Das 32. Wacken Open Air startete unter einem schlechten Stern – oder zumindest einem sehr bewölkten Himmel. Nicht nur hatte es in den Wochen der Aufbauphase schon ordentlich Niederschlag gegeben, auch an den Anreisetagen direkt vor dem Festival regnete es in einer solchen Menge, dass die verbauten Drainagen das Wasser nicht mehr schnell genug ableiten konnten.
Die Wetterstation in Wacken meldete über 50 Liter Niederschlag pro Quadratmeter für das Wochenende inkusive. Montag. Schon bald sollte die Wetterlage für Chaos sorgen und den Veranstaltern des Metal-Festivals schwere Entscheidungen abnötigen. Das und viel mehr lest ihr in diesem Bericht.
Fotolinks: Teil 1 (Dienstag, Mittwoch), Teil 2 (Donnerstag), Teil 3 (Freitag), Teil 4 (Samstag)
Montag, 31.07.2023
Schon am Montag, also zwei Tage vor dem ersten regulären Festivaltag, ähnelten die Campingflächen einem Sumpf inklusive Schlammlandschaft. Die Zufahrtswege waren für PKW kaum mehr befahrbar, sodass die Veranstalter am Nachmittag die Anreise auf das Festivalgelände notgedrungen unterbrachen.
Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt viele Metalfans schon vor Ort oder standen seit Stunden im Stau auf der A23. Und viele tausend weitere waren unterwegs nach Wacken. Wer Glück hatte und bereits am Gelände war, konnte bei vorhandener Abschleppöse von einem der über 70 im Einsatz befindlichen Traktorfahrer auf die Campingflächen geschleppt werden. Andere wurden von Anwohnern und weiteren Helfern versorgt.
Damit war zwar einigen wenigen Metalheads geholfen, die schon in Wacken waren, aber was war mit dem Rest?
Kurzerhand machten die Veranstalter den Flugplatz “Hungriger Wolf” zum Ausweichparkplatz und stellten für die dort Übernachtenden Grillwurst und Bier zur Verfügung. Auch viele Bauern und Anwohner der um Wacken liegenden Gemeinden halfen tatkräftig mit. Über soziale Medien wurden Hilfsangebote geteilt, an vielen Höfen und Gärten konnte man Schilder sehen mit “Stellplätze hier verfügbar”. Auch der lokale Baumarkt bot Stellplätze für die Nacht an und noch nicht verkaufte Gartenhütten als provisorische Unterkünfte.
Alle, die südlich von Hamburg warteten, konnten auf dem Parkplatz des Volksparkstadions übernachten. Auch unser Fotograf Sven, der direkt vom Amphi aus Köln anreiste, war betroffen und fand mit Glück noch ein Hotel. Trotz großer Solidarität und noch mehr anpackender Hände mussten viele Fans in oder um Wacken in ihren Autos übernachten. Als kurz nach 21 Uhr noch eine Unwetterwarnung mit Blitzschlag und weiteren Regenschauern herausgegeben wurde, war dann der krönende Abschluss eines extrem nassen und für viele unbefriedigenden Tages erreicht.
Dienstag, 01.08.2023
Auch am Dienstag blieb die Anreise weiter unterbrochen. Diejenigen, die noch nicht gestartet waren, wurden aufgefordert auf Neuigkeiten zu warten. In und um Wacken blieb die Lage angespannt. Viele Metalheads hatten ihre Autos an den Wegesrändern geparkt, was die Lage für die anreisenden Versorgungs-LKWs, Bands und sonstiges Personal verkomplizierte. Einzelne Fans versuchten parallel über Feldwege nach Wacken zu kommen. Viele wurden von der Polizei angewiesen umzudrehen, was den Verkehr zusätzlich behinderte.
Auch das Wetter hatte wenig Mitleid mit den Metalfans. Am frühen Abend glichen viele Campingplätze noch mehr einen Sumpf oder Pool anstatt einer Wiese und so wurde der finale Anreisestopp verhängt. Das hieß: Wer noch nicht da war und noch kein Ticket gelöst hatte, der durfte auch nicht mehr rein. Weder mit einem Fahrzeug noch zu Fuß. Insgesamt waren mehr als 23.000 Fans betroffen, die trotz Eintrittskarte nicht am Wacken Open Air teilnehmen konnten.
Vort Ort wurde weiter improvisiert. Der Flugplatz Hungriger Wolf wurde kurzerhand zur offiziellen Campingfläche erklärt, Shuttleservice zum Festivalgelände inklusive. Viele Metalheads folgten den Anweisungen und stiegen für den Weg zum Festival auf öffentliche Verkehrsmittel um.
