Bericht vom Wave Gotik Treffen 2011 in Leipzig

WGT 2011

Zum nunmehr 20. Mal war Leipzig zu Pfingsten schwarz.

Was 1992 mit acht Bands, einer Location und etwas mehr als 1.000 Besuchern anfing hat sich nach 20 Jahren zu einem riesigen Spektakel mit circa 23.000 zahlenden Besuchern und 280 über ganz Leipzig verteilten Bands entwickelt.

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Banner des WGT, Grafik: wave-gotik-treffen.de

Donnerstag, 09.06.2011 

Der offizielle Beginn des diesjährigen WGTs war der 09.06.2011 mit sechs von neun Bands des aller ersten Wave Gotik Treffens vom 29. und 30. Mai 1992.

Das Ich, Sweet Wiliam, Henkes Goethes Erben, Age Of Heaven, The Eternal Afflict und Love Like Blood rockten donnerstags die „Agra Halle“, die seit Jahren der Mittelpunkt des WGT ist.

Der Auftritt von Das Ich wurde leider durch die Abwesenheit des Sängers Stefan Ackermann getrübt, der auf der Intensivstation lag. Zwar wurde Bruno Kramm von mehreren befreundeten Sängern (unter anderem Oswald Henke) unterstützt, trotzdem war das Konzert nicht das selbe wie mit Stefan Ackermann.

Ob es Trotzdem ein Erfolg war muss jeder Zuhörer für sich selbst entscheiden.

Dafür lief Henke mit Goethes Erben zur Hochform auf und bewies mal wieder mit seinen Texten, dass Genie und Wahnsinn zwar dicht beieinander liegen, aber er ganz klar ein musikalisches Genie ist.

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Oswald Henke auf der Agra Bühne

Wer nach guten vier Stunden Konzertgenuss noch nicht genug hatte (oder wer die Bands nicht sehen wollte), konnte sich auf einer der vielen Partys amüsieren.

Neben den klassischen Partys in der „Moritzbastei“, der „Agra-Halle 4.2“ oder der „Dark Flower“ Disco gab es in diesem Jahr auch einige neue Events, wie unter anderem den „Dunkelromantischen Tanz der Blauen Stunde“, der im Schein von Fackeln und der Sterne vor dem Parkschlösschen stattfand.

 

Freitag, 10.06.2011 

Ein absolutes Highlight des WGT ist immer wieder das „Viktorianische Picknick“, das zum zweiten Mal im Clara Zetkin-Park stattfand.

Leider nahmen diverse Fernseh-Teams und Horden von schaulustigen Besuchern dieses Jahr viel von der Stimmung. Trotzdem schienen sich die meisten Teilnehmer in ihren viktorianischen, barocken, Gothic-Lolita- und, zum ersten Mal auch vermehrt Steampunk,- Outfits trotzdem zu amüsieren.

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Besucher des Viktorianischen Picknicks. Danke für das Foto an Dominik Herz von corcordis.de

Wer sich sonst die Zeit bis zu den ersten Bands vertreiben wollte, konnte es auch dieses Mal im „Heidnischen Dorf“ tun, das um ein paar Ecken erweitert wurde. Hier konnte wieder zu gutem Met, Wein, altertümlichem Essen und toller Livemusik geschaut, geshoppt oder einfach nur die gute Stimmung genossen werden.

Dazu wurden in diesem Jahr auch zum ersten Mal Wikingerschaukämpfe geboten. Diese waren nicht nur toll anzusehen; Mit viel Humor wurde auch ein grober Überblick über die benutzen Waffen und Rüstungen aus der Zeit der Wikinger geboten. Wer noch mehr Informationen darüber haben wollte, konnte sich diese danach bei den lagernden Nordmännern holen.

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Wikinger-Showkampf im heidnischen Dorf

Wem das Shoppen im „Heidnischen Dorf“ oder auf dem Mittelaltermarkt der „Moritzbastei“ nicht reichte, konnte natürlich auch in Leipzig selbst shoppen. Alternativ konnte man in die Agra Halle zum Gothic Warenhaus gehen und dort nach Herzenslust alles einkaufen was das schwarze Herz begehrt. Von Klamotten über Schmuck bishin zu Sachen mit denen man sich in den eigenen schwarzen vier Wänden wohlfühlt wurde alles angeboten.

Dort wurde auch das Buch von „Black Celebration“ des Plöttner Verlages (bekannt durch das Buch „Schillerndes Dunkel“, wir berichteten 2010) verkauft. Das Buch enthält Geschichten von Künstlern aus der 20-jährigen Geschichte des Treffens. Eine Besonderheit des Buches ist, dass die Beiträge zweisprachig gehalten sind und daher auch für englischsprachig Interessierte lesbar sind.

Wer nicht die Katze im Sack kaufen wollte, konnte sich bei einer Lesung in der Stadtteilbibliothek etwas daraus vorlesen lassen und sich dann entscheiden.

