Wave Gotik Treffen 2017 – Festivalbericht

Zum 26. Mal in Folge lud das Wave Gotik Treffen auch in diesem Jahr wieder über Pfingsten nach Leipzig ein. Wieder einmal folgten dieser Einladung tausende Gothic-Fans aus aller Welt. Über das ganze Pfingstwochenende hinweg konnten die WGT-Besucher in Leipzig feiern, Konzerte genießen und vor allem Gleichgesinnte aus sämtlichen Facetten der Szene treffen.

Dass in diesem Jahr parallel das Leipziger Stadtfest stattfand, störte dabei höchstens die Autofahrer. Einen Rückblick auf das 26. Wave Gotik Treffen enthält dieser Festivalbericht.

Fotolinks: Teil 1 (2. und 3. Juni) / Teil 2 (4. und 5. Juni)

wgt-2017-26

Wave Gotik Treffen

Donnerstag, der 01.06.2017

Wie schon in den vergangen Jahren versammelten sich auch dieses Mal schon am Donnerstag in aller Frühe viele der Camper. Das Ziel war natürlich wie gewohnt ein möglichst guter Zeltplatz auf der Agra. Den ganzen Tag über herrschte ein reges Kommen und Gehen. Neben den zahlreichen Campern holten sich auch schon viele der nicht campenden Besucher ihr Bändchen ab.

 

Freitag, der 02.06.2017

Auch wenn am Donnerstagabend schon die ersten Partys stattfanden, war der eigentliche Start des Festivals wie immer am Freitag. Neben der Eröffnung des Heidnischen Dorfes und der Verkaufshalle war einer der Höhepunkte des Tages das Viktorianische Picknick. Viele Liebhaber und Liebhaberinnen dieser Zeit reisten extra mit großem Gefolge und zum Teil wunderschönen selbst gemachten Kleidern an. Im Clara-Zetkin-Park wurde dann stilvoll mit Gleichgesinnten gepicknickt.

Schon zwei Stunden vor dem eigentlichen Beginn des Picknicks füllte sich der Park mit aufwändig gestylten Menschen und weniger gestylten Zuschauern. Wieder einmal wurde das Viktorianische Picknick auch wieder zum Magnet für viele schaulustige Leipziger.

Auch das Wetter machte mit und erfreute die Besucher mit Sonnenschein. Leider hielten sich viele Besucher und „Fotografen“ jedoch nicht an einfache Anstandsregeln und fotografierten wild drauflos. Da die geschlossene Veranstaltung, das Viktorian Village, nicht stattfand, ertrugen das einige der Picknicker nur mürrisch oder blieben der Veranstaltung in diesem Jahr ganz fern. Diejenigen, die sich fotografieren lassen wollten, genossen die Aufmerksamkeit der Passanten dafür in vollen Zügen.

wgt-picknick-2017-14

Viktorianisches Picknick

Die ersten Bands des Tages spielten schon früh um 12 Uhr. Neben der Sixtina gehörte auch das NonTox zu den Orten, an denen den Besuchern schon früh Live-Musik geboten wurde. Im Laufe des Nachmittags kamen immer mehr Locations wie der Volkspalast oder das Stadtbad hinzu. Um 19 Uhr schloss sich dann als letztes die Agra Halle der Konzertrunde an. Dort mit dem Mitternachts-Spezial dann auch am längsten gespielt.

Das erste Spezial des Festivals waren Amanda Palma & Edward Ka-Spel. Leider wurde ihr Auftritt zur späten Stunde von technischen Problemen überschattet. Ihr Piano gab noch vor dem ersten Lied den Geist auf. Bis sie es gegen ein neues ausgetauscht hatten, wurde die Zeit von einen Violinensolo und einer Gesangseinlage überbrückt.

palmer-kaspel-06-2017-03

Amanda Palmer

Wessen Musik das nicht war, konnte aber ab 20 Uhr auch in der Moritzbastei, dem Darkflower und vielen weiteren Locations das Tanzbein schwingen. Trotz einiger interessanter Bands blieb die Anzahl der Besucher in den großen Locations wie der Agra-Halle und dem Kohlrabizirkus am Freitag überschaubar.