Trotz aller Widrigkeiten waren die meisten vor Ort sehr guter Stimmung und wollten sich das Festival nicht vermiesen lassen, komme von oben was da wolle. Die Enttäuschung bei denen, die nicht anreisen konnten beziehungsweise umdrehen mussten, war umso größer. Dies wurde auch auf den Social-Media-Kanälen deutlich.
Verglichen mit 2022 zeigte sich der Unterschied in den Besucherzahlen zu Beginn des WOA vor allem im Dorf. Während man sonst um diese Zeit ewig lange Schlangen vor dem Wacken-Shop, dem Dönerladen oder der Eisdiele hatte, waren sie an diesem Tag eher überschaubar.
Mittwoch, 02.08.2023
Den vollständigen Einlasstopp musste man erstmal verdauen. Es traf vor allem die Metalfans hart, die es bis in die Nähe von Wacken geschafft hatten, jetzt aber doch nicht aufs Gelände konnten. Über den Tag hinweg zeigte sich aber, wie unterschiedlich dieser Stopp durchgesetzt wurde. So hörte man immer wieder von einzelnen Gruppen, die es trotzdem geschafft hatten. Allerdings waren diese scheinbar die Ausnahme.
Die Polizei schätzte zu diesem Zeitpunkt die angereisten Fans auf rund 50.000. Nach Ende des Festivals zeigte sich dann, dass es wohl rund 61.000 Fans waren, die es schlussendlich auf das Gelände geschafft hatten. Für mehr als 23.000 Ticketbesitzer hieß es damit: Kein Wacken dieses Jahr. Zwar wurde schnell die Rückerstattung der Eintrittskarten verkündet, für viele war dies aber nur ein schwacher Trost.
Auch die Mitteilung der Veranstalter, dass viele Campgrounds nicht benutzt werden konnten, stieß zum Teil auf Unverständnis. Doch die aus der Ferne grünen Wiesen waren trügerisch. Von weitem sahen viele der Wiesen trocken aus, von nahem glichen sie aber einen Schwimmbad, so hoch stand verzeinzelt das Wasser.
Auch der Einlass auf das Wackinger- und das Bullhead-Gelände wurde um mehrere Stunden nach hinten verschoben. Die Wacken Firefighters, die traditionell dort als erstes spielen, bauten kurzerhand nach nur einem Song wieder ab für die wenigen Anwesenden, die von Wheels Of Steel oder Residenz Evil Camping gekommen waren. Mehrere andere Bands, die dem verspäteten Einlass zum Opfer gefallen waren, wurden kurzerhand auf andere Slots gelegt.
Gegen 14:30 Uhr wurden die Tore zum Bullhead geöffnet und ermöglichten so den Zugang zu den anderen kleinen Bühnen und der Louder Stage. Dort wurde das Band-Programm für den Tag konsequent durchgezogen, auch wenn es durch die Umstände zu Kürzungen und weiteren Verspätungen kam. So kam es leider vor, dass Besucher lange auf ihre Band warten mussten oder sie gar verpassten, weil zu diesem Zeitpunkt keine Informationen verfügbar waren.
Auch die groß angekündigte Parade mit der Asche des verstorbenen Motörhead-Sängers Lemmy Kilmister konnte nicht wie geplant mittags stattfinden. Die drei Wagen, die die Parade zu seinen Ehren bildeten, fuhren nachmittags vom Dorf über das Gelände an der Louder Stage vorbei zum Landgasthof Wacken (LGH). Auf der Louder Stage wurden währenddessen Geschichten und Erlebnisse aus dem Leben des britischen Rockmusikers erzählt. Besonderes Highlight waren die Erlebnisse auf dem Holy Ground und wie sehr er sich mit diesem verbunden fühlte. Am LGH Wacken gibt es nun eine Gedenkstätte zu seinen Ehren.
Mit verkürzten Sets und stark verkürzten Umbaupausen wurde weiter die Louder Stage bespielt. Mit dabei waren unter anderem female-fronted Bands wie Ankor und Battle Beast. Die in Katalonien beheimateten Ankor lieferten eine solide Show ab und performten unter anderem ihren zuletzt erschienenen Song “Darkbeat” zum Besten. Frontfrau Jessie gab sich cool und gestenreich. Im Anschluss ging es bei den Finnen von Battle Beast nahezu heiß her. Die Band um Frontfrau Noora dominierte die Louder Stage und überrollte die Fans mit geballter Stimm- und Gitarren-Power bei Songs wie “Straight To The Heart”. “No More Hollywood Endings” und andere luden die Fans zum Mitsingen ein.
Den heiß ersehnten Abschluss des Tages an der Louder Stage bildete die deutsche Symphonic-Metal-Band Beyond The Black. Mit Songs wie “Lost in Forever”, “Heaven in Hell” oder “In the Shadows” begeisterte die Gruppe ihre oftmals in tiefem Matsch stehenden Zuhörer. Beim Song “Dancing in the Dark” betätigte sich Frontfrau Jennifer als Trommlerin, um das Publikum zum Singen zu animieren.
