Die Black-Metal-Band Nocte Obducta war einige Jahre lang aufgelöst und kehrte 2011 mit “Verderbnis” an das Licht der Öffentlichkeit zurück. Das Comeback war in Ordnung, erreichte aber nicht das künstlerische Niveau von Nocte Obductas Frühphase.
Am 8. März legt die Band nun ihr nächstes Album vor. Es trägt den Titel “Umbriel – Das Schweigen Zwischen Den Sternen”. Mit diesem Werk kehren Nocte Obducta dem Black Metal den Rücken.
Ja, ihr habt richtig gelesen. Nocte Obducta haben sich vom Black Metal verabschiedet. Scream-Gesang ist entweder gar nicht mehr zu hören oder nur noch im Hintergrund beziehungsweise als Begleitung für Klargesang. Blastbeats fallen beinahe komplett weg und zeigen sich nur noch in wenigen Momenten. Die Spielgeschwindigkeit bewegt sich nur noch im Downtempo, die früheren Hightempo-Ausbrüche sind verschwunden.
Mit Black Metal hat “Umbriel” also gewiss nichts mehr zu tun. Was Nocte Obducta auf dem fast 69 Minuten langen Album stattdessen treiben, kann man am ehesten als Mischung aus Post Rock und Doom Metal bezeichnen. Die doomige Langsamkeit ist die große Konstante, die sich durch das gesamte Werk zieht. Fundament des Klangbilds ist nun ein melancholisch-düsterer Rock-Sound, über den eine mal flüsternde, mal singende und mal sprechende Klarstimme ebenso düstere deutsche Texte legt. Verzerrter Scream-Gesang kommt zwar noch vor, aber wie gesagt höchst selten.
Oft ist auch gleich gar kein Gesang zu hören, denn “Umbriel” setzt immer wieder auf lange Instrumentalpassagen. Alte Fans von Nocte Obducta müssen all dies nun erstmal verdauen. Dabei kommt der Wandel nicht komplett unvermittelt. Schon mit “Sequenzen einer Wanderung” machte die Band ein Album jenseits des Black Metal. Dass dies aber keine Ausnahme war, sondern jetzt mit aller Konsequenz fortgesetzt wird, ist dennoch ganz schön herb. Immerhin waren Nocte Obducta auf ihrem künstlerischen Höhepunkt eine der wirklich angesehenen deutschsprachigen Black-Metal-Bands.
Da wird es natürlich nicht allen gefallen, dass jetzt Post Rock statt Black Metal auf dem Speiseplan steht. Doch wie klingen Nocte Obducta nun als Post-Rock-Band? Naja, ziemlich mäßig. Eines der Hauptprobleme ist, dass der Sound praktisch durchgehend im Downtempo daherkommt. So stapft das Album gleichmäßig, ja fast schon gleichgültig vor sich her. Das Songwriting kennt ebenfalls nur wenige Variationen. Wirklich hervorstechende Passagen, packende Refrains oder andere markante Punkte fehlen im Klangbild einfach. Es fehlen die Momente, in denen man als Hörer wirklich aufhorchen muss.
Natürlich machen Nocte Obducta nicht alles schlecht. Auch ihr neues Konzept hat durchaus seinen Reiz, den spielt die Band aber einfach zu selten aus. Dafür ist es einfach zu unspektakulär umgesetzt. Einer der wenigen Glanzmomente des Albums ist das Stück “Leere”, das wohl beste Lied des Albums. Es fängt als leise Akustiknummer an, wird dann irgendwann elektrisch verstärkt und gleitet schlussendlich in einen langen Instrumentalteil über. Während dieser Wanderung zieht sich ein und dasselbe Gitarrenriff beinahe hypnotisch durch das ganze Lied. Diese Repetitive ist sehr gut gemacht und gibt dem Stück viel Atmosphäre. Im Prinzip wurde damit eines der Elemente in den neuen Sound herübergerettet, die auch den Black-Metal-Liedern von Nocte Obducta einen ganz eigenen Charakter gegeben haben.
