Es hätte niemanden gewundert, wenn das Metal Up Your Life dieses Jahr nicht mehr realisiert worden wäre. Die Metal-Konzertreihe in der Oetinger Villa in Darmstadt stand vor einem gravierenden Problem: Die Villa durfte coronabedingt nur vor 20 Zuschauern bespielt werden.
Unter diesen Umständen hätten die meisten Veranstalter das Konzert sicher abgesagt. Und wer hätte es ihnen verübeln können? Das Metal Up Your Life griff jedoch zu einer Lösung, die so ungewöhnlich wie idealistisch war: Das gesamte Konzert wurde am zurückliegenden Wochenende einfach drei Mal gespielt!
Zwei Durchgänge fanden am Samstag statt, der dritte dann am Sonntagmorgen. Bei der Sonntagsvorstellung am 25. Oktober war ich mit vor Ort. Hier folgt nun der Rückblick auf Metal am Morgen unter den Vorzeichen von Corona.
Es kommt nicht alle Tage vor, dass man sich für ein Metal-Konzert den Wecker stellen muss. Aber was ist dieses Jahr schon normal? Nach den zwei Durchgängen am Samstag startete die dritte Runde des Metal Up Your Life am Sonntagmorgen um 11 Uhr. Doch nicht nur wegen der Uhrzeit hatte so ein Metal Up Your Life noch niemand erlebt.
Was sonst ein familiäres Metal-Event mit dicht gedrängtem Publikum ist, fand nun unter scharfen Hygieneauflagen statt. Sitzplätze, Abstand halten und Getränkeverzehr nur am Platz verstanden sich dabei ja fast schon von selbst. Die Bands des auf drei Gruppen halbierten Lineups spielten alle Sets um die 30 Minuten, nach denen der Saal jeweils komplett durchgelüftet wurde.
Außerdem standen auf der Bühne zwei Wandelemente aus Plexiglas und auch die Toilettengänge waren strikt geregelt. Relativ kurzfristig hatten die Behörden auch noch die Auflage verhängt, dass die Besucher ihre Gesichtsmasken auch am Platz zu tragen hatten. Es wurden wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Infektionsrisiko zu minimieren.
Fast schon kurios mutete das Mitsing-Verbot an. Ja, es war trotz Maske tatsächlich verboten mitzusingen. Mancher mochte es anfangs für einen Witz halten, aber auch das war Teil des Hygienekonzepts. Seinen Zuspruch konnte man stattdessen mit Pappschildern kundtun. Auf den Sitzplätzen verteilt lagen Schilder mit frohen Botschaften wie „Metal!“ oder „Geil!“, die die Zuschauer nach Belieben schwenken konnten.
Los ging das Konzert mit dem Akustik-Set von All Will Know. Die Durchgänge am Samstag wurden noch durch das Duo He.artwork eröffnet. Da He.artwork am Sonntag aber beruflich verhindert waren, sorgten All Will Know nun selbst für den akustischen Einstieg.
Ihr Akustik-Set, das vor allem durch das verwendete Saxophon einen hohen Wiedererkennungswert hat, kam richtig gut an. Offensichtlich bestand Einigkeit darüber, dass eine Akustik-Show als gemütlicher Einstieg in einen musikalischen Sonntagmorgen eine feine Sache ist.
Für die nun folgenden Metal-Shows wurde der Raum komplett abgedunkelt, was der Atmosphäre eines „normalen“ Abend-Konzerts schon näher kam. Den Anfang in Sachen Metal machten Third Wave. Die Modern-Metal-Band musste ohne ihren üblichen Sänger auskommen. Einer der Gitarristen übernahm deshalb auch den Gesang.
Third Wave hoben hervor, dass es ein schönes Erlebnis ist, unter diesen Umständen wieder ein Konzert spielen zu können. Das Publikum war zweifellos der gleichen Meinung und honorierte die Show mit Applaus und teils auch (sitzendem) Headbangen.
Eine Umbau- und Lüftungspause später ging es mit Words of Farewell weiter. Die Melodic-Death-Metal-Band zeigte, dass man auch ein sitzendes Publikum gut animieren kann. Ihr Sänger gab die Gebrauchsanweisung für ein Konzert in Corona-Zeiten bekannt: Mehr Headbangen und weniger Kommunizieren!
Gesagt, getan. Die Zuschauer waren richtig gut dabei und ließen sich begeistern. So freuten sich Words of Farewell auch über ihr kleines, aber sehr reges Publikum. Nach ihrer halben Stunde Spielzeit bedankte sich die Band bei allen, die „trotz der bizarren Umstände“ an diesem Sonntagmorgen zum Metal-Konzert gekommen waren.
Um 13:15 Uhr standen schließlich wieder All Will Know auf der Bühne – dieses Mal mit ihrem Metal-Set. Die Modern-Metal-Band füllte die knappe Spielzeit mit den eingängigsten Liedern ihres Repertoires. Von „This Circle Never Ends“ bis „The Weakest Spot“ war alles dabei was Schwung hat und eingängig ist.