Auch die lang erwartete Öffnung des Infields mit den Bühnen Faster und Harder verzögerte sich während des Tages immer wieder. Um 18:00 Uhr war es dann soweit und der Run aufs Inflied begann. Flankiert wurden beide Einlässe von einem Wikinger-Schildwall. Eine Seite wurde jedoch zu früh geöffnet, sodass die Ansage “Open the Gates” vom Festival Veranstalter Thomas Jensen etwas unterging und der Ansturm sich recht unkoordiniert gestaltete.
Während auf dem Infield die ersten Fans auf ihre Bands warteten, wurde auf dem Gelände weiter gearbeitet, um es etwas trockener zu bekommen. In abgesperrten Bereichen wurde mit schwerem Gerät der Schlamm abgetragen und der Boden bearbeitet, zusätzlich wurden Hackschnitzel aufgebracht. Die vor Jahren eingezogene Drainage tat ihr möglichstes, dort wo sie verlegt war den Boden zumindest etwas zu trocknen.
Der verzögerten Öffnung der Faster-Stage fiel der Auftritt von Holy Moses zum Opfer. Dieser wurde dann nachts auf der W:E:T Stage nachgeholt – anstatt der Metal Disco. Skindred, hatten mehr Glück und konnten – wenn auch mit Verspätung – die Doppelbühnen eröffnen. Die Waliser taten ihr Möglichstes, um das nasse und recht verschlammte Publikum bei guter Laune zu halten. Frontsänger Benji gelang das auch durchgehend, stand er doch selbst breit grinsend auf der Bühne.
Die Highlights des Metal Wednesday waren aber die Düsseldorfer Punkband Broilers und die 40-Jahre-Jubiläumsshow der Metal-Queen Doro mit vielen Gästen wie Udo Dirkschneider, Mikkey Dee, Phil Campbell und Uli Jon Roth. Auch Doros Show stand ganz im Zeichen der verstorbenen Motörhead-Legende Lemmy Kilmister. So wurde sein Kopf als Hommage von unzähligen Drohnen in den Himmel gemalt.
Währenddessen ging es auf der Wackinger mit D’Artagnan und ihrem Musketier-Rock nicht wenig heldenmütig zu. Die Feuershow der Band konnte sich sehen lassen und trocknete so manch nassen Metalfan in der ersten Reihe. Vor allem der Song “C’est la vie” bekam bei dem Auftakt des diesjährigen Wacken Open Airs eine neue Aktualität.
Donnerstag, 03.08.2023
Schon am frühen Morgen fuhr schweres Gerät über das gesamte Gelände: Traktoren verdichteten den Boden der Verkehrswege, Bagger gruben den Schlamm ab, Tonnen von Hackschnitzeln wurden auf die Flächen geworfen und mit Stahlplatten wurde versucht halbwegs begehbare Wege zu schaffen.
Obwohl die Veranstalter taten was sie konnten blieb das Haupt-Kleidungsstück vieler Besucher: Die Gummistiefel. Ohne war vielerorts überhaupt kein Durchkommen mehr und selbst mit gab es Flächen auf dem Campground, auf denen man knietief im Schlamm stand. Findige Festivalgäste klebten sich die Stiefel gleich mit Tape ans Bein, um sie oben abzudichten.
Musikalisch gehörten die Bühnen des Bullheads (Headbanger und W.E.T.) zu Tagesbeginn den Metal Battle Bands. Dort gaben Newcomer aus aller Welt ihr Bestes, um die Jury und das Publikum von sich zu überzeugen.
Auf der Wackinger Stage wurde hingegen feinster Symphonic Metal von Ad Infinitum dargeboten. Dabei überzeugte Frontsängerin Melissa nicht nur mit großartigem Klargesang, sondern auch mit ihren Growls. Frauenpower erwartete die Fans auch auf der Wasteland Stage bei Brunhilde, einer deutschen Punk- und Metalband.
Auf der Louder Stage starteten mittags Terror aus LA. Am Nachmittag folgten auf der Harder die Wacken-Urgesteine von Skyline. Auf der Faster spielte mit Vixen eine der wenigen rein weiblichen Hard-Rock Bands aus den 1980er Jahren. Sängerin Lorraine schien ihren deutschen Fans eine Freude machen zu wollen und stürmte mit Deutschlandfahne als Cape die Bühne.
Gleichzeitig legten die schwedische Melodic-Death-Größen von Dark Tranquillity auf der Louder los. Sänger Mikael hatte während der ersten Songs ein fast manisches Grinsen im Gesicht, wahrscheinlich aufgrund der beachtlichen headbangenden Crowd vor der Bühne.
Auf der Harder feierten derweil Uriah Heep gut gelaunt ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum.
