Das Jahr 2010 markierte eine Zäsur in der Geschichte der Mittelalter-Rock-Band Tanzwut. Die Gruppe splittete sich endgültig von ihrem akustischen Alter Ego Corvus Corax ab und verlor einen Großteil ihrer Mitglieder. Unter der Leitung von Teufel tat sich aber eine neue Besetzung für Tanzwut zusammen, in der sich unter anderem auch der vor Längerem ausgestiegene Ardor wieder findet.
Geschlagene fünf Jahre nach dem letzten Tanzwut-Album bringt die “neue Version” der Mittelalter-Rocker nun tatsächlich wieder ein Album heraus. Das Werk heißt “Weiße Nächte” und erscheint am 16. September.
Wird es zum Comeback oder zum letzten Abgesang?
Viele hatten wohl gar nicht mehr gedacht, dass auf “Schattenreiter” von 2006 tatsächlich noch einmal ein neues Mittelalter-Rock-Album folgen würde. Die Zeichen bei Tanzwut stimmten ja auch nicht unbedingt hoffnungsvoll: Zerstritten, gespalten und durch die herausragenden “Cantus Buranus”-Shows von Corvus Corax in den Schatten gestellt.
Nun ist es aber tatsächlich da: “Weiße Nächte”. Zwölf Songs, gute 53 Minuten Tanzwut-Sound in einer runderneuerten Besetzung. Und ja, der typische Tanzwut-Sound ist auch noch nach fünf Jahren und diversen Krisen zu erkennen. Der einzige wirklich hörbare stilistische Unterschied zu den vorherigen Tanzwut-Alben ist, dass die Elektronik sich auf “Weiße Nächte” stark zurücknimmt. Früher setzten Tanzwut die Synthesizer sehr offensiv und nahezu gleichberechtigt mit den Dudelsäcken und Rock-Instrumenten ein, Anno 2011 bildet die elektronischen Klänge nur noch den Hintergrund und sind teilweise kaum noch wahrnehmbar.
Alte Tanzwut-Veteranen brauchen nun aber nicht die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, denn auch mit weniger Elektronik sind Tanzwut nach wie vor als Tanzwut zu erkennen. Das heißt auch, dass Tanzwut sich ihren rohen, ungeschliffenen Sound von früher bewahrt haben. Schon im vergangenen Jahrzehnt schieden sich an Tanzwut die Geister und auch heute klingen sie im Vergleich zu Saltatio Mortis und Konsorten deutlich harscher und ungehobelter.
Auf fein ausgearbeitete Melodien und filigrane Überleitungen braucht bei Tanzwut also niemand zu warten. Stattdessen bietet die Band einen bewusst geradlinigen und ungeschliffen Sound, der härter klingt als das was heute im Mittelalter-Rock gängig ist. Dass Tanzwut recht hart herüberkommen mag einen umso mehr wundern, weil die bunte Truppe zum aller größten Teil im Midtempo bleibt. Ganz ohne schnell zu werden baut die Band mit harschen Riffs und kantigem Spiel ein druckvolles Klangbild auf, das durchaus auch gewollt unsauber klingen darf.
Hierzu passt auch sehr gut der deutschsprachige Gesang von Frontmann Teufel. Mit seinem tiefen, rauen Organ röhrt der Mann mit der markanten Frisur mehr als dass er singt – und genau das passt wunderbar zum instrumentalen Klangbild der Band. Auch Gruppen wie In Extremo klingen streckenweise ja ganz schön räudig, aber Teufel – zum Beispiel mit seinem textloses Lallen im Titelsong “Weiße Nächte” – ist schon eine Marke.
Genau dieser Sound macht aber die Musik von Tanzwut aus, die man geradezu als Mittelalter-NDH oder Mittelalter-Grunge bezeichnen könnte. So muss es auch gar kein Nachteil sein, dass die Band vom Aufbau ihrer Lieder her fast schon berechenbar wirkt. Auf den ersten Blick sind die Abläufe auf “Weiße Nächte” nämlich oft sehr ähnlich: Die Strophen sind recht ruhig gehalten und auf den Gesang von Teufel fokussiert, in den Refrains knallen Tanzwut dann mit ihren zwei Dudelsäcken voll rein.
So simpel, ja fast schon primitiv wie das nun anmuten mag, so gut funktioniert es aber auch. Tanzwut reihen – so geradlinig und schnörkellos sie sein mögen – nämlich so manchen Hit auf ihrem Album ein. Lieder wie “Ein wahrer Spielmann” oder “Folge deinem Herzen” lassen einen von der ersten Dudelsack-Melodie an mitgehen, ihre Refrains setzten sich problemlos im Ohr fest und machen Lust auf die nächste Tanzwut-Show.
Von der Ästhetik her mag die Musik von Tanzwut vor allen Dingen eine Geschmacksfrage sein, doch gerade ihre ursprüngliche Machart ist es auch, die heutzutage wieder sehr erfrischend wirken kann. Tanzwut verlieren sich nicht mit Details und liefert das, was man als die Kernelemente des Genres bezeichnen könnte: Stimmungsgeladene Refrains, eine schwungvolle Grundstimmung und richtig breite Dudelsäcke, die nicht bloß verschämt im Hintergrund spielen, sondern offensiv nach vorne treten.
Für Abwechslung haben Tanzwut übrigens trotz ihres ursprünglichen Konzepts gesorgt. Es finden sich auf “Weiße Nächte” auch zwei ruhigere Stücke (“Bei Dir”, “Wenn der letzte Vorhang fällt”) und ein altsprachlicher Titel (“La filha dau ladre”).
Fazit
Nach turbulenten Zeiten finden Tanzwut zu neuer Stärke und legen mit “Weiße Nächte” ein gelungenes Comeback-Album vor.
Punkte: 8 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de