Corvus Corax – Interview

Am 14.12.2007 traten die als Könige der Spielleute geltenden Mittelaltermusiker Corvus Corax in Illingen auf.

Diese Gelegenheit nutzten wir zu einem Interview mit der Band.

Die Fragen beantworteten uns Castus Rabensang und Norri alias Harmann der Drescher.

Viel Spaß beim Lesen dieses interessanten Interviews!

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Hallo Corvus Corax!
Schön, euch hier in Illingen zu sehen!

Ihr habt während den letzten neun Tagen neun Konzerte gespielt. Euer heutiges Konzert in Illingen ist das zehnte in Folge. Wie geht es euch bei diesem eng gestrickten Tourplan? Seid ihr erschöpft?

Castus: Nö. In keiner Weise. Wir sind das gewohnt, wir sind Berufsmusiker. Wir genießen das. So ein freier Tag, der bringt uns auch aus dem Rhythmus raus und eigentlich ist es ganz gut wenn wir schön dranbleiben. Also wir feiern unsere Party, dann haben wir sozusagen den Tag für uns, um wieder zu genesen, und abends gehen wir auf die Bühne und danach wird wieder gefeiert. Das ist unser Leben.

Norri: Es ist im Endeffekt diesmal auch keine relativ große Tour. Also was sinds, 13 Tage? Denn normalerweise sind wir eigentlich gerne mal zwei Monate am Stück unterwegs.

Gerade wo wir bei den Tourneen sind – Eure Musik hat euch nicht nur schon oft durch Deutschland reisen lassen, sie führte euch auch schon in die verschiedensten Länder dieser Erde. Welches Land ist euch auf euren Tourneen in besonders guter Erinnerung geblieben?

Norri: Eigentlich alle. (Norri und Castus lachen) Also ganz frisch ist natürlich jetzt Portugal und Spanien, da waren wir jetzt ja im November. War wunderbar, da haben wir also auch Spielleute kennen gelernt, die also auch in alter Tradition Dudelsäcke und Trommeln spielen, genau wie wir, und die mischen ihre Folklore inzwischen mit Klängen von Corvus Corax. Und sowas bleibt natürlich haften. Die sind dann extra aus der ganzen Umgebung gekommen und haben dann für uns dort gespielt.

In welchem Land, das ihr bisher nicht mit euerer Musik bereist habt, würdet ihr denn gerne mal auftreten?

Castus: China!

Norri: Wir sind gerade tatsächlich dran, vielleicht klappts ja, dass wir in China spielen in den nächsten zwei Jahren. Japan sollten wir auch wieder mal sein, das ist lange her. Japan ist garantiert auch sehr interessant, verrücktes Volk da drüben. Asien auf jeden Fall…

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Corvus Corax bereisen die Welt mit ihrer Musik

Corvus Corax bedeutet Kolkraben. Warum wurde gerade diese Bezeichnung als Bandname ausgewählt?

Castus: Wir sind damals 1989 in den Westen gegangen, also illegal, über die Mauer in Ungarn, und wir haben unseren Raben zurückgelassen. Wir hatten damals einen Raben, den haben wir dann irgendwann nachgeholt und da wir die Band, die wir vorher in der DDR hatten, dann aufgelöst haben, haben wir einen neuen Namen gesucht und dann haben wir gedacht, wir nehmen sozusagen Tippels (erwähnter Rabe, Anm. d. Red.) Spezies, weils ja auch zu uns passt. Ist ja in allen möglichen Religionen, aber auch so in Geschichten einfach mal ein sehr gutes Tier und sehr intelligent und da dachten wir, Corvus Corax passt zu uns.

Norri: Und Raben sind auf jeden Fall extrem frech und im menschlichen Sinne ungezogen und versuchen einen ewig aufs Kreuz zu legen, aber haben die ganze Zeit irgendwie nur Schabernack im Hinterkopf – passt sehr gut zu uns! (lacht)

Als ihr vor einigen Jahren anfingt, Rock- und Elektroelemente in eure Musik einfließen zu lassen, entstand daraus eure zweite Band Tanzwut. Viele andere Bands, die ihre Mittelaltermusik „modernisiert“ haben, spielen unter demselben Banner sowohl reine Mittelaltermusik als auch Mittelalter-Rock. Warum habt ihr euch dazu entschieden, die beiden Richtungen durch eine Parallelband so klar voneinander abzugrenzen?

Castus: Damit man die Musik abgrenzen kann. Damit der Zuhörer genau weiß, was ihn erwartet.

Norri: Es macht uns tatsächlich Spaß, mittelalterliche Musik zu spielen, so in unserer Art und Weise. In dem Moment, wo das anfing, dass wir das gemischt haben, haben wir ganz schnell bemerkt, dass wir das dann nicht mehr weiter machen könnten, da haben wir gedacht, wir machen halt lieber zwei Bands daraus. Wir haben jetzt noch Cantus Buranus, da sind noch ein Orchester und zwei Chöre dabei, das ist im Endeffekt noch ein drittes Projekt. Wir stehen nicht auf dieses AC/DC-Prinzip, dass man sein ganzes Leben lang die gleiche Musik macht. Man kann einfach auch mehrere Facetten in sich selber entdecken und einfach parallel mehrere Bands haben – macht viel mehr Spaß.