Etwas ruhiger wurde es am Nachmittag auf der Wackinger Stage, dort spielten die färöischen Eivor und Cellar Darling aus der Schweiz. Auch wenn sich bei beiden bands der sanfte Gesang ähnelte, waren ihre Musikstile mit Folk- / Ethnopop (Eivor) und Progressive Metal (Cellar Darling) grundverschieden.
Die Louder blieb weiterhin in der Hand der Schweden. Am frühen Abend ging es hier mit Imminence weiter. Die Post-Metalcore-Band besticht nicht nur durch einen düsteren optisch minimalistischen Stil und bringt mit Sänger Eddie nicht nur einen ordentlichen Vokalisten, sondern auch sehr guten Geigenspieler mit. Unterstützt wird er dabei durch Shouts von Gitarrist Harald. Sehr sympathisch waren auch Bergs kleine Ansage auf Deutsch.
Zu Hammerfall füllte sich der Bereich vor der Faster deutlich und zeigte damit einen der Höhepunkte des Tages an. Die schwedische Power-Metal-Band spielte über eine Stunde Hits aus ihren 30 Jahren Bandgeschichte. Passend zu “Hammer Of Dawn” und seinem Songtext von “Thunder and Lightning” öffnete der Himmel noch einmal seine Schleusen für einen kurzen Regenschauer.
Als Zugabe gab es noch “Hammer High” und “Hearts on Fire”, bei dessen Refrain das gesamte Infield mitsang. Zum Ende hin gaben die Instrumentalisten noch einmal alles während Sänger Joacim einfach nur vor dem großen Bühnendeko-Hammer saß und den Anblick eines jubelnden Wacken-Publikums genoss.
Danach wurde es aber vor den großen Bühnen nicht leerer. Die Menge wechselte einfach ihre Blickrichtung von der Faster auf die Harder Stage, denn zum Positionswechsel war war weder Zeit noch Platz. Spätestens jetzt hatte man das Gefühl, dass deutlich mehr als die zuerst geschätzten 50.000 Fans es nach Wacken geschafft haben mussten.
Dort spielt nun die legendäre Trash-Metal Band aus Essen: Kreator. Mit den ersten Klängen von “Hate über alles” hatte die Band das Publikum fest auf ihrer Seite. Zu “Awakening of the Gods” forderte Sänger Mille die Menge auf, das Infield in ein Massaker nach Wacken-Style zu verwandeln. Dies führte zu mehreren kleineren Walls of Death, die nahtlos in einem großen Moshpit zu “Enemy of God” aufgingen.
Den Abschluss auf der Faster bildete die deutsche Power-Metal-Band Helloween. Alternativ dazu spielten auf der Louder die sieben Finnen von Amorphis. Mit “Northwards” gab Sänger Tomi gleich mal die Richtung des Konzertes an.
Einen deutlich ruhigeren Abschluss des Festivaltags hab es auf der Wackinger Stage mit Faun. Nach mehreren Besetzungswechseln haben sich Adaya und Laura fest in der Band etabliert, doch auch jetzt wird es mit dem angekündigten Ausstieg von Perkussionist Rüdiger nicht ruhiger. Für das Konzert in Wacken lieferten Faun ihren feiernden Fans einen guten Mix aus alten und neuen Songs. Mit dabei waren auch Bandklassiker wie “Diese kalte Nacht”.
Und wer keine Lust (mehr) auf Musik hatte, fand sich im Welcome to the Jungle ein. Dort gab es unter anderem die erste Folge von “Legend of Wacken” zu sehen, der neuen, nicht dokumentarischen Serie über die Entstehung des Festivals.
Freitag, 04.08.2023
Wer sich nach einer langen Nacht einen guten Platz vor den großen Bühnen sichern wollte, musste sehr, sehr früh aufstehen. Die deutsche Fun-Metal-Band J.B.O. war am Freitag die erste Band auf einer der Hauptbühnen. Motiviert legten J.B.O. los, sehr zur Freude der teils schwarz-rosa gewandeten Fans, die tapfer im Matsch vor der Louder Stage ausharrten. Mit vielen Liedern zum Mitsingen, Animation zur Polonäse und viel Spaß gab die Band eine Stunde Vollgas und übrig blieben gut gelaunte Fans und stellenweise rosa gesprenkelter Schlamm.
Weiter im Programm ging es über die Metalcore-Band Caliban hin zur Symphonic-Metal-Band Leaves’ Eyes. Die Band rund um das Sänger-Duo Elina und Alexander bezog aber nicht alleine auf der Bühne Stellung. Begleitet wurden die Musiker von zwei Scharen Wikinger, die sich links und rechts vom Schlagzeug positionierten. Mit rhythmischen Schlägen auf ihre Schilde gaben sie den Takt von “Chain of the Golden Horn” an, während in der Front der Bühne Flammensäulen den Fans einheizten.
