Die volle Dröhnung Hardcore und Metalcore, gewürzt mit abwechslungsreichen Kontrasteinlagen von Rock bis Punk. So kann man am ehesten das Konzept des Pell Mell Festivals beschreiben, das jährlich in Obererbach im Westerwaldkreis stattfindet.
Dieses Jahr ging das Pell Mell Festival am 31. August und 1. September über die Bühne. Mit dabei waren 16 Bands von regionalen Newcomern bis hin zu internationalen Größen der Szene. Zeit für einen Rückblick!
Tag 1 – Freitag, der 31.08.2018
Das Festival im äußersten Nordosten von Rheinland-Pfalz startete bei optimalem Wetter: Trocken, warm, aber nicht zu heiß. Eröffnet wurde das Pell Mell pünktlich um 16 Uhr von Driven. Dass die wenigsten Festivalbesucher schon zur ersten Band anwesend sind, ist wohl auf jedem Festival üblich. Driven hatten jedoch besonderes Pech.
Beim Konzert der regionalen Band zwischen Metal und Rock standen weniger als zehn Zuschauer vor der Bühne. Die Versuche der Band, das kleine Publikum zum Mitsingen zu bringen, waren ebenso mutig wie erfolglos.
Wirklich viel Publikum hatten auch She Sells Sea Shells nicht, immerhin aber deutlich mehr als Driven. Rund 35 Minuten lang zeigte die Band mit dem Zungenbrecher als Namen was sie kann. Ihr Metalcore mit elektronischem Überbau brachte die kleine, aber durchaus interessierte Zuschauermenge in Bewegung.
Ab 18 Uhr spielten Skywalker, die kurzfristig für die erkrankten Our Hollow, Our Home eingesprungen waren. Zum ersten Mal für diesen Tag war es vor der Bühne einigermaßen voll. Die erste Reihe war besetzt, dahinter tanzten die Fans ausgelassen zur Show der tschechischen Metalcore-Band. Auch wenn Skywalker nur 30 Minuten spielten, war die Stimmung gut.
Um 19:10 Uhr schlug die Stunde der ersten wirklich bekannten Band des Festivals. Die Rede ist von Born From Pain. Zum Auftritt der Hardcore-Truppe füllte sich der Zuschauerraum merklich, nur eine kreisrunde Fläche inmitten der Menge blieb für die ganz bewegungsfreudigen Fans frei. Zu Songs wie „Dance With The Devil“ feierten die Zuschauer ordentlich, auch das Circle Pit klappte sofort.
Noch einmal deutlich mehr Publikum zogen Alazka an. Pünktlich zum Auftritt der Metalcore-Band war es auf einmal richtig voll. Ihre Fans bereiteten Alazka einen schwungvollen Empfang und die Gruppe aus NRW drehte so richtig auf. Die Bandmitglieder sprangen wie wild über die Bühne, die Fans im Zuschauerraum taten es ihnen gleich. Viele Festivalbesucher waren geradezu euphorisch, wer konnte schrie laut die Texte mit.
Über den Köpfen der Menge drehten erste Crowdsurfer ihre Runden, die beiden Sänger von Alazka sprangen unterdessen in den Bühnengraben und gingen auf Tuchfühlung mit den Fans. Von der Stimmung her konnte man sich fragen, ob hier etwa schon der Headliner spielte. Bei all dem Entertainment sprachen Alazka aber auch ernste Themen an und gedachten zwischendurch dem kürzlich an einer Drogenüberdosis verstorbenen Sänger von We Came As Romans.
Nach all den Core-Bands gab es mit Le Fly anschließend das komplette Kontrastprogramm. Die Hamburger waren mit ihrer Gute-Laune-Musik an diesem Tag praktisch der Farbtupfer im Lineup. Ihr Crossover mit Versatzstücken aus Rock, Pop und Sprechgesang wurde vom Pell-Mell-Publikum bestens angenommen. Die Festivalgänger sprangen und tanzten, auch einige Crowdsurfer waren zu sehen. Am Ende gingen die Leute sogar zu „Samba De Janeiro“ ab!
