte zu den elektronischen Klängen von Project Pitchfork, deren treibenden Beats von gleich drei Schlagzeugen unterstützt wurden.

Subway to Sally um Frontmann Eric Fish zogen die schwarze Menschenmenge später ins Infield. Ausgesuchte bekannte Songs der populären Folk-Rock- beziehungsweise Metal-Band brachten die Zuschauer zum Jubeln und Mitsingen. Auch die bewährte Pyrotechnik flammte wie gewohnt auf. Ein Wiedersehen mit Fish gab es aber schon beim ASP-Konzert. Die Sänger verstehen sich offenbar bestens, knuddelten sie doch auf der Bühne.

Dabei konnte ASP-Frontmann Alexander Spreng über den Stromausfall während seines Konzertes überhaupt nicht lachen. Erst legte der Stromausfall eine halbe Stunde lang die gesamte Hauptbühne lahm, dann folgten auch noch heftige Schauer. ASP gaben alles um die klatschnassen, aber überwiegend gut gelaunten Zuschauer zur späten Stunde aufzuheizen. Der Sänger goss sich dafür sogar zwei Flaschen Wasser über den Kopf. Spätestens beim „Ich will brennen“, dem letzten Song von ASP, waren dann wirklich wieder alle Feuer und Flamme.

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ASP

Als Mitbegründer des Nu Metal gelten Korn, daher freuten sich viele Fans sich auf den Auftritt dieser amerikanischen Legende. Doch die Musiker rockten erst eine Stunde später als geplant die Main-Stage und das bei etwas gelichteten Reihen. Der Gedanke an die heiße Dusche oder den warmen Schlafsack war dann doch zu verlockend für viele Festivalgäste. Trotzdem ließen Korn sich nicht lumpen und daher prasselte gegen Mitternacht noch einmal die volle Wucht dieser Band auf die Zuschauer ein. Für einige Besucher endete der Tag allerdings noch nicht so bald. Während die Camper schon bei ihren Zelten waren, mussten andere nämlich noch für den Bus-Shuttle anstehen.

 

Tag 2 – Sonntag, der 13. August

Wer sich für einen Tag entscheiden musste, kam überwiegend am Samstag. Dabei konnte sich die musikalische Kost auch am vielfach trockenen Sonntag sehen lassen. Mit düsterem Gothic Rock von den Horror-Punkern Johnny Deathshadow wachten die Camper auf, doch erst die Headbanger von Schwarzer Engel erwärmten mit ihrem Dark Metal zur Mittagszeit die Gemeinde. Spätestens zu den folkloristisches Klängen von Versengold sah man jedoch einzelne Besucher auf dem mittlerweile mit Stroh ausgelegten Boden tanzen.

Danach ging es Schlag auf Schlag weiter und Megaherz betraten die Bühne. Ihre gewohnt harte Klänge forderten das Publikum nicht nur zum munteren Kopfnicken, sondern auch zum lautstarken Mitsingen auf. Auf eine andere Art treibend, aber nicht weniger vom Publikum gefeiert wurde die amerikanische Synth-Rock-Band The Crüxshadows. Diese brachten mit „Winterborn“ nicht nur einen Klassiker auf die Bühne, Sänger Rouge kletterte auch kurzerhand von der Bühne und auf die Absperrgitter um den Zuschauern ganz nah zu sein. Eine Performance, die gefällt!

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The Crüxshadows

Im Anschluss bekamen die Besucher den dunklen Rock von Mono Inc. auf die Ohren. Unterstützt von dem Gesang der Schlagzeugerin Katha Mia spielte die Band Songs ihres neuen Albums. Vielfach mitgesungen wurde dabei „Children of the Dark“, eine fast schon klischeehafte Hymne an die Schwarze Szene.

Wer mochte, schob einen Ausflug zum Mittelaltermarkt ein. Dort stillten Mutzen- oder Spießbraten und süffiger Honigwein die leiblichen Bedürfnisse der Besucher. Andere Begehren konnten vielleicht das heiße Badehaus, der kostengünstige Ablasshandel für alle beim M’era Luna begangenen Sünden oder die ausgedehnte Partnerbörse auf der Cuppeley-Pinnwand befriedigen. Doch auch die Stände der Händler auf dem Szene-Markt mit Schmuck, Spiegelbrillen oder Festivalzubehör vertrieben die Zeit zwischen den 40 Konzerten schnell.

Ein Kompliment gilt den Mittelalter-Rockern von Schandmaul, die ihren Auftritt mit dem Wunschhit eines Fans beendeten, „Euch zum Geleit“. Eine nachdenkliche Ballade um die Erinnerung an alle, die bereits gegangen sind. Akustisch präsentiert, liebevoll vorgetragen und mit echten Tränen im Publikum beweint, gelang ein berührendes Innehalten mit viel Gefühl. Der Dark Pop von Blutengel bildete hiernach geradezu ein Kontrastprogramm. Ihre reich ilustrierte Show bot so manchen spannenden Hingucker, inklusive dunklem Engel und Kunstblut auf willigen Tänzerinnen.

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Blutengel

Stimmung machte auch Steve Naghavi. Der Sänger von And One war sichtlich gut drauf. Er animierte zum Schreien, lief über die Bühne, tanzte wie ein Brummkreisel, wackelte mit dem Hintern – kurz: Er zeigte beachtliche Unterhaltungsqualitäten! Wie er selbst andeutete hatte das vielleicht auch mit einem Glas Vodka zu tun. Seine Ansagen waren oft unterhaltsam, einige wie „sterbt mir nicht weg“ zum Song „Get you closer“ verwirrten aber auch etwas.

Ins Herz geschlossen hatten die Zuschauer auch Keyboarder Joke Jay. Als dieser „High“ sang, winkte ihm ein schwarzes Meer aus unzähligen Armen entgegen. Für einen der sicherlich lustigsten Momente sorgte im Anschluss noch Naghavi: „Zeigt mir eure Geschlechtsteile!“, forderte er die Menge auf. Wer immer noch keine gute Laune hatte, musste mindestens jetzt grinsen. Die tanzende Menge tobte sich dann noch zu „Military Fashion Show“ aus und jubelte nach dem letzten Song „Shouts of Joy“ lange weiter bis Naghavi seinen Auftritt beendete.

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And One

Glückselig und endlich mal trocken – so kann man die Besucher am Ende des Festivals wohl beschreiben. Wer schnell war fuhr noch Sonntagabend los oder hatte bereits morgens gepackt. Alle anderen waren bei fast blauem Himmel am Montagmorgen fleißig und es schien sich zum Teil gelohnt zu haben mit der Abfahrt zu warten. Etliche Autos saßen im Schlamm fest und wurden von bereits durch den Veranstalter angeforderten Traktoren von den Wiesen gezogen.

M’era Luna 2017 – zwei Tage, die sich gelohnt haben!

 

Bericht: Natalie Laube, Gabriele Laube