Die springenden, singenden und mitklatschenden Fans wurden aber nicht nur vom Feuer gewämt. Mittlerweile hatte sich auch die norddeutsche Sonne blicken lassen, sehr zur Freude der Metalheads (und der Veranstalter). Zu “Ruler of Wind and Waves” konnten sich die Zuschauer etwas erholen und den Wikinger beim Schaukampf zusehen. Eine Weltpremiere hatten Leaves’ Eyes aber auch noch im Gepäck: Mit “Forged by Fire” wurde ihr neuer Song das erste Mal der Öffentlichkeit vorgestellt.
Wem die großen Bühnen zu voll waren, konnte aber auch im Bereich des Bullheads seinen Musikhunger stillen. Auf der Headbanger- und W:E:T-Stage gaben sich Bands aller Metal-Stilrichtungen und Herkunft die Klinke in die Hand: Von Heavy Metal aus England mit Employed to Serve über die Hardcore-Punk/Hip-Hop-Band Dog Eat Dog aus der USA bis hin zu den Thrash-Metallern Legion Of The Damned aus den Niederlanden.
Auf der Wackinger gab es Folk Metal von Harpyie aus Deutschland, deren Sänger Aello kurzerhand von der Bühne auf die vorgelagerten Basstürme kletterte um ein bisschen Fankontakt zu pflegen. Wer lieber Symphonic Metal zum Frühstück hören wollte, der konnte sich auf der Wasteland Stage Autumn Bride aus Österreich geben.
Zurück auf der Wackinger hatte mittlerweile Peyton Parrish mit einem seiner ersten Deutschlandkonzerte die Bühne betreten. Da der Sänger hauptsächlich über Social Media bekannt geworden ist, waren die Fans mehr als gespannt auf seine Live-Performance. Diese enttäuschte nicht und spätestens bei Songs wie “God of War” und “My mother told me” wurde kräftig mitgesungen.
Nach kurzer Pause schlossen sich Skálmöld mit isländischem Viking-Metal thematisch an. Die teilweise mit Vorliebe barfuß spielenden Musiker rund um Frontmann Björgvin lieferten den Fans ein volles Brett, geprägt von Growls und harten Riffs. Den Abschluss auf der Wackinger bildeten die Mittelalter-Rocker von Tanzwut. Hier herrschte wieder Mitsingpotential auch wenn der Einstieg in das Set lichttechnisch leider sehr dunkel gehalten war.
Das ganz große Programm spielte sich aber auf den Infield ab. So gab es auf der Faster Bühne, die im vorderen Bereich schon prall gefüllt war, das erste Highlight des Tages und ein weiteres Bühnenjubiläum zu sehen. Megadeth feierten ihr 40-jähriges Bestehen und die Fans machten ordentlich mit. Zu den Klängen von “Wake Up Dead” oder “Tornado of Souls” wurde im Publikum geheadbangt und gemoscht.
Als Besonderheit hatten sich Megadeth einen Gast für einige Songs dazugeholt. Marty Friedman, con 1990 bis 1999 Leadgitarrist der Band, unterstützte seine ehemaligen Kollegen tatkräftig und zeigte den Fans nochmal sein Können. Er selbst spielte mit eigener Band am Samstag auf der W.E.T. Stage.
Ein kleines bisschen länger im Business war die nächste Band und der große Headliner des Festivals: Iron Maiden bringen es auf stolze 46 Jahre Bühnenerfahrung. Zum fünften Mal spielte die Heavy-Metal-Legende aus Britannien auf dem Wacken Open Air. Der erste Auftritt war 2008, zuletzt gastierten sie 2016 auf dem Festival. Im Gepäck hatten sie am Freitag vor allem Lieder aus ihrem aktuellen Album “Senjutsu” und aus ihrem 1986 erschienenen Album “Somewhere In Time”. Bereits über die letzten Monate war die Band quer durch Europa getourt, der Auftritt auf dem Wacken Open Air bildete den fulminanten Abschluss.
Ein seltener Gast auf Wacken machte sich danach auf der Faster bereit. Wardruna gaben sich die Ehre und brachten nicht nur ein spezielles Lichtsetting mit. Dieses malte überdimensionierte Schatten der Musiker an den Backdrop der Stage, welche sich zu den sphärischen Klängen der Band bewegten. Das siebenköpfige Ensemble um Frontsänger Einar versteht sich darauf, die Fans in seinen Bann zu ziehen, was nicht zuletzt den eingesetzten Drums und dem einzigartigen Gesang des Frontmanns zu verdanken ist.