Um 23:30 Uhr ging es mit Tages-Headliner Madball druckvoll und unmissverständlich zurück in den Hardcore-Bereich. Zum Auftritt der New Yorker Hardcore-Legenden drängten sich die Fans dicht an dicht. Von Anfang an standen alle Zeichen auf Abriss. Madball-Sänger Freddy fegte wie eine Flipperkugel über die Bühne, die Menge tobte sich aus und brachte das Absperrgitter zum Wackeln.
Zum letzten Mal für diesen Tag mobilisierten die Festivalbesucher alle Kräfte. Es waren auch richtig viele Crowdsurfer zu sehen – wie auch immer die es über die tobende Menge nach vorne geschafft hatten. Die Stimmung war großartig und Madball führten den ersten Festivaltag zu einem gelungenen Abschluss.
Tag 2 – Samstag, der 01.09.2018
Der Samstag bot neun Bands auf und damit noch zwei mehr als der Freitag. Den Anfang machten pünktlich um 13:50 Uhr I Am Noah. Die Metalcore-Band lockte immerhin schon einige Dutzend Fans vor die Bühne, der Andrang war also größer als bei der Eröffnungsband des Vortags. Bei schönstem Sonnenschein legten I Am Noah eine absolut taugliche Opener-Show hin.
Die Veranstalter des Festivals spendierten währenddessen Freibier. In der Umbaupause wurde der Platz vor der Bühne gewässert, da dieser mittlerweile extrem staubte. Einige Festivalbesucher nutzten diese Gelegenheit gleich für eine willkommene Abkühlung.
Musikalisch ging es mit 4 Zimmer Küche Bad weiter. Die regionale Band bot relativ geradlinige Rockmusik mit deutschsprachigen Texten aus dem gesellschaftskritischen Bereich. Vor der Bühne standen dabei sichtbar weniger Zuschauer als bei I Am Noah. Von einzelnen treuen Fans abgesehen waren die Publikumsreaktionen zunächst verhalten, gegen Ende dann aber besser.
Nachdem erneut der Platz gewässert wurde, standen Our Mirage auf der Bühne. Die Newcomer spielten sehr melodischen, weichen Metalcore. Der sanfteste Metalcore des Festivals zog nicht besonders viele Zuschauer an, einige Damen in der ersten Reihe waren aber hin und weg und sangen auch fleißig mit. Hier war offenbar die Fanbasis aus dem Ruhrpott am Start.
Obwohl es mittlerweile nach 17 Uhr war, schien an diesem Samstag der Hochsommer zurückzukehren. Auch das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass Elfmorgen wie schon Our Mirage nicht sehr viel Publikum anzogen. Das Trio bot flotten deutschsprachigen Rock mit Schmiss. Elfmorgen kamen durchaus an, auch wenn vor der Bühne nur eine Handvoll Fans tanzte. Applaus gab es nämlich auch von denen, die das Geschehen von den schattigen Sitzplätzen aus verfolgten.
Gegen 18 Uhr hatte es sich endlich abgekühlt. Man konnte sich nun sehr angenehm bewegen und brauchte keinen Schatten mehr. Perfekte Voraussetzungen also für das Konzert der Rogers. Die vierköpfige, fetzige (Punk-)Rock-Band konnte sich über einen gebührenden Empfang ihrer Fans freuen. Sofort zog die Stimmung merklich an und auch der Besucherandrang nahm deutlich zu.
Zum ersten Mal für diesen Tag konnte man sagen, dass es wirklich voll war. In der Menge war viel Bewegung zu sehen, die Menschen feierten und sangen die Texte mit. Gegen Ende der Show gab es zu „Kreuzberger Nächte“ sogar eine Polonaise quer über den Platz.
Ab 19:10 Uhr waren A Traitor Like Judas zu sehen, die das Pell Mell Festival im Rahmen ihrer Abschiedstournee besuchten. Sänger Jasper humpelte mit zwei Krücken auf die Bühne und begrüßte die Menge mit der Ansage: „Wir sind A Traitor Like Judas – und wir sagen nicht ab!“. Der Applaus war ihm gewiss. Trotz seiner Verletzung hüpfte Jasper mit einem Bein auf der Bühne herum.
