The Old Dead Tree – The End

Nie hätte ich gedacht, jemals wieder von The Old Dead Tree zu hören! Ihr letztes Album „The Water Fields“ datiert auf das Jahr 2007. Im Zuge dessen entstand auch mein Interview mit Sänger Manuel Munoz, eines meiner ersten Interviews überhaupt. Irgendwann danach verschwand die französische Band einfach von der Bildfläche.

Ich kann gar nicht sagen, ob sich die Gruppe zwischen Progressive- und Gothic Metal je offiziell aufgelöst hat. Sie waren einfach weg. Kein neues Album, nichts. Nach sage und schreibe zwölf Jahren kehren The Old Dead Tree nun mit einer EP zurück.

„The End“ erscheint am 6. Dezember und soll die letzte Veröffentlichung von The Old Dead Tree werden. Von einer neuen EP zu sprechen, wäre dabei aber falsch, denn „The End“ hat eine ganz besondere und nicht minder tragische Entstehungsgeschichte.

„The End“ wurde bereits 1999 geschrieben – also vor 20 Jahren! Noch im selben Jahr nahm sich dann aber The Old Dead Trees Schlagzeuger Frédéric das Leben. Aus diesem Grund wurde „The End“ niemals aufgenommen.

Eben das haben The Old Dead Tree nun nachgeholt. Für die Franzosen ist die Veröffentlichung von „The End“ sowohl ein letzter Gruß an ihren vor 20 Jahren verstorbenen Freund als auch das Ende ihrer Musikkarriere.

Dass eine Veröffentlichung zwölf Jahre nach dem letzten Album anders klingt als damals, hat wohl jeder erwartet. Hier tritt nun die Besonderheit hinzu, dass „The End“ eben keine Fort- oder Weiterentwicklung der Band zeigt, sondern ihren Musikstil lange vor der letzten Veröffentlichung.

„The End“ entstand Jahre vor den beiden bekannteren The Old Dead Tree-Alben „The Perpetual Motion“ (2005) und „The Water Fields“ (2007). Gemeinsam sind den Alben und der „neuen alten“ EP ein stilübergreifendes Konzept von Progressive- bis Gothic Metal.

Die 23 Minuten lange, fünf Lieder umfassende EP ist komplex aufgebaut, düster und melodisch. Im Gegensatz zu den Alben fällt „The End“ jedoch langsamer und weniger heavy aus. Nur in zwei der fünf Stücke kommt überhaupt Growl-Gesang vor – und auch dort in eher vorsichtigem Umfang.

Logischerweise sind die häufigen Wechsel zwischen Growl- und Klargesang, die später zu einem Markenzeichen der Band werden sollten, auf „The End“ also noch gar nicht mit von der Partie.

Geprägt wird das Klangbild stattdessen von progressiven, sich überlagernden Gitarren und einem eindringlichen Klargesang, der die poetischen, englischsprachigen Texte wiedergibt. Der Stil ist sehr breit aufgestellt und bietet auch Raum für Klavier, Akustikgitarre oder einen gesprochenen Textvortrag.

Vom Songwriting her macht es einem „The End“ nicht allzu leicht. Die EP ist nicht so eingängig wie die späteren Alben der Band. Ein wenig Einarbeitungszeit sollte man also schon mitbringen. Knackige Melodien oder Refrains im Stil von „Out Of Breath“ (um jetzt mal wirklich einen ganz alten Hit der Band zu bemühen) sollte man hier nicht erwarten.

Überzeugen kann „The End“ stattdessen mit einem gut umgesetzten, vielseitigen Stil und einer gelungenen, glaubhaften Atmosphäre. Die düstere Stimmung der Stücke kommt gut herüber, „The End“ ist die perfekte Begleitung für einen verregneten Wintertag.

Die ersten vier Stücke der EP zeigen dabei die volle Bandbreite des ebenso düsteren wie breit aufgestellten Progressive-Stils der Band. Mit „The End Again“ steht am Ende der EP schließlich eine sehr schöne, wirklich gelungene Metal-Ballade.

Fazit

Bei „The End“ sollte man weder den Stil noch die Hit-Dichte der letzten beiden Alben von The Old Dead Tree erwarten. Wer das akzeptiert bekommt ein komplexes, stimmungsvolles Stück Musik, mit dem The Old Dead Tree ein würdiger Abgang gelingt.

Wie bei allen EPs wird auf eine Punktewertung verzichtet.

(ohne Punktewertung)

 

Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de