Lord Of The Lost bildeten den Abschluss auf den großen Bühnen um kurz nach Mitternacht. Viele Songs kamen vom aktuellen Album “Blood & Glitter” und wurden mit der gewohnt überwältigenden Energie der Band performt. Entsprechend der Herausforderung vor wenigen Monaten lösten sie auch das “Versprechen” ein und holten Blümchen für das Roxette-Cover “The Look” auf die Bühne. Der Auftritt sorgte sicher nicht bei allen Metal-Fans für ungeteilte Zustimmung, die erfolgreiche Tour mit Iron Maiden gibt Lord Of The Lost und ihrem unkonventionellen Stil aber Recht.
Samstag, 05.08.2023
Am frühen Morgen hallte der Wetterbericht über die Campgrounds. Die Lautsprecher-Durchsagen warnten vor einem kurzen Regenguss, der gleich kommen sollte. Der war dann allerdings so heftig, dass die zum Teil gut getrockneten Wege sich wieder in Matsch verwandelten. Diejenigen, die an diesem Tag schon auf normales Schuhwerk gefreut hatten, stellten diese Entscheidung schnell wieder in Frage.
Auch in dem Bereich des Bullhead und des Infields gab es wieder deutliche Pfützen und die Veranstalter setzten noch einmal alles in Bewegung, um die Wege begehbar zu machen. Zudem wurden die Metalheads aufgefordert, die Abreise mit Hinblick auf das Wetter zu gestalten. Im Hinblick auf das nahende Festivalende wurden Fahrzeuge überprüft und soweit möglich von Schlamm befreit. Dass am nächsten Tag erneut leichter Regen angekündigt war, beeinflusste sicherlich die Entscheidung über den Rückreisezeitpunkt vieler Fans. Doch zurück zum Festival.
Morgens starteten Enemy Inside auf der W:E:T. Die Aschaffenburger Dark-Rock-Band bildete in ihren ganz in weißen gehaltenen Outfits das komplette Gegenteil zu den Metalheads, die im Schlamm vor der Bühne standen. Zum Abschluss versuchte Sängerin Nastassja mit “Summer Son” die Sonne hinter den Wolken hervor zu singen. Gemessen am Wetter des restlichen Tages schien das auch gelungen zu sein.
Ein weiterer Höhepunkt im Bullhead war der Auftritt von Burning Witches. Die rein weiblich besetzte Schweizer Heavy- und Power-Metal-Band spielte in ihrem rund 45-minütigen Set alle großen Hits aus ihren fünf Alben.
Auf der Louder ging es mittags mit klassischem Power Metal weiter. Nach der Trennung von Gloryhammer startete Thomas Winkler mit seinem neuem Projekt Angus McSix durch und wurde von den Fans gespannt erwartet. Seine goldene Rüstung glänzte quer über die Menge, welche die neuen Songs wie “Master of the Universe” oder “Sixcalibur” begeistert mitsang.
Jinjer enterten kurze Zeit später die Faster. Mit ihrer brachialen Energie und Songs wie “Perennial” und “Vortex” brachte die ukrainische Metal-Band das Infield zum Kochen. Dabei plädierte die Band auch immer wieder für den Frieden und die Solidarität mit ihrem Land. Frontsängerin Tatiana wechselte zwischen Klargesang und Growls und beeindruckte wieder einmal mit dem großen Umfang ihrer Stimme.
Mit Ereb Altor gab es erneut schwedischen Viking-Metal auf die Ohren auf der Wackinger, während die Kanadier um Kataklysm auf der Louder die Fans von Death Metal erfreuten. Mit im Gepäck waren altbekannte Songs wie “The Serpents Tongue” oder “Ambassador of Pain”, die von den Fans mit wohlplatziertem Kopfnicken gewürdigt wurden.
Auf der Harder Stage gab es True Scottish Pirate Metal von Alestorm. Schon mit den ersten Klängen von “Keelhauled” gingen die Hände zum Klatschen in die Höhe und die Fans feierten mit den Spaßpiraten hart ab. All das vor der Kulisse einer riesigen Badeente. Zwischen eigenen Partykrachern wie “Alestorm” und “P.A.R.T.Y.” gab es mit “Hangover” von Taio Cruz auch ein Cover. Der Text des Covers sprach sicher vielen Fans aus der Seele, die an diesem Tag erst mittags aus den Zelten gekrochen waren.
Alternativen zum klassischen Metal fanden sich Samstag vor allem im Bereich Mittelalter-Rock und Folk. Saltatio Mortis legten auf der Harder mit einem guten Mix aus neuen und alten Songs vor, alle zum Mitgrölen gut geeignet. Und weil Peyton Parrish ebenfalls noch verfügbar war, wurden “God of War” und “My Mother told me” nochmals wiederholt – sehr zur Freude der Fans.