Wenn man dann sowieso schon in der Stadt war, konnte man auch gleich einem der zum ersten Mal teilnehmenden „Museen der bildenden Künste oder für angewandte Kunst“ einen Besuch abstatten. Besuchen konnte man auch das Cinestar und sich dort einen der im WGT-Bändchen mit inbegriffen Filme anschauen. Ebenfalls angeboten wurden auch in diesem Jahr wieder diverse Opern, die auch sehr gut besucht waren.

Ab dem Nachmittag ging es dann wieder mit Konzerten an diversen Veranstaltungsplätzen los. Unter anderen spielte Covenant in der „Agra Halle“, Diorama im „Werk II“ oder File Not Found in der „Moritzbastei“.

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Covenant auf der Agra Bühne

Das absolute Highlight und gleichzeitig die letzte Band des Freitagabends waren aber Deine Lakaien, die in einer bis auf den letzten Platz belegten „Agra-Halle“ das Haus zum Kochen brachten.

Während vorher bei Covenant noch etwas Platz zum Tanzen wahr (der sehr ausgiebig genutzt wurde) war bei Deine Lakaien  leider keiner mehr. Dafür war dann Stehen wie in eine Sardinendose angesagt, was aber einer genialen Stimmung keinerlei Abbruch tat.

Nach gelungen Konzerten konnte man natürlich wieder bis in die frühen Morgenstunden mit bekannten DJs (unter anderem „DJ Honey“ von Welle:Erdball) in diversen Clubs und Locations feiern. Oder man sah sich um Mitternacht in der zum ersten Mal teilnehmenden „Absintherie La Pettie“ den Klassiker „Nosferatu“ an.

Egal was man machen wollte, es wurde für jeden etwas geboten.

 

Samstag, 11.06.2011 

Auch am Samstag Vor- und Nachmittag wurde wieder viel geboten. Unter anderem gab es das schon fast traditionelle „WGT Treffen für Models und Fotografen“ vom Szene Fotografen Martin Black im „Agra Bistro“ oder das Live Rollenspiel „Vampire – Die Maskerade“ auf der „Insel“.

Natürlich gab es wieder diverse Lesungen und auch die Kirchen öffneten ihre Türen für das Schwarze Volk. In der „Lutherkirche“ konnte man die „21 Festtage des Mittelalters und Renaissance“ bewundern oder in der „Peterskirche“ diverse Bands und Orchester.

Wem dies alles zu stressig war oder wer es ruhiger angehen wollte, konnte sich aber auch ganz einfach vor die Agra Halle setzen und das Schaulaufen der anderen Besucher beobachten. Dort fiel auf, dass die im letzten Jahr noch stark vertretenen Cyber- und Uniform-Outfits sehr rückläufig waren, es aber dafür sehr viele schöne Steampunk-Outfits zu bewundern gab.

Leider haben ein par kurzzeitige Regenschauer das Schaulaufen und Bewundern an diesem Tag sehr verkürzt.

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Besucher des WGT vor der Moritzbastei

Am Nachmittag standen dann viele WGT Besucher wieder vor einem altbekannten Problem: Was soll ich mir anschauen?

Faderhead, Feindflug und Front 242 in der „Agra Halle“? Lacrimas Porfundere und Girls Under Glass auf  der Parkbühne? Faun und die Feuergaukeley Philipus im „Heidnischen Dorf“? Oder sollte man in die „Sixtina“ zum Hofkino von „Operation Atahualpa“ mit anschließender Lesung gehen? Oder auf die Fetisch- und SM-Party „Obsession Bizarr“ ins „Pantheon“?

Egal für was man sich als Besucher entschied, überall feierten schwarz gekleidete Menschen friedlich zusammen.

Wer nach einem langen Samstag immer noch nicht genug gefeiert hatte, konnte dies natürlich auch wieder in einer der vielen altbekannten oder neuen Locations wie dem „Victor Jara“ oder der „Villa“ tun.

 

Sonntag, 12.06.2011 

Wer glaubt, nach drei Tagen würde es in Leipzig ruhiger, täuscht sich massiv.

In ganz Leipzig waren Besucher des WGT unterwegs. Aber sie waren nicht allein, weitaus mehr schaulustige „normale“ Menschen bewunderten vor dem Mittelaltermarkt auf der „Moritzbastei“, im „Heidnischen Dorf“ (auch für normalzahlende Besucher geöffnet) und in der leipziger Innenstadt das nicht immer schwarz gekleidete Volk.

Auch in der „Peterskirche“ waren zum nun traditionellen Szenegottesdienst viele Gothics anzutreffen. Die Gothic Christen bewiesen damit nun auch zum zehnten Mal in Folge, dass Gothic und Christ Sein kein Widerspruch ist. Wer es lieber etwas klischeehafter haben wollte konnte aber auch zum „Südfriedhof“ pilgern, wo die Trauerhalle zur Besichtigung offen stand.