Auf den Sitzplätzen wurde weiter fleißig geheadbangt. Klar: Wer in diesen Zeiten und unter diesen Umständen auf ein Metal-Konzert geht, der will es wirklich. So zeigte sich das kleine Publikum durchgehend begeisterungsfähig und von seiner besten Seite. Am Ende gab es dann noch „Behind You Mask“ als Zugabe und gegen 14 Uhr fiel der imaginäre Vorhang.
Was bleibt ist das gute Gefühl, der Pandemie wieder eine kleine Kulturveranstaltung abgerungen zu haben. Und die Erkenntnis, dass Stimmung und Freude auch bei einem Sitzkonzert auf Abstand drin sind.
Zum Schluss soll aber noch Jan Jansohn zu Wort kommen, der Gitarrist von All Will Know. Er ist gleichzeitig Veranstalter des Metal Up Your Life und nahm sich die Zeit für das folgende kurze Interview.
Wie ist es das selbe Konzert drei Mal in weniger als 24 Stunden zu spielen?
Jan: Sehr schön! Auch aus spieltechnischer Sicht. Man hat genug Zeit die Fehler, die man im ersten Set gemacht hat, gegenüber dem nächsten und übernächsten Set zu verbessern. Und dafür neue Fehler zu machen.
Wie empfindest du es generell, vor nur 20 Leuten auftreten zu können?
Jan: Ich empfinde es nicht als unangenehm. Gerade heute bei dem Set sind alle Leute super abgegangen. Es macht auf jeden Fall sehr viel Spaß wenn Reaktionen zurückkommen – Arme, Schilder, wie die Leute sich bewegen. Auch wenn es nur 20 Zuschauer sind, sieht man trotzdem das Interesse der Leute und wie sie mitgehen.
Ihr musstet dieses Mal einen hohen Organisationsaufwand betreiben, Hygieneauflagen beachten, habt Korrespondenz mit dem Gesundheitsamt geführt und die Adressen von allen Zuschauern eingesammelt. Und das alles für drei Durchgänge mit je 20 Zuschauern. Man bekommt leicht den Eindruck, dass Aufwand und Ertrag da in keinem Verhältnis stehen. Warum habt ihr euch dennoch für eine Durchführung entschieden und nicht für die Absage?
Jan: Weil ich sehr davon ausgehe, dass uns Corona noch das ganze nächste Jahr beschäftigen wird und man bei der Kultur nicht einfach anderthalb Jahre auf den Pause-Schalter drücken kann. Sei es für alle, die in der Kreativwirtschaft tätig sind, Techniker, Clubs und Bands. Natürlich auch für die Fans. Bei jedem Konzert, das ich jetzt gespielt habe, auch mit meinem Jazz-Bands, kam immer super Feedback. Die Leute freuen sich sehr und sind ausgehungert nach Live-Konzerten. Es sind sogar Langhaarige in schwarzen T-Shirts bei meinen Jazz-Konzerten aufgetaucht, weil sie so viel Bock auf Live-Musik hatten. Deswegen finde ich: Wenn es ein gutes Hygienekonzept gibt, sollte man in dieser Zeit alles möglich machen was geht.
Du hast schon gesagt, dass uns Corona wahrscheinlich auch nächstes Jahr noch beschäftigen wird. Selbst wenn im Frühjahr der Impfstoff kommt, könnte es Monate dauern bis ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist. Hygieneauflagen und Abstandsregelungen könnten uns daher bis weit ins nächste Jahr begleiten. Was ist wahrscheinlicher: Dass das Metal Up Your Life noch zwei, drei Mal in der Abstands-Variante stattfindet oder dann doch aussetzt bis alles wieder normal läuft?
Jan: Ob der Impfstoff bald verfügbar ist, ist so eine Glaubenssache. Erst wird dann medizinisches Personal geimpft, dann Risikogruppen. Bis es eine flächendeckende Impfung gibt kann es dauern. Das heißt, im nächsten halben Jahr geht auf keinen Fall was. Ich befürchte eigentlich, dass es noch das ganze nächste Jahr Einschränkungen gibt oder vielleicht noch länger. Es ist deshalb schon wahrscheinlich, dass es wieder eine Sitz-Variante mit viel Abstand gibt. Wenn eine größere Location dem Metal Up Your Life und mehr Gästen zeitweilig Corona-Asyl gewähren würde, wäre ich vielleicht auch nicht abgeneigt und würde darüber nachdenken. In der Villa ist es mit den Personenzahlen eben so wie wir das heute erlebt haben.
Dein Fazit zum Metal Up Your Life an diesem Wochenende?
Jan: Super! Es hat total Spaß gemacht und gab auch viel tolles Feedback von den Besuchern. Das hat dann auch den ganzen Mehr-Organisationsaufwand mit Adressen sammeln und so weiter wett gemacht.
Bericht und Interview: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
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