Auf der Louder hatten Versengold derweil eine bühnengroße Taverne aufgebaut. Nicht nur unsere Fotografin fand sich genötigt, die vielen bekannten Lieder mitzusingen, ebenso wie die versammelten Fans vor der Bühne. Dazu konnten diese bei “Der Tag an dem die Götter sich betranken” noch mit riesigen blauen Luftballons spielen. Versengold selbst hatten dieses Jahr 10-jähriges Wackenjubiläum und 20-jähriges Bandbestehen.
Mr. Hurley und die Pulveraffen bildeten für das Festival den Abschluss auf der Wackinger Stage. Und man hätte partytechnisch kaum einen besseren wählen können. Gestartet wurde mit dem “Affentotenkopp” und nach einer Stunde wilder Fahrt endete das Konzert “Blau wie das Meer”.
Kurz vorher riss mit der deutsche Metalcore-Band Heaven Shall Burn einer der Headliner die Main Stage ab. In dem Maße, in dem die Band ihre Energie auf der Bühne verteilte, gaben sie die Fans zurück, inklusive mehrerer Circle Pits. Zu “Behind a Wall of Silence” forderte Sänger Marcus die Menge auf, aufeinander aufzupassen und die vielen Pits zu einem zu vereinen.
Gesagt und getan! Um den Technikturm und den Krombacherstand wurde ein gewaltiger Circle Pit gebildet, bei dem hunderte mitmachten. Nach der zweiten Zugabe wurde zum Abschluss “Valhalla” von Blind Guardian gecovert, welches die Fans frenetisch mitsangen.
Nach dieser Show wurde es mystisch auf dem Holy Ground. Die Scheinwerfer hüllten ihn in ein grünes Licht während über den Bühnen Drohnen Symbole bildeten. Die Wikinger zogen mit Fackeln auf und es war soweit: Das Thema und die ersten 33 Bands für das 33. Wacken Open Air wurden bekannt gegeben – Witches and Warlocks. Zu den ersten Bestätigungen für 2024 gehören die Scorpions, Amon Amarth, In Extremo, Blind Guardian, Mayhem und viele mehr.
Doch nicht nur vor und auf der Bühne lohnte sich das Hinschauen. Wieder einmal zeigten die Drohnenpiloten ihr Können. Über den Bühnen bildeten die Drohnen Drachen oder auch den Wackenschädel während zwischen den Bildschirmen die Wikinger kämpften und Band für Band fürs nächste Jahr enthüllt wurde.
Letzter Akt für dark-festivals.de war dieses Jahr der Auftritt von Two Steps from Hell. Ein wirklich besonderes Konzert, welches genau das lieferte, was die Macher sich auf die Fahne geschrieben haben. Epische Hymnen, die an Filmmusiken und Gamesoundtracks erinnern, dazu ein großes Orchester auf der Bühne und massive Drums. Ein wirklich herausragendes und bewegendes Gefühl, wenn man sich vom Holy Ground bis nächstes Jahr verabschiedet und dabei von dieser Soundkulisse begleitet wird – und wahrscheinlich ging es vielen Wackenbesuchern ähnlich.
Anmerkungen
Abseits der Bühnen gab es ebenfalls wichtige Bekanntgaben. Unter anderem die Gewinner des diesjährigen Metal Battles. Gewonnen haben Phantom Excaliver aus Japan. Auch die Polizei zeigte sich zufrieden und sprach von einem der friedlichsten Wacken Open Airs seit Jahren. Die Besucherzahl wurde derweil nach oben korrigiert und man sprach von 61.000 bis 63.000 feierwütigen Metalfans.
Insgesamt wurde jedoch von Veranstalterseite von einem Millionenverlust dieses Jahr gesprochen. Gemessen an den Umständen lässt sich aber sagen, dass alles getan wurde um das 32. Wacken Open Air bestmöglich durchführen zu können. Mit diesen Umständen hat niemand rechnen können.
Entgegen der Befürchtungen konnten viele Fans aus eigener Kraft abreisen, die Wege hielten und es gab am Sonntag auch kein übermäßiges Verkehrschaos auf der A23. Der ADAC musste erwartungsgemäß oftmals ausrücken, um Fahrzeuge wieder flott zu machen oder abschleppen zu lassen. Manch einem Besucher droht ein Besuch in der Werkstatt, um das Fahrzeug vollends vom Schlamm befreit zu bekommen.
Im Bereich der Essensversorgung fiel auf, dass fast überall die Preise um 1 bis 2 € erhöht wurden. Dieses ist größtenteils den verringerten Besucherzahlen zu schulden und wurde von vielen Fans auch mit Verständnis begegnet. In der aktuellen Zeit taten die Teuerungen aber vielen weh.
Fazit und Kommentar
Sven:
Was sagt man nun zu diesem Wacken? Ich weiß es nicht so recht. Klar, 2015 sind wir auch abgesoffen und es gab keine Einlassbeschränkungen. Allerdings waren damals fast alle schon vor Ort und alles stand.