 

Samstag, der 03.06.2017

Der Höhepunkt des Samstags war aus nichtmusikalischer Sicht das sechste Steampunk Picknick. Das fand dieses Mal im Deutschen Kleingartenmuseum statt. Schon vor dem offiziellen Beginn fanden sich einige Besucher dort ein um in aller Ruhe die Gärten zu bewundern.

Wie schon am Vortag auf dem Viktorianischen Picknick waren auch auf dem Steampunk Picknick nicht nur schöne Outfits, sondern auch viele Schaulustige zu finden. Die Schiere Masse an Menschen machte die schöne Kulisse leider zeitweise zunichte. Die Rasenfläche und die angeschlossene Gaststätte waren für diesen Andrang einfach nicht ausgelegt. So stand man sich zeitweise mehr im Weg herum als dass man zum Picknicken kam.

Nachdem der Sonnenschein einigen dunklen Wolken wich, zogen einige Besucher davon, sodass man nun beim Picknick den Konzerten lauschen, die Verkaufsstände bewundern oder einfach ein Stück Kuchen essen konnte. Trotz eines fernen Donnergrollens blieb es das ganze Picknick über trocken.

steampunk-picknick-2017-24

Steampunk Picknick

Zu Beginn der Konzerte wurde vom Deutschen Wetterdienst eine amtliche Warnung vor schweren Gewittern herausgegeben. Dies war für viele WGT-Besucher sicher eine zusätzliche Motivation, ihr Flanieren auf der Agra oder in der Stadt einzustellen und auf einer der zahlreichen Indoor-Locations den Konzerten zu lauschen.

Liebhaber des Metal-lastigeren Gothic Rocks zog es zum Beispiel in den Kohlrabizirkus zu Stahlmann oder Amorphis. Das Konzert-Highlight des Abends war aber auf der Agra zu finden. Nachdem sich die Halle dank Bands wie Rotersand oder Klangstabil schon ordentlich gefüllt hatte, traten dort VNV Nation auf und brachten die Menge zum Toben.

Die Halle war bis zum Anschlag mit Fans gefüllt. Auch das führte dazu, dass nach der Show wohl kein einziger Fan ohne nass geschwitzt zu sein die Halle verließ. Auch nach über 20 Jahren im Geschäft bewies Ronan Harris erneut, dass er wie kaum ein zweiter versteht, das Publikum mitzunehmen und den Fans eine fantastische Show zu bieten. So wurde zum Beispiel die irische Flagge, die er im Publikum entdeckt hatte, kurzerhand in die Show mit eingebunden.

vnv-nation-06-2017-12

Ronan Harris von VNV Nation

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war auch dieses Jahr wieder die Obsession Bizarr im Volkspalast. Hier feierten wieder Anhänger der Fetisch- und SM-Szene bei Modeschauen und Vorführungen bis in den Morgen. Aber auch an vielen anderen Orten wie dem Darkflower, der Moritzbastei oder der Agra 4.2 wurde wieder gezeigt wem die Nacht gehört – dem schwarzen Volk.

 

Sonntag, der 04.06.2017

Wer am Sonntagmorgen nicht zu erschöpft vom Feiern war, konnte eines der zahlreichen Kulturangebote des nutzen. Neben diversen kleinen Ausstellungen standen den Besuchern des Wave Gotik Treffens auch wieder die großen Museen offen. Dazu kamen wieder Vorträge wie jene von Lydia Benecke oder Christian von Aster.

Aber auch Kultur der anderen Art stand auf dem Programm. Vor dem Grassimuseum luden Oswald Henke und Thomas Rainer zur dritten Weinverkostung auf dem WGT ein.
Wer wollte konnte sich dort ab 14 Uhr einfinden und eine Flasche seines Lieblingsweins mitbringen. So lernte man neue Weine und viele neue Leute kennen.

wgt-2017-42

Thomas Rainer bei der Weinverkostung

Musikalisch wurde am frühen Abend schon einiges geboten. Chrom füllten trotz früher Stunde den Kohlrabizirkus ordentlich. Sie machten damit nicht nur das Defizit vom Freitag wett, sondern bewiesen zudem, dass auch relativ „kleine“ Bands große Hallen füllen können.