Konzertmäßig fand ich persönlich den Sonntag etwas unglücklich. Während die altgediente britische Gothic Band Nosferatu mir mit 18:30 Uhr definitiv zu früh spielte, um gute Stimmung mit ihren Lieder rüberzubringen, gab es zu Camouflage in der „Alten Messe-Halle 15“ selbst bei frühzeitigem Anstellen kein Reinkommen mehr.

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Ein kleiner Teil der Schlange vor Halle 15

Leider war das „Heidnische Dorf“ durch die normal zahlenden Besucher zeitweise einfach nur überlaufen, sodass es – egal wo man hin ging – fast überall eng wurde. Die Enge ging abends zwar in den Clubs wie der „Agra 4.2“ weiter, dies hielt aber niemanden ab, auf oder vor der Tanzfläche zu tanzen und zu feiern.

 

Montag, 13.06.2011 

Während es sonntags vielerorts noch voll war, merkte man montags vor allem auf den Campingplätzen die Aufbruchstimmung. Viele Zelte wurden abgebrochen und es öffneten sich wieder viele kahle Stellen in der vorher noch so undurchdringlich wirkenden Zeltlandschaft. Auch auf den Karawan-Plätzen wurden wieder Stellplätze frei und Horden von schwarz gekleideten Menschen brachten Koffer und Taschen zu den Autos.

Still wurde es auf dem WGT aber noch immer nicht. Egal, ob man zum traditionellen Mittelalter Montag zu Coppelius (der einzigen WGT Band mit Privat-Butler) oder Eluveitie in die „Agra-Halle“ ging oder sich wieder in die Schlange der Wartenden zu Hocico oder Nitzer Ebb einreihte – überall wurde fröhlich weiter gefeiert.

Natürlich konnte der Montag auch zum Shoppen genutzt werden, da die Händler im Gothic Warenhaus viele Rabatte auf ihre Waren anboten oder mit sich Handeln ließen, um nicht alles wieder einpacken zu müssen.

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Gothic-Warenhaus in der Agra

Im „Heidnischen Dorf“ konnten nochmal ein Kampfspektakel oder Mittelalter Bands wie Capud Draconis bewundert werden. Natürlich konnte man sich auch mit, Brot, Met und Federweißen für die Heimfahrt oder die Zeit nach dem WGT eindecken.

Wer nach den Bands immer noch Lust hatte zu feiern, konnte dies ein letztes Mal auf einem der vielen WGT-Abschlusspartys machen. Dort heizte den Besuchern unter anderem das „DJ Team Hocico“ mächtig ein.

Zahlen rund ums WGT:

  • ca. 23000 zahlende Besucher
  • ca. 3000 Künstler, Musiker, Gäste und Medienvertreter
  • rund 50 Veranstaltungsorte
  • ca. 280 Bands
  • ca. 100 Veranstaltungen außerhalb der Szenekonzerte
  • ca. 10 Fernsehteams

Allerdings lies Pressesprecher Cornelius Brach verlauten, dass die hohe Zahl an Künstlern und Orten eine Ausnahme zum Jubiläum war und ein weiterer Ausbau nicht geplant ist, da es zu vielen zeitlichen Überschneidungen kommen würde.

Zum Abschluss noch ein paar Worte mit einer persönlichen Note:

In den vergangen Jahren, und auch auf diesem WGT, wurde wieder viel darüber geredet, dass Gothic zum Mainstream wird. Viele neue Musikrichtungen, die sich innerhalb der Szene gebildet haben, wurden abschätzig und nicht gerade tolerant begutachtet.

Veränderung gehört zum Leben, und wenn ich sehe wo das WGT herkommt und wie es begonnen hat, finde ich doch, dass wir stolz darauf sein können, dass aus einem kleinen Festival mit ein paar Bands ein Event geworden ist, zu dem nicht nur Gothics aus den Nachbarorten kommen, sondern Gothics aus aller Herren Länder.

Und egal, welcher Nation oder Religon, welchem Alter, Geschlecht oder welcher Musikrichtung innerhalb der Gothicgemeinschaft sie angehören; wir haben dem Rest der Welt wieder einmal bewiesen, dass wir alle eine Familie sind, die friedlich und vereint zusammen feiern kann.

Sollen doch im nächsten Jahr so viele Fernsehteams kommen wie wollen, ich und viele andere werden sicher wieder dabei sein um auf den Campingplätzen und in den Hallen einen weiteren Teil der Gothicfamilie kennen zu lernen und auch das 21. Wave Gotik Treffen so unvergesslich zu machen wie die anderen 20 davor.

 

Bericht: Sven Bähr, Sven(at)dark-festivals.de

Hinweis: Die Fotogalerie zum Wave Gotik Treffen 2011 ist aufgrund technischer Umbaumaßnahmen im Jahr 2013 nicht mehr online.