Dieses Mal habe ich mehr als ein Mal am Mittwoch eine ganze Zeit lang im Regen gewartet, weil es hieß es werde geöffnet. Nur um mich dann zu ärgern, dass es nicht so war. Auch beim Run aufs Infield stand ich beim dritten Mal bereit, nur um zu hören, dass auf der Louder schon gespielt wurde. Ich habe mich massiv darüber geärgert, dass keine klaren Entscheidungen getroffen oder besser kommuniziert worden sind.
Allerdings hatten die Veranstalter praktisch nur schlechte Optionen. Egal, wie sie sich entschieden hätten, bei zehntausenden Fans die gar nicht mehr rein konnten und dem allgemeinen Chaos konnte man nicht mehr alle zufriedenstellen. Und nachher wissen es doch alle besser.
Ich habe auch gesehen wie viele Leute im Hintergrund rotiert sind, um so vielen Besuchern wie möglich ein tolles (oder überhaupt ein) Festivalerlebnis zu geben. Das gilt für das Traffic Team inklusive der Landwirte, die mit angepackt habe um Fans auf das Gelände zu bringen. Das gilt auch für die Reinigungstruppen, die unermüdlich den Schlamm aus Duschen und WCs gekehrt haben. Oder auch die Menschen aus der Produktion, die im Hintergrund die Drähte glühen lassen haben, um Traktoren, Hackschnitzel oder die Bundeswehrstrassen zu organisieren. Klar kann man jetzt sagen, dass das für über 20.000 Fans eben nicht gut genug war. Aber für rund 60.000 wurde alles möglich gemacht was ging und daher sage ich einfach nur DANKE!
Natalie:
Vielem, was Sven genannt hat, kann ich mich nur anschließen. Die Organisation im Hintergrund, die Leute vor Ort, alle haben unglaubliches geleistet in diesen ersten Tagen. Danke vor allem auch an den Traktorfahrer, der auch mein kleines Auto sicher zu seinem Stellplatz gezogen hat.
Die mangelnde Kommunikation an allen Fronten ist auch mein größter Kritikpunkt. Vor allem in den ersten Tagen konnten wir teilweise nur raten, ob wir pünktlich zu einem Konzert kommen oder nicht. Da wir nur die ersten drei Lieder Zeit für Fotos haben, war das oftmals unpraktisch. Auch wenn man Zeit vergeudet hat, um auf Verdacht zu einer Stage zu laufen, dafür sind die Wege einfach zu weit. Wir mussten klar kürzer treten in den ersten Tagen um uns und unser Equipment bei den Umständen nicht zu gefährden. Das ist erstmal nicht schlimm, sondern nur eine Maßnahme von uns und unseren Kollegen. Für das Wetter kann schließlich keiner was.
Auch dieses Jahr gab es wieder das übliche Spiel mit fehlerhaften Informationen was zugelassene Wege für Presse bei den Securities angeht. Auch hier nichts neues, aber immer wieder nervig, wenn man unnötig diskutieren muss. Im Nachhinein hat es aber zumindest gefühlt ab Donnerstag besser geklappt als in den Jahren zuvor.
Ebenfalls hat uns die Situation vor der Faster+Harder und der Wackinger vor ziemliche Probleme gestellt. Die Gräben für die Fotografen waren dieses Jahr unglaublich klein, vor allem auf der Wackinger. Hier war eigentlich kein sicheres Arbeiten möglich, da ja auch die Security Platz brauchte. Man hat sich bestmöglich arrangiert, aber eigentlich war es ein Glück, dass nicht so viele Fotografen vor Ort waren. Auch von Seiten der Security vor der Wackinger gab es dieselben Bedenken bereits vor Öffnung des Festivals. Vor der Faster+Harder war es ähnlich, was die Grabengröße für die Fotografen anging, hier gab es zusätzlich eine unschöne Stufe zwischen den Metallplatten, bei der man leicht hätte umknicken können.
Ein großes Danke geht wieder an das Team vom Pressezelt. Es ist jedes Jahr der Hammer, wie ihr uns unterstützt. Kleiner Kritikpunkt: Obwohl es weniger Presseleute dieses Jahr gab, haben wir uns stark arrangieren müssen, was die Arbeitsplätze und Stromversorgung angeht. Ein paar Tische mehr für nächstes Jahr wären schon sinnvoll.
Insgesamt haben wir ein paar tolle Festivaltage erlebt mit (mehr oder weniger) großartigen Bands und sind auf wunderbare Besucher getroffen. Auch von mir: Danke dafür, dass das WOA 2023 noch in diesem Sinne stattfinden konnte.
Festivalbericht:
Sven Bähr, Sven(at)dark-festivals.de
Natalie Laube, Natalie(at)dark-festivals.de