Dass im Kohlrabizirkus nicht nur Gothic und die Subgenres davon gesungen werden, bewiesen Moderator Elvis und das Publikum als sie Val Solo von S.P.O.C.K ein ostdeutsches Geburtstagslied sangen. Die Rührung des Keyboarders war deutlich zu sehen.

wgt-2017-37

S.P.O.C.K

Das Spezial in dieser Nacht waren Skinny Puppy in der Agra. Ab 1 Uhr präsentierte die Post-Industrial-/Electronica-Band aus Kanada eine schaurig-schöne Bühnenshow. Für Skinny Puppy war der Auftritt beim Wave Gotik Treffen das Einzige Deutschland-Konzert ihrer aktuellen Europatournee.

 

Montag, der 05.06.2017

Der letzte Tag des Wave Gotik Treffens begann nicht gerade mit rosigen Wetteraussichten. da viele Besucher sowieso schon im Lauf des Tages abreisten, wurden die trockenen Phasen zum Zusammenpacken und Zeltabbau genutzt. Viele zog es auch schon vorsorglich zu den Indoor-Veranstaltungen. Da die Oper dieses Jahr wieder im Ticketpreis enthalten war, besuchten viele auch die Carmina Burana von Mario Schröder. Schon lange vor Beginn bildete sich eine eine lange Schlange über den Augustusplatz.

Auch gingen viele nochmal ins Heidnische Dorf oder auf die Shoppingmeile, um dort das eine oder andere Schnäppchen zu machen.

wgt-2017-22

Einkaufsmeile

Vor der Öffnung der Konzerthallen begann es dann zu regnen. Der letzte Konzertabend des diesjährigen WGT hatte viel zu bieten. Egal ob es Schneewittchen mit ihrer Show im Kohlrabizirkus waren oder Eisfabrik, die in der Agra mit „Schnee“ und Bonbons die Menge für sich einnahmen.

Auch eine Premiere stand auf dem Programm des Tages: Chris L. von Agonoize versuchte als neuer Sänger von Funker Vogt die Fans für sich zu gewinnen. Ob ihm das gelungen ist muss jeder Konzertbesucher für sich selbst entscheiden.

Den Abschluss des diesjährigen Treffens machten Suicide Commando. Sänger Johan war voll in seinem Element und gab alles um die Menge ein letztes Mal in Ekstase zu versetzen.

suicide-commando-06-2017-14

Johan von Suicide Commando

Zusammengefasst war ein sehr schönes und abwechslungsreiches WGT. Im Vorfeld war es in den sozialen Medien zu Kritik gekommen, da dieses Jahr aus Sicht vieler Fans keine oder nur wenige große Namen im Lineup vertreten waren. In meinen Ohren ist es den Veranstaltern jedoch gelungen, erneut etwas für jeden „schwarzen“ Musikgeschmack zu bieten. Auch konnte man viele noch unbekannte Bands hören und für sich entdecken. Des weiteren gab es auch entgegen mancher Befürchtungen keinerlei Zusammenstöße mit Besuchern des Leipziger Stadtfestes.

Für die in meine Augen größten Mankos können die Veranstalter nur bedingt etwas. Auch wenn es schön zu sehen ist, dass die „dritte“ Generation mit aufs WGT geht, halte ich es für ein Unding, Kinder im Kindergartenalter mit zu Konzerten von Funker Vogt oder Suicide Commando zu nehmen und sie dort den ganzen Konzertabend über in der ersten Reihe zu lassen. Auch (zum Teil noch kleinere) Kinder ohne Gehörschutz mit in die vordersten Reihen eines Konzerts zu nehmen, ist für mich nicht akzeptabel. Was zu denken gab war ein Phänomen, das man vor allem bei großen Bands wie VNV Nation von hinten beobachten konnte. Beim Blick über die Konzertbesucher waren mehr Handys über den Köpfen zu sehen als Hände zum Klatschen. So zerstört man nicht nur sein eigenes Konzerterlebnis, sondern auch das der anderen Besucher.

 

Bericht: Sven Bähr, Sven(at)dark-festivals.de