Setzte er sich auf seinen Hocker, wurde die Krücke beinahe zum Dirigentenstab, mit der er die Menge orchestrierte. Der Publikumsandrang war groß und die Menge feierte ausgelassen zu den Klängen der Metalcore-Band. Auch Crowdsurfer ließen nicht lange auf sich waren. Dass A Traitor Like Judas auf Abschiedstournee waren, musste man sich bei der Energie, die die Band hier versprühte, wirklich vor Augen halten. Zwischen ihren Liedern nutzte die Gruppe die Zeit für diverse politische Ansagen gegen Nazis, gegen Trump oder auch für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Wieder weit weg vom Metalcore-Genre ging es mit Destination Anywhere. Die Band steht für Stimmungs-Rock mit Trompete, Saxophon, Zugposaune – und einem Entertainer im Walross-Kostüm! Die Menge hatte richtig Lust auf die bunte Truppe, den ersten Crowdsurfer gab es sogar schon beim Soundcheck. Von Anfang an gingen die Zuschauer ab, sangen die Texte mit und tanzten wild durcheinander.
Crowdsurfer gab es praktisch durchgehend, egal ob zu den eigenen Liedern der Band oder zu Coverversionen. Der Höhepunkt des Konzerts war gekommen, als Destination Anywhere ihre Bläser mitten im Publikum platzierten und sich um die drei Musiker ein beeindruckender Circle Pit bildete.
Swiss und Die Andern lieferten danach ab 22 Uhr Rap-Rock mit großem Spaßfaktor, aber auch mit politisch linken Texten. Die Menge sprang was das Zeug hielt, eingefleischte Fans sangen auch kräftig mit. Trotz manch ernster Ansage zur politischen Lage im Land stand natürlich die Stimmung im Vordergrund. Die war durchgehend prächtig, vor der Bühne drängten sich die Menschen und tanzten.
Auch Crowdsurfer waren unterwegs. Neben dem handelsüblichen Crowdsurfen (von hinten nach vorne) war auch ein „umgekehrtes“ Crowdsurfen zu beobachten. Dabei gaben Mitarbeiter der Security entweder ihre Kollegen oder aber Leute aus dem Organistations-Team aus dem Bühnengraben heraus von vorne nach hinten durch. Klappte wunderbar!
Um 23:30 Uhr war es an der Zeit für den Headliner Deez Nuts. Die australische Hardcore-Band hatte weniger Publikum als Madball am Vortag, die Stimmung war aber ebenso feurig. Der Bass drückte breit aus den Boxen und die Menge tobte sich richtig aus. Zu bekannten Liedern wie „Band Of Brothers“ oder „Face This On My Own“ gab es kein Halten mehr.
Crowdsurfer landeten wie am Fließband in den Armen der Security, die Fans holten noch einmal alles aus sich raus. Das Konzert der Deez Nuts war ein würdiger Schlusspunkt des Festivals – wenn auch mit einem Wermutstropfen. Die Australier spielten nämlich nur gut 40 Minuten lang. Für Deez Nuts war es das zweite Konzert an diesem Tag, denn am Mittag hatte die Band bereits beim Fallen Fortress Open Air in Bad Dürkheim gespielt. Vielleicht hielten sie ihre Show auf dem Pell Mell Festival auch deshalb recht kurz. Ihr Auftritt war zweifellos durchweg gelungen, eine viertel Stunde mehr hätte es als Headliner aber ruhig noch sein dürfen.
Das Fazit zum Pell Mell Festival insgesamt: Eine absolut lohnende Veranstaltung. Was die Veranstalter hier für ein hochkarätiges Lineup in den Westerwald geholt haben, verdient alle Achtung. Die Kombination von Metalcore und Hardcore mit diversen „bunten“ Genres außerhalb des Metal-Bereichs ist dabei voll aufgegangen. Weiter so!
Bericht: Stefan Frühauf, Stefan(at)dark-festivals.de
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