Ist Corvus Corax das Primärprojekt, hinter dem Tanzwut zurückbleibt, oder haben beide Bands für euch den gleichen Stellenwert?

Norri: Das ist eigentlich irgendwie immer ne blöde Frage… Das macht uns alles Spaß, sagen wir mal so. Und ne Primärband… Das hängt immer davon ab, wo wir gerade dran sitzen. Momentan arbeiten wir an einem Cantus-Buranus-Nachfolger, Teil zwei, da hat natürlich dann Corvus Corax die Priorität. Sicherlich werden wir dann auch irgendwann mal wieder ne Tanzwut-Scheibe machen, dann werden wir uns wieder mehr darauf konzentrieren. Also die Konzentration, die Schwerpunkte, die verschieben sich immer ein bisschen, aber von einer Hauptband oder Nebenband in Form von Wertung würd da gar nicht sprechen.

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Mittelaltermusik seit 1989: Corvus Corax

Was würdet ihr sagen ist die größte Veränderung in der – nennen wir es mal „Mittelalter-Szene“ –  seit eurem Aktivwerden als Mittelaltermusiker?

Castus: Die mittelalterlichen Musiker stehen nicht mehr in Strumpfhosen und merkwürdigem Seidengewand auf der Bühne, sondern so wie wir. Dann haben sich die Instrumente gewandelt, es gibt Dudelsack und Trommeln vor allen Dingen, natürlich auch Gesang, aber es ist alles viel derber geworden und weltlicher. Früher wurde das ja akademisch betrachtet und als der Wim (neben Castus das zweite Gründungsmitglied von Corvus Corax, Anm. d. Red.) und ich damals damit angefangen haben, wurden wir gewarnt, so könne man im Westen keine Musik machen, aber inzwischen macht der ganze Westen solche Musik.

Welcher Moment in der Geschichte von Corvus Corax blieb euch bis heute besonders im Gedächtnis?

Castus: Es gibt natürlich viele Momente, aber ein besonderer war zum Beispiel, als wir in Venedig beim Carneval auf dem Sankt-Markus-Platz gespielt haben, ohne Anlage, und da waren vielleicht 12000 Leute, die uns zugejubelt haben und dieser Historische Platz… Das hatte eine Aura, das war einfach sensationell. Und danach standen dann die Fans Schlange, wollten mit uns sprechen, die Frauen wollten uns unbedingt einen Kuss auf die Wange geben, das war 1993 oder ’94, das waren wir damals so noch nicht gewohnt. (lacht)

Norri: Also, großartig war auf jeden Fall auch unsere eigene, selbst organisierte Cantus-Buranus-Aufführung in Berlin auf der Museumsinsel, das war schon so der Höhepunkt bis jetzt. Und im gleichen Jahr aufm Wacken unser Cantus-Buranus-Konzert… Vor mehreren Zehntausend Metallern zu stehen, war schon auch sehr cool. (lacht)

Was würdet ihr als „alte Hasen“ auf dem Gebiet der Mittelaltermusik einer jungen, unerfahrenen Mittelalterband mit auf den Weg geben?

Castus: Geht erstmal auf die Straße, und nervt die Leute dort. Üben kann man ja meistens zu Hause nicht, weil die Dudelsäcke zu laut sind, aber entweder im Wald oder dann auf der Straße… Und wenn man auf der Straße damit Geld verdienen kann, dann kann man es auch mal auf einer Bühne probieren, aber bitte nicht vorher. (Einstimmiges Lachen von Castus und Norri)

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2009 feiert die Band ihr 20jähriges Bestehen

Könnt ihr an dieser Stelle schon etwas zum nächsten Corvus-Corax-Album verraten?

Castus: Wie gesagt, wir arbeiten jetzt an Cantus Buranus. Das ist ja Corvus Corax mit Orchester und zwei Chören. Wir wollen jetzt noch nicht so viel dazu sagen, es wird auf alle Fälle einen draufsetzen. Die Leute erwarten jetzt vielleicht genau das gleiche, aber es wird einer draufgesetzt und die Leute, die es dann live sehen, werden auch bemerken, dass wir sehr viel darüber nachgedacht haben. Und von Corvus Corax mit der mittelalterlichen Musik wird man das nächste Mal 2009 hören, wenn wir 20 Jahre alt werden.

Möchtet ihr zum Schluss unseren Lesern noch etwas sagen?

Castus: Immer schön Party feiern! (lacht)

Norri: Richtig, man lebt nämlich nur einmal. (lacht)

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

 

Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de