Warum passiert so etwas nicht öfter? Leider ist es auf “Umbriel” so, dass Nocte Obducta ihr neues Konzept fast nie so gut umsetzen wie in “Leere”. Im Allgemeinen passiert auf diesem Album einfach zu wenig, um den Hörer bei ständig gleichem Tempo und ständig gleichem Grundton der Musik bei der Stange zu halten. Es wird zu wenig Abwechslung geboten, was gerade bei einem Album von rund 70 Minuten Laufzeit schwer ins Gewicht fällt. Die merkwürdig wabernden Ausbrüche in Ambient-Elektronik helfen da auch nicht weiter. “Mehr Hass” als ein mal etwas lebhafteres Stück macht den Bock ebenfalls nicht mehr fett.
Insgesamt taugt “Umbriel” sicher gut als gleichmäßige, düstere Begleitmusik zu was auch immer, die keine größere Aufmerksamkeit verlangt. Wirkliche Hits sollte man dementsprechend auf dem Album aber nicht erwarten. An und für sich wäre “Umbriel” damit ein knapp durchschnittliches Post-Rock-Album. Das Konzept ist okay, die Umsetzung aber zu unspektakulär. Was in diesem Fall aber hinzukommt ist die Vorgeschichte von Nocte Obducta, an die man sich vor allem wegen ihrer Black-Metal-Alben erinnert.
Im Angesicht dessen kann man nur sagen, dass der Stilwechsel von Black Metal zu Post Rock für Nocte Obducta voll in die Hose gegangen ist. Dass eine Band auch mal experimentiert macht die Sache ja noch nicht automatisch schlechter. Man muss sich aber fragen, was Nocte Obducta früher ausgemacht hat. Zu ihren Black-Metal-Zeiten war es vor allem die hohe Intensität gepaart mit Variantenreichtum, niveauvollen Texten und der Fähigkeit, eine schlichtweg mitreißende Atmosphäre zu kreieren.
Die Intensität ist vollends verloren gegangen – bei durchgehendem Downtempo und dem weitgehenden Verzicht auf Blastbeats auch kein Wunder. Der Variantenreichtum geht ebenfalls Flöten, da das Klangbild sich praktisch 70 Minuten lang nicht ändert. Auch in diesem Punkt rächt sich das Beharren auf Downtempo wieder. Von den Texten auf “Umbriel” sind einige nach wie vor gut, das muss man wirklich sagen. Es gibt aber auch Stücke wie “Ein Nachmittag mit Edgar”, in denen Nocte Obducta textlich etwas unmotiviert einen auf Eisregen machen. Außerdem läuft der Löwenanteil des Albums ja instrumental ab, als Herausstellungsmerkmal taugen die Texte also kaum noch. Von einer mitreißenden Atmosphäre kann auch nicht mehr die Rede sein, durch die immer gleiche Geschwindigkeit und Tonlage fehlen hierfür schlichtweg die Grundlagen. Wenige Glanzpunkte wie “Leere” bilden die Ausnahme.
So bleibt die Frage, warum die Musiker für “Umbriel” Nocte Obducta reaktivieren mussten. Nocte Obducta ist die Band, die einst mit Liedern wie “Und Pan spielt die Flöte” Stücke für die Ewigkeit gemacht hat. Nocte Obducta ist die Band, die sich im Bereich des niveauvollen deutschsprachigen Black Metal einst in eine künstlerische Liga mit Dornenreich und Eïs gespielt hat.
Vor diesem Hintergrund bleibt alten Nocte-Obducta-Fans wohl als einziger Trost, dass Sänger Torsten mit Agrypnie noch eine wirklich gute Black-Metal-Gruppe am Start hat, die stilistisch den früheren Nocte Obducta ähnelt. Nocte Obducta selbst schaffen sich mit dieser mäßigen Mischung aus Post Rock, Doom Metal und Ambient-Gedudel kein Ruhmesblatt.
Fazit
“Umbriel” ist eine mäßige Platte irgendwo zwischen Post Rock und Doom Metal. Das tragische daran ist im Grunde nicht das Album selbst, sondern dass hierfür das Label Nocte Obducta verbraten wurde. Sicher, manchem Hörer wird auch eine sehr gleichmäßige Post-Rock-, Doom-Metal- und Ambient-Platte gefallen. In den Augen vieler alter Fans jedoch hat die Band mit “Umbriel” wohl ihr Erbe verspielt.
Punkte: 5 / 10
Rezension: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de